Rechtsprechung // Wettbewerbsrecht
OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 02.02.2024 - 6 W 111/23
Streitwertbestimmung bei unlauterer Nachahmung einer Uhr - Für die Nachahmung einer hochpreisigen Uhr kann im einstweiligen Verfügungsverfahren ein Streitwert von EUR 200.000,00 angemessen sein
GKG § 51; UWG § 4 Nr. 3
Leitsätze:*1. Für die Nachahmung einer hochpreisigen Uhr ist im einstweiligen Verfügungsverfahren ein Streitwert von EUR 200.000 nicht zu hoch.
2. Nach § 51 Abs. 2 GKG ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Die Festsetzung des Streitwerts kann nicht anhand von Regelstreitwerten erfolgen, weil dies mit den Vorschriften des § 3 ZPO und des § 51 Abs. 2 GKG nicht vereinbar ist, die eine Ermessensausübung des Gerichts vorsehen (vgl. z.B. BGH, Beschluss vom 08.11.2022 - I ZR 62/22). Entscheidend ist bei Unterlassungsanträgen das Interesse des Klägers an der Unterbindung weiterer gleichartiger Verstöße. Dieses wird maßgeblich durch die Art des Verstoßes, insbesondere seine Gefährlichkeit und Schädlichkeit für die Träger der maßgeblichen Interessen, bestimmt (vgl. z.B. BGH, Beschluss vom 15.09.2016 - I ZR 24/16 - Finanzsanierung). Dabei sind unter anderem die Unternehmensverhältnisse des Verletzten und des Verletzers, die Art, Intensität, Zielrichtung und Dauer der Verletzungshandlung, insbesondere deren Gefährlichkeit für den Wettbewerber oder Verbraucher unter Berücksichtigung der drohenden Schäden sowie der Grad des Verschuldens unter Bewertung auch des nachträglichen Verhaltens zu berücksichtigen (vgl. z.B. OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 30.11.2021 - 6 W 89/21).
3. Ist die Bedeutung der Sache für den Beklagten erheblich geringer zu bewerten als der nach § 51 Abs. 2 GKG ermittelte Streitwert, ist dieser angemessen zu mindern (§ 51 Abs. 3 Satz 1 GKG). Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts hinsichtlich des Beseitigungs- oder Unterlassungsanspruchs keine genügenden Anhaltspunkte, ist insoweit ein Auffangstreitwert von 1 000 Euro anzunehmen (§ 51 Abs. 3 Satz 2 GKG). Dieser Wert ist auch anzusetzen, wenn die dem Rechtsstreit zugrundeliegende Zuwiderhandlung angesichts ihrer Art, ihres Ausmaßes und ihrer Folgen die Interessen von Verbrauchern, Mitbewerbern oder sonstigen Marktteilnehmern in nur unerheblichem Maße beeinträchtigt (§ 51 Abs. 3 Satz 3 GKG).
4. Der sich aus § 51 Abs. 2 und 3 GKG ergebende Wert ist im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes in der Regel unter Berücksichtigung der geringeren Bedeutung gegenüber der Hauptsache zu ermäßigen. Da der Eilrechtsschutz in der wettbewerbsrechtlichen Praxis indes vielfach zu einer abschließenden Erledigung führt und daher in seiner Bedeutung nicht erkennbar hinter einem Hauptsacheverfahren zurückbleibt, kann es im Einzelfall sachgerecht sein, von einer Streitwertermäßigung abzusehen.
5. Der Streitwertangabe des Klägers zu Beginn des Verfahrens kommt erhebliche indizielle Bedeutung für den Wert des von diesem verfolgten Interesses zu. Da der Kläger bei Einreichung der Klage- bzw. Antragsschrift noch nicht sicher wissen kann, ob sein Antrag Erfolg haben wird, ist er von sich aus gehalten, sein wirtschaftliches Interesse an der Verfolgung des Wettbewerbsverstoßes realistisch einzuschätzen. Eine Abweichung von der Streitwertangabe kommt daher im Regelfall nur in Betracht, wenn Anzeichen dafür bestehen, dass diese Angabe erheblich über- oder untersetzt ist. Dies gilt insbesondere im Anwendungsbereich von § 51 Abs. 2 GKG, da nach dieser Norm auf die sich aus dem Antrag des Klägers für diesen ergebende Bedeutung abzustellen ist (vgl. z.B. OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 14.12.2022 - 6 W 77/22, MIR 2023, Dok. 008 - Penthouse in Erstbezug).
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 01.05.2024
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/3364
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
// Artikel gesammelt "frei Haus"? Hier den MIR-Newsletter abonnieren
OLG Hamburg, Urteil vom 09.12.2021 - 5 U 180/20, MIR 2022, Dok. 009
Haftung des Betreibers eines Bewertungsportals für Äußerungen Dritter - Nach außen erkennbare Überprüfung, Einflussnahme und Übernahme der inhaltlichen Verantwortung können zu einem "Zu Eigen-machen" führen
BGH, Urteil vom 04.04.2017 - VI ZR 123/16, MIR 2017, Dok. 026
Servicepauschale - Ein (unzulässiges) zusätzliches Zahlungsmittelentgelt wird verlangt, wenn der angezeigte Preis nur für die Zahlung mit nicht gängigen Kreditkarten erhältlich ist und bei Auswahl anderer Zahlungsmittel eine sog. Servicepauschale anfällt
BGH, Urteil vom 28.07.2022 - I ZR 205/20, MIR 2022, Dok. 064
Portierungsauftrag - Die erneute systematische und planmäßige Zuleitung von, von Kunden widerrufenen Portierungsaufträgen durch einen Telekomunikationsanbieter an einen Wettbewerber stellt eine gezielte Behinderung dar
BGH, Urteil vom 11.10.2017 - I ZR 210/16, MIR 2018, Dok. 007
Ein "empfindliches Ordnungsgeld" ist nix - Keine Beschwer (betreffend der Festsetzung des Ordnungsgeldes), wenn im Ordnungsmittelantrag weder ein konkreter Betrag noch eine ungefähre Größenordnung angegeben wurde
BGH, Beschluss vom 23.11.2023 - I ZB 29/23, MIR 2024, Dok. 002