Rechtsprechung // Wettbewerbsrecht
OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 10.05.2024 - 6 W 41/24
Eilantrag und Rechtsmissbrauch - Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist rechtsmissbräulich, wenn sachfremde, für sich genommen nicht schutzwürdige Interessen und Ziele überwiegen
UWG § 8c Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1
Leitsätze:*1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist rechtsmissbräulich, wenn sachfremde, für sich genommen nicht schutzwürdige Interessen und Ziele überwiegen (hier: Eilantrag nach erfolgloser Abmahnung eines Facharztes für ästhetische und plastische Chirurgie durch Wettbewerber mit dem Versuch, sich die Berechtigung zur Anspruchsverfolgung abkaufen zu lassen und den Arzt unter Androhung erheblicher finanzieller und berufsrechtlicher Konsequenzen vom lukrativen Markt der Penisverlängerungen zu verdrängen).
2. Nach § 8c Abs. 2 Nr. 1 UWG ist eine missbräuchliche Geltendmachung im Zweifel anzunehmen, wenn die Geltendmachung der Ansprüche vorwiegend dazu dient, gegen den Zuwiderhandelnden einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder von Kosten der Rechtsverfolgung oder die Zahlung einer Vertragsstrafe entstehen zu lassen. Außerdem spricht (u.a.) ein unangemessen hoch angesetzter Gegenstandswert für eine Abmahnung für einen Rechtsmissbrauch (§ 8c Abs. 2 Nr. 2 UWG). Über die benannten Missbrauchsgründe in § 8c Abs. 2 UWG hinaus kann die Geltendmachung eines wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruchs nach dem allgemeinen Missbrauchstatbestand in § 8c Abs. 1 UWG unter Berücksichtigung der gesamten Umstände missbräuchlich sein.
3. Die Annahme einer missbräuchlichen Anspruchsverfolgung kommt in Betracht, wenn die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs von der Absicht getragen ist, den Verletzer im Wettbewerb zu behindern oder zu schädigen. Ein Missbrauch kann auch anzunehmen sein, wenn ein Anspruch geltend gemacht wird, nachdem der Anspruchsberechtigte zuvor vergeblich versucht hat, sich die Anspruchsberechtigung "abkaufen" zu lassen (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 22.06.2004 - 4 U 13/04, zur Erledigung der Angelegenheit gegen Zahlung von 500.000 Euro; OLG München, Urteil vom 22.12.2011 - 29 U 3463/11 - Abkauf eines titulierten Unterlassungsanspruchs). Zwar rechtfertigt die bloße Unnachgiebigkeit des Anspruchstellers oder seine Bereitschaft zu einer vergleichsweisen Regelung noch nicht den Vorwurf des Rechtsmissbrauchs. Dieser Vorwurf kann aber gerechtfertigt sein, wenn der Anspruchsteller anbietet, die Fortsetzung des als unlauter beanstandeten Verhaltens im Fall einer Gegenleistung zu dulden (vgl. OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 11.01.2018 - 6 U 150/17). Voraussetzung eines Rechtsmissbrauchs ist insoweit, dass die äußeren Umstände bei gebotener Gesamtwürdigung (u.a. etwaiger wirtschaftlichen Interessen des Anspruchstellers oder seines Verhaltens bei der Verfolgung des betreffenden und anderer Verstöße) den Schluss auf das Überwiegen sachfremder Motive zulassen.
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 03.09.2024
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/3400
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
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