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Rechtsprechung // Wettbewerbsrecht



OLG Köln, Urteil vom 19.02.2021 - 6 U 103/20

Diana zur Löwen - Zur widerleglichen Vermutung einer überwiegend kommerziellen Absicht bei Postings einer sehr erfolgreichen Influencerin

UWG § 2 Nr. 1, § 5a Abs. 6

Leitsätze:*

1. Der Umstand, dass Äußerungen von Influencern auch redaktioneller oder informierender Natur sind, steht einer Bewertung als geschäftliche Handlung nicht entgegen, weil auch journalismusnahe Tätigkeiten der UWG-Kontrolle nicht entzogen sind, wenn sie mittelbar durch Werbung finanziert werden.

2. Eine Kennzeichnung von Influencer-Mitteilungen auf Instagram ist auch bei followerstarken Profilen nicht stets entbehrlich, denn gerade dieser Dienst profitiert davon, dass Profilinhaber sich nicht nur als kommerziell tätig, sondern als authentisch bezeichnen.

3. Eine überwiegende kommerzielle Absicht ist bei Postings von Influencern zu vermuten, wenn Mitteilungen durch ein direktes Entgelt oder eine sonstige, auch geringwertige Gegenleistung mitbeeinflusst werden.

4. Im Rahmen des § 5a Abs. 6 UWG ist der Nachweis der Werbeabsicht anhand von Indizien festzustellen. Dabei kann weder pauschal gefolgert werden, dass ein auch geringer redaktioneller Anlass bereits das kommerzielle Interesse ausschließt, noch dass allein bei Nachweis eines konkreten Entgelts die Unlauterkeit anzunehmen wäre. § 5a Abs. 6 UrhG schließt aber eine Vermutung zugunsten einer überwiegenden kommerziellen Absicht nur aus, wenn einerseits sowohl eine konkrete Entgeltzahlung als auch ein mittelbarer Vorteil seitens des begünstigen Unternehmens ausscheidet, andererseits keine einseitige und übermäßige Herausstellung des objektiv begünstigten Unternehmens vorliegt.

Die soziale Kommunikation über Instagram-Accounts unterliegt dem Schutz von Art. 5 Abs. 1 GG. Auch im Rahmen von Art. 5 Abs. 1 GG sind indes Abstufungen dergestalt möglich, dass vorwiegend der Unterhaltung dienende Beiträge einen geringeren Schutz genießen als Beiträge, die journalistisch-redaktioneller Natur sind und gerade dadurch auch der kollektiven Meinungsbildung dienen (z.B. BVerfGE 34, 269, 283; BVerfGE 97, 228, 257; BVerfGE 101, 361, 391; BVerfGE 120, 180 Tz. 65). Damit steht es im Einklang, dass das informative Gewicht der Beiträge einer sozialen Kommunikation auch eine Rolle bei der Beweislastverteilung spielt.

Einerseits ist dem Blogger der Nachweis zu gestatten, dass und inwiefern die von ihm präsentierten Produkte und Accessoires mit eigenen Mitteln beschafft wurden (KG, Urteil vom 08.01.2019 - 5 U 83/18 - MIR 2019, Dok. 003 - #vrenifrost), andererseits ist zu gewichten, ob und in welchem Maße die zu den Bilddarstellungen gesetzten Texte einen Informationsgehalt haben und ob die Links zu den davon objektiv begünstigten Unternehmen redaktionell veranlasst und in der vorgenommenen Form auch erforderlich sind, um den redaktionellen Anlass zu erfüllen (wird ausgeführt).

MIR 2021, Dok. 017


Anm. der Redaktion: Leitsätze 1 bis 3 sind die Leitsätze des Gerichts.

Soweit so differenziert - im Vergleich zu manch anderer "Influencer-Rechtsprechung", die mehr den Anschein macht den "Influencius Diaboli" zu bekämpfen, anstatt sozial-gesellschaftliche Entwicklungen, Phänomene der medialen Konvergenz und Digitalisierung sowie sozial adäquates Verhalten auch juristisch an und in der Gegenwart zu messen, als im "wohligen Warm" längst vergangener Zeiten.

