Rechtsprechung // Wettbewerbsrecht
OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 13.01.2022 - 6 U 161/21
Emma One - Irreführende Werbung mit dem Slogan "Die meistverkaufte Matratze" und zur Testhinweiswerbung im Rahmen von Google-Ads-Anzeigen
ZPO §§ 937, 943; UWG §§ 5, 5a
Leitsätze:*1. Das Oberlandesgericht ist für eine erstmals in der Berufungsinstanz des Eilverfahrens angegriffene Werbung nicht zuständig.
2. Gemäß § 943 Abs. 1 Alt. 2 ZPO ist das Berufungsgericht als "Gericht der Hauptsache" im Sinne von § 937 Abs. 1 ZPO anzusehen, wenn die Hauptsache in der Berufungsinstanz anhängig ist. In der Berufungsinstanz des Verfügungsverfahrens können damit nur die bereits erstinstanzlich erhobenen Ansprüche weiterverfolgt werden (OLG Hamm, 07.06.1990 - 4 U 75/90; OLG Köln, 17.11.1989 - 6 U 152/89 - Festbetrags-Medikamente; a.A. OLG Düsseldorf, Urteil vom 04.08.2011 - I-2 U 23/11 - Pramipexol). Zulässig sind lediglich Klarstellungen und Konkretisierungen der Anträge. Wird hingegen eine neue Verletzungsform und damit ein weiterer Streitgegenstand in das Verfahren eingeführt, ist das Berufungsgericht funktionell unzuständig.
3. Wer in der Werbung behauptet, das "meistverkaufte" Produkt anzubieten, genügt im Eilverfahren seiner Glaubhaftmachungslast nicht, wenn er lediglich die Richtigkeit der Angabe an Eides Statt versichert. Er muss konkret darlegen, aus welchen Zahlen sich die Alleinstellung ableitet und wie diese Zahlen ermittelt wurden.
4. Die Darlegungs- und Beweislast für die tatsächlichen Voraussetzungen einer behaupteten Irreführung liegt normalerweise bei der Gläubigerin. Auch im Bereich der Alleinstellungs- und Spitzengruppenwerbung ist keine allgemeine Umkehr der Darlegungs- und Beweislast anzunehmen. Allerdings muss die Schuldnerin, die eine Allein- oder Spitzenstellung in Anspruch nimmt, die sie begründenden Tatsachen darlegen und beweisen, wenn ihre Werbung als unrichtig beanstandet wird und die Gläubigerin diese Tatsachen entweder überhaupt nicht oder nur mit erheblichen Schwierigkeiten aufklären kann. Für eine Umkehr der Darlegungs- und Beweislast zugunsten der Gläubigerin besteht nur dann kein Anlass, wenn sie die für die Beurteilung der Spitzenstellung maßgeblichen Tatsachen ohne erhebliche Schwierigkeiten darlegen und beweisen kann (vgl. BGH, Urteil vom 03.07.2014 - I ZR 84/13 - Wir zahlen Höchstpreise; BGH, Urteil vom 22.10.2009 - I ZR 73/07 - Hier spiegelt sich Erfahrung).
5. Zur Testhinweiswerbung im Rahmen einer Google-Ads-Anzeige.
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 15.02.2022
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/3157
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
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