Kurz notiert // Persönlichkeitsrecht
Oberlandesgericht Frankfurt a.M.
Schwindel, unseriös, pseudowissenschaftlich - Kein Unterlassungsanspruch gegen kritische Werturteile eines Wissenschaftlers zu Analysen einer Profilerin in einem True-Crime-Format
OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 27.07.2021 - 6 W 64/21; Vorinstanz: LG Frankfurt a.M., Beschluss vom 10.6.2021 - 2/3 O 226/21
MIR 2021, Dok. 063, Rz. 1
1
Kritische Anmerkungen eines Wissenschaftlers hinsichtlich der Arbeitsweise einer sogenannten Profilerin, die echte Verbrechen und Verbrecher in einem entsprechenden Fernsehformat analysiert, sind von dieser hinzunehmen, wenn sie ersichtlich dazu dienen, die Allgemeinheit darüber aufzuklären, dass die Darstellungen im Rahmen der Fernsehserie nach Ansicht des Äußernden nicht wissenschaftlichen Standards genügen. Das Oberlandesgericht Frankfurt a.M (OLG) hat daher mit Beschluss vom 27.07.2021 (6 W 64/21) die Beschwerde der betroffenen Profilerin gegen die ihren Unterlassungsantrag abweisende Entscheidung des Landgerichts Frankfurt a.M. zurückgewiesen
Zur Sache:
Die Antragstellerin bezeichnet sich als "Profilerin". In dieser Funktion tritt sie in einer Fernsehserie eines privaten Fernsehsenders auf und analysiert in kurzen Stellungnahmen echte Verbrechen und Verbrecher. Der Antragsgegner ist Direktor der zentralen Forschungs- und Dokumentationseinrichtung des Bundes und der Länder für kriminologische Forschungsfragen. Gegenstand des Verfahrens sind Äußerungen des Antragsgegners gegenüber einer großen deutschen Tageszeitung im Rahmen eines redaktionell-kritischen Artikels über die "True-Crime-Fernsehsendung", in der die Antragstellerin auftritt. Der Antragsgegner äußerte dort u.a.., dass die Antragstellerin "Schwindel" betreibe, "in höchstem Maße unseriös" arbeite, ihre Arbeit "mit wissenschaftlich fundierter... Herangehensweise nichts zu tun" habe und sie "pseudowissenschaftliche Wortschöpfungen" verwenden würde.
Das Landgericht hatte die auf Unterlassen der zitierten Aussagen gerichteten Eilanträge der Antragstellerin zurückgewiesen. Ihre sofortige Beschwerde gegen diese Entscheidung vor dem Oberlandesgericht hatte keinen Erfolg.
Entscheidung des Gerichts: Kein Wettbewerbsrecht
Die Antragstellerin könne nicht verlangen, dass der Antragsgegner die angegriffenen Aussagen unterlasse. Ein wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsanspruch scheitere bereits daran, dass hier keine geschäftliche Handlung vorliege. Der Antragsgegner habe die Äußerungen als Fachmann und Wissenschaftler gegenüber einer führenden Tageszeitung im Rahmen eines redaktionellen, kritischen Artikels getätigt. Sein Verhalten diene damit nicht vorrangig der Förderung der von ihm selbst bzw. der von ihm geleiteten Forschungseinrichtung angebotenen Leistungen, sondern der redaktionellen Unterrichtung der Öffentlichkeit. Es fehlten auch Anhaltspunkte dafür, dass die fachlich-wissenschaftliche Zielsetzung der Äußerungen nur vorgeschoben gewesen und es dem Antragsgegner in Wahrheit doch vorrangig um die Absatzförderung eigener Leistungen gegangen sei.