Das Konzept der "widerleglichen Vermutung" ist freilich im digitalen Umfeld insgesamt ein wenig belegt. Gerade in einem Kontext, in dem schnell Nutzer und Personen im "privaten Bereich" von Inanspruchnahmen betroffen sind und betroffen sein können (vgl. auch die Thematik des Filesharing im Urheberrecht) muss und sollte man in der Tat stets (neu) die Frage stellen, wo sich das Recht positionieren möchte. Dabei geht es mitnichten um die Aufgabe von berechtigten und notwendigen Schutzpositionen des Rechts (hier der Transparenz und der Kennzeichnung von kommerzieller Kommunikation) als solches, sondern vielmehr um den Preis, den man mit Blick auf die gesamtgesellschaftlichen Folgen der Rechtsdurchsetzung bereit ist, zu zahlen und die Frage danach, wie hier eine nicht nut theroetisch (!) umsetzbare Ausgewogenheit herzustellen ist. Dies haben die Politik, der Gesetzgeber und auch die Gerichte leider allzu häufig nicht im Blick (illustriert auch gerade durch die jüngst in Kraft getretenen Neuregelungen durch das Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs) oder diese lassen sich viel zu einseitig, stets nur einer Seite zugeschlagen, von singulären Interessen leiten.

Bemerkenswert konkret nimmt der Senat vorliegend zu dem von der Beklagten in der Berufungsinstanz eingeführten Referentenentwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Verbraucherschutzes im Wettbewerbs- und Gewerberecht vom 4.11.2020 Stellung, mit dem eine Neufassung des § 5a Abs. 6 UWG vorgeschlagen wird, wonach "(b)ei einer Handlung ausschließlich zugunsten eines fremden Unternehmens ... nur dann ein kommerzieller Zweck anzunehmen (ist), wenn der Handelnde ein Entgelt oder eine ähnliche Gegenleistung für die Handlung von dem fremden Unternehmen erhält". Nach diesem Vorschlag - so der Senat - hätte der Kläger vorzutragen und zu beweisen, dass die Postings der Beklagten bezahlt waren. Der Senat stellt weiter fest, dass die Regelung des Referentenentwurfs noch kein geltendes Recht darstelle, also für die Lösung des Falles nicht heranzuziehen sei. Die dort gewählte Grundannahme sei nach Auffassung des Senats nicht angemessen. Zum einen liege sie derzeit nur Nr. 11 der sog. Blacklist, also dem Anhang zu § 3 Abs. 3 UWG zugrunde. § 5a Abs. 6 UWG verlange für das Vorliegen getarnter Werbung dagegen nicht nur den Nachweis einer Entgeltzahlung. Auch die insoweit maßgebliche Vorgabe in Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2005/29/EG gehe davon aus, dass eine irreführende Praktik eines Unternehmers vorliege, “wenn er den kommerziellen Zweck der Geschäftspraxis nicht kenntlich macht, sofern er sich nicht unmittelbar aus den Umständen ergibt“. Daher könne der Nachweis einer kommerziellen Absicht auch aus anderen Umständen als aus der Zahlung eines direkten Entgelts gefolgert werden. Bereits deshalb sei fraglich, ob der Vorschlag im Referentenentwurf richtlinienkonform wäre, so das Gericht. Dies bleibt freilich weiterhin für das hiesige Verfahren unbeachtlich und dies ließe sich auch ohne die konkrete Bewertung des Referentenentwurfs in den Entscheidungsgründen lösen. Dem Senat scheint es indes ein Bedürfnis gewesen zu sein, hier eine Stellungnahme zu platzieren.

Schön wäre es gewesen, wenn sich das Gericht - sei es auch hier im "off-topic" - noch mehr zur Begriffs- und Kriterienbestimmung betreffend die Influencereigenschaft als solches hätte hinreißen lassen. Wenn die Frage der Kennzeichnungspflicht "klarer" zu beantworten ist, wird diese Frage leidlich in den Vordergrund rücken: auf Aktiv- wie auf Passivseite. Diese "zweite Welle" wird voraussichtlich stärker ausfallen, als das aktuelle "Plätschern". Aber vielleicht schafft es der Gesetzgeber ja auch noch rechtzeitig die Rechtspflege zu überraschen. (RA Thomas Ch. Gramespacher, Bonn)
Download: Entscheidungsvolltext PDF

Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 23.02.2021
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/3058

*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.

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