Rechtsprechung // Wettbewerbsrecht
BGH, Urteil vom 21.01.2021 - I ZR 17/18
Berechtigte Gegenabmahnung - Eine berechtigte Abmahnung ist nicht deshalb rechtsmissbräuchlich, weil sie eine Reaktion auf die Abmahnung eines vergleichbaren Verstoßes ist
UWG § 12 Abs. 1 Satz 2 aF (UWG § 13 Abs. 3); ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2
Leitsätze:*1. Der Abmahnende muss in einer Abmahnung (nur) die begangene Verletzungshandlung in tatsächlicher Hinsicht so detailliert schildern, dass dem Abgemahnten deutlich wird, was der Abmahnende konkret beanstandet und was der Abgemahnte abstellen oder künftig unterlassen soll (vgl. BGH, Urteil vom 12.02.2015 - I ZR 36/11 - Monsterbacke II; BGH, Urteil vom 11.10.2017 - I ZR 78/16 - Tiegelgröße).
2.
a) Die Abmahnung unterliegt als vorprozessuale Handlung nicht dem strengen Bestimmtheitsgrundsatz des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Es reicht aus, wenn in der Abmahnung der Sachverhalt, der den Vorwurf rechtswidrigen Verhaltens begründen soll, genau angegeben und der darin erblickte Verstoß so klar und eindeutig bezeichnet wird, dass der Abgemahnte die gebotenen Folgerungen ziehen kann.
b) Eine berechtigte Abmahnung ist nicht deshalb rechtsmissbräuchlich, weil sie eine Reaktion auf die Abmahnung eines vergleichbaren Verstoßes ist.
3. Nach § 8 Abs. 4 Satz 1 UWG aF (§ 8c Abs. 1 und 2 Nr. 1 UWG) ist die Geltendmachung der in § 8 Abs. 1 UWG bezeichneten Ansprüche auf Beseitigung und Unterlassung unzulässig, wenn sie unter Berücksichtigung der gesamten Umstände rechtsmissbräuchlich ist, insbesondere wenn sie vorwiegend dazu dient, gegen den Zuwiderhandelnden einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder Kosten der Rechtsverfolgung entstehen zu lassen. Von einem Rechtsmissbrauch ist auszugehen, wenn sich der Gläubiger bei der Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs von sachfremden Gesichtspunkten leiten lässt. Diese müssen jedoch nicht das alleinige Motiv des Gläubigers sein. Erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass die sachfremden Ziele überwiegen (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 06.10.2011 - I ZR 42/10 - Falsche Suchrubrik; BGH, Urteil vom 03.03.2016 - I ZR 110/15 - Herstellerpreisempfehlung bei Amazon; BGH, Urteil vom 26.04.2018 - I ZR 248/16 - Abmahnaktion II; BGH; Urteil vom 24.09.2020 - I ZR 169/17 - Verfügbare Telefonnummer). Die Bestimmung des § 8 Abs. 4 Satz 1 UWG aF (§ 8c Abs. 1 UWG) bezieht sich nicht nur auf die gerichtliche Geltendmachung wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsansprüche, sondern - wie schon ihr Wortlaut nahelegt - generell auf die Geltendmachung und insbesondere auch auf die vorgerichtliche Geltendmachung solcher Ansprüche (zu § 13 Abs. 5 UWG 1909 vgl. BGH, Urteil vom 17.01.2002 - I ZR 241/99 - Missbräuchliche Mehrfachabmahnung; BGH; Urteil vom 19.07.2012 - I ZR 199/10 - Unbedenkliche Mehrfachabmahnung).
4. Die Tatsache, dass ein Abmahnender nicht lediglich eine Abmahnung ausspricht, sondern den dabei geltend gemachten Unterlassungsanspruch später auch gerichtlich geltend macht, kann gegen ein missbräuchliches Verhalten des Abmahnenden sprechen (vgl. BGH, Urteil vom 20.05.1999 - I ZR 66/97 - Wir dürfen nicht feiern).
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 07.04.2021
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/3069
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
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