Rechtsprechung // Wettbewerbsrecht
BGH, Urteil vom 27.04.2017 - I ZR 55/16
Preisportal - Die Information, dass der Preisvergleich eines Preisvergleichsportals nur Anbieter erfasst, die sich für den Fall eines Vertragsabschlusses zur Provisionszahlung verpflichtet haben, ist eine wesentliche Information i.S.v. § 5a Abs. 2 UWG
UWG §§ 3, 5a Abs. 2, 8 Abs. 1 und 3
Leitsätze:*1. Eine Information ist nicht allein schon deshalb wesentlich im Sinne des § 5a Abs. 2 UWG, weil sie für die geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers von Bedeutung sein kann, sondern nur dann, wenn ihre Angabe unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen vom Unternehmer erwartet werden kann und ihr für die geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers zudem ein erhebliches Gewicht zukommt (vgl. BGH, Urteil vom 16.05.2012 - I ZR 74/11 - Zweigstellenbriefbogen; BGH, Urteil vom 21.07.2016 - I ZR 26/15 - LGA tested). Die Beurteilung, ob eine Information im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände als wesentlich anzusehen ist, ist Sache der Gerichte der Mitgliedstaaten (vgl. EuGH, Urteil vom 12.05.2011 - C-122/10, Slg. 2011, I-3903 - Ving Sverige; BGH, Urteil vom 19.02.2014 - I ZR 17/13 - Typenbezeichnung). Die Frage, ob eine Information für die geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers von besonderem Gewicht ist, ist nach dem Erwartungs- und Verständnishorizont des Durchschnittsverbrauchers zu beurteilen (vgl. BGH, Urteil vom 19.02.2014 - I ZR 17/13 - Typenbezeichnung; BGH, Urteil vom 21.07.2016 - I ZR 26/15 - LGA tested). Die Einschätzung des Verkehrsverständnisses des Durchschnittsverbrauchers ist in erster Linie Aufgabe des Tatrichters (vgl. BGH, Urteil vom 21.07.2016 - I ZR 26/15 - LGA tested).
2. Bei dem über das Internet erfolgenden Angebot eines Preisvergleichs für Bestattungsdienstleistungen ist die Information darüber, dass der Preisvergleich nur solche Anbieter erfasst, die sich gegenüber dem Anbieter des Vergleichsportals für den Fall eines Vertragsabschlusses zur Zahlung einer Provision verpflichtet haben, eine wesentliche Information im Sinne des § 5a Abs. 2 UWG.
3. Eine persönliche Haftung des Geschäftsführers für unlautere Wettbewerbshandlungen der von ihm vertretenen Gesellschaft besteht nur, wenn er daran entweder durch positives Tun beteiligt war oder wenn er die Wettbewerbsverstöße aufgrund einer nach allgemeinen Grundsätzen des Deliktsrechts begründeten Garantenstellung hätte verhindern müssen (BGH, Urteil vom 18.06.2014 - I ZR 242/12, MIR 2014, Dok. 084 - Geschäftsführerhaftung). Eine persönliche Haftung des Geschäftsführers kommt danach in Betracht, wenn der Wettbewerbsverstoß auf einem Verhalten beruht, das nach seinem äußeren Erscheinungsbild und mangels abweichender Feststellungen dem Geschäftsführer anzulasten ist (BGH, Urteil vom 18.06.2014 - I ZR 242/12, MIR 2014, Dok. 084 - Geschäftsführerhaftung). Zu den Maßnahmen, über die typischerweise auf Geschäftsführungsebene entschieden wird, zählen etwa das allgemeine Konzept der Kundenwerbung eines Unternehmens (vgl. BGH, Urteil vom 30.06.2011 - I ZR 157/10, MIR 2011, Dok. 099 - Branchenbuch Berg), der Inhalt einer Presseerklärung eines Unternehmens, in der der Geschäftsführer selbst zu Wort kommt (vgl. BGH, Urteil vom 17.08.2011 - I ZR 108/09 - TÜV II) und der allgemeine Internetauftritt des Unternehmers (vgl. BGH, Urteil vom 19.04.2012 - I ZR 86/10, MIR 2012, Dok. 046 - Pelikan). Die Gestaltung des von einer Gesellschaft betriebenen Preisvergleichsportals und die Festlegung der Regeln, nach denen Anbieter in den Preisvergleich dieses Portals aufgenommen werden, ist insoweit eine typischerweise der Geschäftsführung obliegende Entscheidung.
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 31.12.2017
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/2843
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