Rechtsprechung
Hanseatisches OLG, Urteil vom 26.11.2009 - 3 U 23/09
"Garantiezeit 5 Jahre" - Ein rechtsgeschäftlich bindendes Verkaufsangebot (hier: im Rahmen von eBay), dass eine unselbständige Garantie enthält, muss den Anforderungen von § 477 BGB genügen.
BGB §§ 133, 157, 312c, 477; UWG §§ 2 Abs. 1 Nr. 2, 3, 4, 12, BGB-InfoV § 1 Abs. 4
Leitsätze:*1. § 477 BGB ist eine gesetzliche Vorschrift, die im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG jedenfalls auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln
(wird ausgeführt).
2. Bloße werbliche Angaben, die (allenfalls) eine invitatio ad offerendum des Verkäufers beinhalten, sind dem Wortlaut nach nicht Regelungsgegenstand von § 477 BGB.
Die in § 477 BGB angesprochene "Garantieerklärung" bezeichnet die Willenserklärung des Verkäufers, die zum Abschluss eines Kaufvertrages (bei unselbständiger Garantie)
bzw. des Garantievertrages (bei selbständiger Garantie) führt. Daher muss die zum Vertragsabschluss führende Willenserklärung des Verkäufers
im Fall einer unselbständigen Garantie bereits sämtliche Anforderungen von § 477 BGB erfüllen.
3. Bei einem Verkaufsangebot (hier: im Rahmen von eBay) mit dem Zusatz "Garantiezeit von 5 Jahren", ist durch Auslegung gemäß §§ 133, 157 BGB unter Berücksichtigung des
objektiven Empfängerhorizontes zu ermitteln, ob hiermit eine bloße werbliche Angabe oder aber eine unselbständige Garantie abgegeben werden soll.
Der Adressat eines rechtsgeschäftlich bindenden Verkaufsangebots (hier: im Rahmen einer eBay-Internet-Auktion) mit einem solchen Zusatz dürfte den
Angebotsinhalt dahin verstehen, dass der ihm angesonnene Kaufvertrag nicht allein im Austausch von Ware und Geld besteht, sondern ihm darüber
hinaus eine Garantie (hier: Garantiezeit von 5 Jahren) gerade als Teil des Kaufvertrags gewährt wird (vgl. auch OLG Hamm, Urteil vom 13.08.2009 - Az. 4 U 71/09,
MIR 2009, Dok. 192).
4. Ein hiervon abweichendes Verständnis ergibt sich auch nicht aus § 312c Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 1 Abs. 4 BGB-InfoV, wonach die Erteilung der Garantiebedingungen in
Textform erst bei Lieferung gestattet wird. Diese Regelungen basieren auf der Richtlinie über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz (Richtlinie 97/7/EG)
während § 477 BGB den kaufrechtlichen Verbraucherschutz auch außerhalb des Fernabsatzes regelt.
Soweit im Fernabsatz geschlossene Verbrauchsgüterkaufverträge beiden Regelungsregimen unterliegen, kommt nach einer Art verbraucherschutzrechtlichen
"Meistbegünstigung" das verbraucherfreundlichere zum Tragen, mit der Folge, dass sämtliche Anforderungen des § 477 BGB bereits im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses –
und nicht erst bei Lieferung – erfüllt sein müssen.
5. Bei einer Abmahnung, die nicht nur eine einseitige Erklärung, sondern auch das Angebot zum Abschluss eines Unterwerfungsvertrages enthält, bedarf es nicht der
Beifügung einer Originalvollmacht gemäß § 174 BGB (Hanseatisches OLG, Urteil vom 19.07.2007 - Az. 3 U 241/06).
Bearbeiter: RAin Uta Wichering
Online seit: 27.01.2010
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/2115
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
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