Rechtsprechung
BGH, Urteil vom 31.05.2012 - I ZR 45/11
Missbräuchliche Vertragsstrafe - Die Frage, ob die Geltendmachung einer Vertragsstrafe rechtsmissbräuchlich ist, richtet sich nach § 242 BGB. §§ 307, 308 Nr. 1, § 309 Nr. 7a BGB sind Marktverhaltensregelungen.
UWG § 4 Nr. 11, § 8 Abs. 4; BGB §§ 242, 307, 308 Nr. 1, § 309 Nr. 7a; ZPO § 322 Abs. 1
Leitsätze:*1. Der Anwendungsbereich von § 8 Abs. 4 UWG ist auf Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche nach § 8 Abs. 1 UWG beschränkt. Auf vertragliche Ansprüche, insbesondere Zahlungsansprüche, ist die Vorschrift weder direkt noch entsprechend anwendbar (vgl. BGH, Urteil vom 01.06.2006 - I ZR 167/03, MIR 2006, Dok. 238 - Telefax-Werbung II).
2. Verhaltensweisen, die der gerichtlichen Durchsetzung wettbewerbsrechtlicher Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche nach § 8 Abs. 4 UWG entgegenstehen (vgl. BGH, Urteil vom 17.11.2005 - I ZR 300/02 - MEGA SALE; BGH, Urteil vom 22.10.2009 - I ZR 58/07, MIR 2010, Dok. 049 - Klassenlotterie), können die Forderung von Vertragsstrafen nur ausschließen, soweit sie für die Abgabe der Unterwerfungserklärung ursächlich waren oder mit ihr jedenfalls im Zusammenhang stehen.
3.
a) Die Frage, ob die Geltendmachung einer Vertragsstrafe rechtsmissbräuchlich ist, richtet sich nicht nach § 8 Abs. 4 UWG, sondern nach § 242 BGB.
b) Die Rechtskraft der Entscheidung über den Unterlassungsanspruch hat grundsätzlich keine Bindungswirkung für die Frage, ob die Abmahnung begründet war.
c) Die Vorschriften der §§ 307, 308 Nr. 1, § 309 Nr. 7a BGB sind Marktverhaltensregelungen im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG.
4. Die Verwendung unwirksamer Allgemeiner Geschäftsbedingungen widerspricht regelmäßig den Erfordernissen fachlicher Sorgfalt (BGH, Urteil vom 31.03.2010 - I ZR 34/08, MIR 2010, Dok. 139 - Gewährleistungsausschluss im Internet). Verstöße gegen §§ 307, 308 Nr. 1, § 309 Nr. 7a BGB sind geeignet, die wirtschaftlichen Interessen des Durchschnittsverbrauchers spürbar zu beeinflussen. Trotz ihrer Unwirksamkeit können Vertragsklauseln, die gegen die Verbote dieser Vorschriften verstoßen, Verbraucher davon abhalten, berechtigte Ansprüche gegen den Verwender der betreffenden Klauseln geltend zu machen.
Bearbeiter: RA Thomas Gramespacher
Online seit: 12.07.2012
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/2407
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
// Artikel gesammelt "frei Haus"? Hier den MIR-Newsletter abonnieren
Oberlandesgericht Hamm, MIR 2020, Dok. 097
Kaffeekapseln - Bei dem Angebot von Kaffeekapseln muss auch den Grundpreis für das in den Kapseln enthaltene Kaffeepulver angegeben werden
BGH, Urteil vom 28.03.2019 - I ZR 85/18, MIR 2019, Dok. 016
Da Vinci - Rechtsmissbrauch wegen Berufung auf eine nur formale Rechtsstellung durch den Inhaber eines Kennzeichenrechts bei der Geltendmachung von Vertragsstrafenansprüchen
BGH, Urteil vom 23.10.2019 - I ZR 46/19, MIR 2020, Dok. 005
ddl-music.to - Zur Haftung des Betreibers eines Content-Delivery-Networks (CDN) als Täter für Urheberrechtsverletzungen auf Drittseiten deren Datenverkehr über das CDN umgeleitet wird
OLG Köln, Urteil vom 03.11.2023 - 6 U 149/22, MIR 2023, Dok. 082
Herstellergarantien - Keine Pflicht von Internethändlern zur Information über Herstellergarantie, wenn diese kein zentrales (wesentlichs) Merkmal des Angebots ist
Bundesgerichtshof, MIR 2022, Dok. 086