Keine Verletzung des Persönlichkeitsrechts - zulässige Werturteile
Die Antragstellerin könne sich auch nicht auf eine Verletzung ihres Persönlichkeitsrechts berufen. Es handele sich bei den angegriffenen Angaben vielmehr um zulässige Werturteile. Sie stellten sich im Kontext des Artikels auch nicht als Schmähkritik oder Formalbeleidigung dar. Der Schutz des Persönlichkeitsrechts der Antragstellerin überwiege hier nicht das Recht des Antragsgegners auf freie Äußerung seiner Meinung. Zu berücksichtigen sei auch, dass die kritischen Anmerkungen ersichtlich dazu dienten, "die Allgemeinheit darüber aufzuklären, dass die Darstellungen im Rahmen der Fernsehserie nach Ansicht des Antragsgegners wissenschaftlichen Standards nicht genügen". Die im Eilverfahren ergangene Entscheidung ist nicht anfechtbar.
(tg) - Quelle: PM Nr. 53/2021 des OLG Frankfurt a.M. vom 04.08.2021
Zur Sache:
Die Antragstellerin bezeichnet sich als "Profilerin". In dieser Funktion tritt sie in einer Fernsehserie eines privaten Fernsehsenders auf und analysiert in kurzen Stellungnahmen echte Verbrechen und Verbrecher. Der Antragsgegner ist Direktor der zentralen Forschungs- und Dokumentationseinrichtung des Bundes und der Länder für kriminologische Forschungsfragen. Gegenstand des Verfahrens sind Äußerungen des Antragsgegners gegenüber einer großen deutschen Tageszeitung im Rahmen eines redaktionell-kritischen Artikels über die "True-Crime-Fernsehsendung", in der die Antragstellerin auftritt. Der Antragsgegner äußerte dort u.a.., dass die Antragstellerin "Schwindel" betreibe, "in höchstem Maße unseriös" arbeite, ihre Arbeit "mit wissenschaftlich fundierter... Herangehensweise nichts zu tun" habe und sie "pseudowissenschaftliche Wortschöpfungen" verwenden würde.
Das Landgericht hatte die auf Unterlassen der zitierten Aussagen gerichteten Eilanträge der Antragstellerin zurückgewiesen. Ihre sofortige Beschwerde gegen diese Entscheidung vor dem Oberlandesgericht hatte keinen Erfolg.
Entscheidung des Gerichts: Kein Wettbewerbsrecht
Die Antragstellerin könne nicht verlangen, dass der Antragsgegner die angegriffenen Aussagen unterlasse. Ein wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsanspruch scheitere bereits daran, dass hier keine geschäftliche Handlung vorliege. Der Antragsgegner habe die Äußerungen als Fachmann und Wissenschaftler gegenüber einer führenden Tageszeitung im Rahmen eines redaktionellen, kritischen Artikels getätigt. Sein Verhalten diene damit nicht vorrangig der Förderung der von ihm selbst bzw. der von ihm geleiteten Forschungseinrichtung angebotenen Leistungen, sondern der redaktionellen Unterrichtung der Öffentlichkeit. Es fehlten auch Anhaltspunkte dafür, dass die fachlich-wissenschaftliche Zielsetzung der Äußerungen nur vorgeschoben gewesen und es dem Antragsgegner in Wahrheit doch vorrangig um die Absatzförderung eigener Leistungen gegangen sei.
Keine Verletzung des Persönlichkeitsrechts - zulässige Werturteile
Die Antragstellerin könne sich auch nicht auf eine Verletzung ihres Persönlichkeitsrechts berufen. Es handele sich bei den angegriffenen Angaben vielmehr um zulässige Werturteile. Sie stellten sich im Kontext des Artikels auch nicht als Schmähkritik oder Formalbeleidigung dar. Der Schutz des Persönlichkeitsrechts der Antragstellerin überwiege hier nicht das Recht des Antragsgegners auf freie Äußerung seiner Meinung. Zu berücksichtigen sei auch, dass die kritischen Anmerkungen ersichtlich dazu dienten, "die Allgemeinheit darüber aufzuklären, dass die Darstellungen im Rahmen der Fernsehserie nach Ansicht des Antragsgegners wissenschaftlichen Standards nicht genügen". Die im Eilverfahren ergangene Entscheidung ist nicht anfechtbar.
(tg) - Quelle: PM Nr. 53/2021 des OLG Frankfurt a.M. vom 04.08.2021
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 04.08.2021
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/3104
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