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Rechtsprechung



Hanseatisches OLG, Urteil vom 02.11.2006 - Az. 3 U 256/05

"0,00 EURO Offensive!" - Zur Irreführung durch eine (animierte) Internet-Bannerwerbung für DSL-Komplettangebote.

UWG §§ 4, 5; ZPO § 929 Abs. 2

Leitsätze:*

1. Ob eine Werbung irreführende Angaben enthält, bestimmt sich maßgeblich danach, wie der angesprochene Verkehr die beanstandete Werbung auf Grund ihres Gesamteindrucks versteht. Für die Bestimmung des Verkehrsverständnisses ist auf einen situationsadäquat durchschnittlich aufmerksamen, informierten und verständigen Verbraucher abzustellen, der der Werbung die der Situation angemessene Aufmerksamkeit entgegenbringt (BGH GRUR 2005, 690, 691 – Internet-Versandhandel m.w.N.).

2. Bei einer Internet-Bannerwerbung (hier: als Werbeeinblendung bei eBay) für DSL- Internetzugangs-Produkte kommt es für die Beurteilung der Frage einer möglichen Irreführung auf das Verständnis eines Verbrauchers an, der das Medium Internet zu nutzen versteht, der sich insbesondere im Internet über Verlinkung etc. fortbewegen kann. Dem hier maßgebenden Referenzverbraucher wird allerdings nicht bekannt sein, dass die Abgabe von subventionierten Hardware-Produkten regelmäßig damit verknüpft ist, dass eine Mindestvertragslaufzeit für die DSL-Zugangstarife eingegangen werden muss, dass das breitbandige Internet-Surfen Verträge betrifft, die darauf angelegt sind, längerfristig genutzt zu werden sowie dass dies nicht ohne hierfür zu bezahlenden Grundpreis geschehen kann.

3. Einer animierten Internet-Bannerwerbung für DSL-Angebote, die Vergünstigungen wie "Wegfall der Bereitstellungsgebühr" und die unentgeltliche Zugabe eines Modems bei Abschluss eines Vertrages bewirbt, während durch die zeitnah aufeinander folgenden Animationsphasen Slogans wie "Jetzt ... einsteigen!" sowie "Jetzt zu T-DSL!" dem Verbraucher in jeder Phase einen Vertragsabschluss im Rahmen einer blickfangmäßig hervorgehobenen "0,00 EURO Offensive!" nahe gelegt werden soll, wird der - bei einer solchen Werbung maßgebende - Referenzverbraucher entnehmen, dass ein solcher Vertragsschluss allenfalls einen in der Werbung selbst weiter benannten Kostenfaktor (hier: "Grundgebühr ab dem 2. Monat") enthält, ihm darüber hinaus aber keine Kosten entstehen.

4. Jedenfalls dann, wenn einer Preisangabe überhaupt kein Link mit einem angebotserklärenden Inhalt unmittelbar zugeordnet ist, sondern der Werbende mit einem Button "Jetzt anmelden" dem Verkehr gegenüber zum Ausdruck bringt, dass der Werbung aus seiner Sicht alle wesentlichen, für eine Bestellentscheidung des Verbrauchers relevanten Umstände bereits originär zu entnehmen sind, kommt eine irrtumsausschließende Aufklärung durch Verlinkung nicht in Betracht. Dies gilt erst recht, wenn die gesamte Bannerwerbung von dem Slogan "0,00 EURO Offensive!" geprägt wird und damit dem Verkehr suggeriert wird, es handele sich um eine besondere, allumfassende Verkaufsaktion mit einem außergewöhnlichen, durch Kostenfreiheit geprägten Angebot. In einer solchen Internet-Bannerwerbung liegt eine wettbewerbsrechtlich relevante Irreführung des Verbrauchers.

5. Eine Internet-Bannerwerbung, die keinerlei aufklärende oder gar einschränkende Angabe zur Verfügbarkeit oder räumlichen Nutzbarkeit des beworbenen Produkts (hier: technische Verfügbarkeit von T-DSL in Deutschland) im Allgemeinen enthält, kann unter dem Gesichtspunkt der Irreführung wettbewerbswidrig sein.

6. Wird eine Beschlussverfügung fristgemäß vollzogen, so bedarf es keiner erneuten Vollziehung, wenn die einstweilige Verfügung nach Widerspruch in vollem Umfang bestätigt wird. Erfolgt eine Bestätigung nur in abgeänderter Form, ist eine erneute Vollziehung nicht erforderlich, wenn die Abänderung gegenüber dem früheren Verbot "unwesentlich" ist, d. h. entweder nur eine Klarstellung oder nur eine Beschränkung des Verbots erfolgt ist (vgl. auch: Hanseatisches OLG, Urteil vom 2.11.2006, Az. 3 U 271/05). Eine erneute Vollziehung ist allerdings stets dann erforderlich, wenn die Verfügung im Widerspruchs- oder Berufungsverfahren erweitert oder im Sinne eines aliud inhaltlich geändert wird; denn insoweit ist noch gar keine Vollziehung erfolgt.

7. Verteidigt sich die eine Partei eines Wettbewerbsprozesses materiell nur damit, dass der Prozessgegner selbst in einem anderen (Passiv-) Prozess, noch das Gegenteil seines aktuellen Vorbringens vertreten hat, ist dieser Einwand jedenfalls im Hinblick auf die nicht allein dem Individualschutz dienenden Vorschriften des UWG zum Schutz vor Irreführungen unerheblich.

MIR 2007, Dok. 185


Anm. der Redaktion: Zu Leitsatz 6: Hier war das Verbot der einstweilige Verfügung durch das Urteil des Landgerichts lediglich in einigen Punkten konkretisiert worden, in dem die Verbotsaussprüche auf die konkrete Verletzungsform zurückgeführt bzw. die konkrete Verletzungsform jedenfalls durch Anfügung eines "insbesondere"-Zusatzes als Beispiel und Auslegungshilfe angefügt wurde. Die weiteren erfolgten Änderungen dienten ebenfalls dazu, den abstrakten Verbotstenor mehr auf die konkrete Verletzungsform zurückzuführen. Eine Vollziehung des Urteils war nach den oben dargestellten Grundsätzen mithin nicht notwendig.
Download: Entscheidungsvolltext PDF


Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 14.05.2007
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/687

*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.

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