Rechtsprechung // Wettbewerbsrecht
OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 20.08.2020 - 6 U 270/19
Gekaufte Bewertungen - Die Werbung auf Social-Media-Plattformen mit Bewertungen, die von den Nutzern zur Teilnahme an einem Gewinnspiel abgegeben wurden, kann wettbewerbswidrig sein
UWG §§ 3, 5 Abs. 1
Leitsätze:*1. Zur Unlauterkeit von Bewertungen auf Social-Media-Plattform, wenn diese als Gegenleistung für die Teilnahme an einem Gewinnspiel abgegeben werden.
2. Zur Frage, in welchem Umfang der Kläger die Abhängigkeit der beanstandeten Bewertungen von dem Gewinnspiel darlegen muss.
3. Zum Bestehen eines Anscheinsbeweises, dass ein erheblicher Teil der auf den Plattformen vorhandenen Bewertungen durch das Gewinnspiel veranlasst wurde.
4. In einer solchen Konstellation liegt der (Irreführungs-) Vorwurf nicht etwa in der Schaltung getarnter Werbung, sondern in der (offenen) Werbung mit Bewertungen, die (verdeckt) gekauft wurden. Die darin liegende Irreführung ist auch geeignet, im Sinne von § 5 Abs. 1 UWG den Verbraucher oder sonstige Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Der Begriff „geschäftliche Entscheidung" erfasst dabei außer der Entscheidung über den Erwerb oder Nichterwerb eines Produkts auch damit unmittelbar zusammenhängende Entscheidungen wie insbesondere das Betreten eines Geschäfts (vgl. BGH, Urteil vom 21.07.2016 - I ZR 26/1 - LGA tested) oder den Zugang zu einem im Internet angebotenen Produkt über eine Werbeseite, um sich mit dem Produkt im Detail zu beschäftigen (vgl. BGH, Urteil vom 07.03.2019 - I ZR 184/17 - Energieeffizienzklasse III). Die Werbung mit einer hohen Zahl ganz überwiegend positiver Bewertungen ist geeignet, Verbraucher dazu zu veranlassen, sich mit dem Angebot des Werbenden näher zu befassen.
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 22.10.2020
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/3019
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
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