Rechtsprechung
OLG Zweibrücken, Beschluss vom 27.10.2008 - 3 W 184/08
Drittauskunftsanspruch & "gewerbliches Ausmaß" - Im Fall des einmaligen "Down"- und/oder "Upload" eines knapp drei Monate auf dem Markt befindlichen und nicht besonders gut am Markt positionierten Computerspiels ist ein "gewerbliches Ausmaß" i.S.v. § 101 Abs. 1 UrhG nicht anzunehmen. Dies gilt umso mehr, wenn der Hersteller bewusst auf einen Kopierschutz verzichtet hat.
UrhG § 101 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 9; FGG §§ 13a, 22; KostO § 30, 128c Abs. 1 Nr. 4; RVG § 23 Abs. 3; TKG § 3 Nr. 30
Leitsätze:*1. Der Drittauskunftsanspruch nach § 101 Abs. 2, Abs. 1 UrhG setzt neben der Erbringung der Dienstleistung
in "gewerblichem Ausmaß" durch den Dritten auch die Begehung der Rechtsverletzung in "gewerblichem Ausmaß" voraus.
2. Eine im "gewerblichem Ausmaß" vorgenommene Rechtsverletzung zeichnet sich dadurch aus, dass sie zwecks Erlangung
eines unmittelbaren oder mittelbaren wirtschaftlichen oder kommerziellen Vorteils vorgenommen wird.
Handlungen von Endverbrauchern in gutem Glauben sind in der Regel nicht erfasst. Für
ein Handeln im "gewerblichen Ausmaß" muss vielmehr eine Rechtsverletzung von erheblicher Qualität vorliegen.
3. Für das Merkmal des "gewerblichen Ausmaßes" ist nicht nur die Anzahl der Rechtsverletzungen entscheidend. Auch
die Schwere der Rechtsverletzungen kann das Vorliegen eines "gewerblichen Ausmaßes" begründen.
4. Das einmalige Herunter- und/oder Hochladen von Dateien kann für sich alleine auch dann kein "gewerbliches" Ausmaß begründen,
wenn die Handlungen über eine Internettauschbörse vorgenommen werden.
5. Im Fall des einmaligen "Down"- und/oder "Upload" (hier: in einer Internettauschbörse) eines knapp drei Monate auf
dem Markt befindlichen Computerspiels, bei dem es sich nicht um ein besonders gut am Markt positioniertes Produkt
handelt, ist ein "gewerbliches Ausmaß" i.S.v. § 101 Abs. 1 UrhG nicht anzunehmen. Dies gilt umso mehr, wenn der Hersteller
bzw. Rechteinhaber sein Produkt bewusst nicht mit einem Kopierschutz versehen hat und damit in gewissem Maße Raubkopien
seines Produkts erheblich vereinfacht und gewisser Maßen auch in Kauf genommen hat.
6. Verkehrsdaten sind solche Daten, die bei der Erbringung eines Telekommunikationsdienstes erhoben, verarbeitet
oder genutzt werden (§ 3 Nr. 30 TKG). Die zur Ermittlung von Namen und Anschriften von Internetnutzern notwendigen
dynamische IP-Adressen sind daher Verkehrsdaten, Name und Anschrift sowie die Tarifoptionen des
betreffenden Nutzers Bestandsdaten.
7. Die Zuordnung einer (dynamischen) IP-Adresse zu einer Namensauskunft bzw. die Verknüpfung mit einer Person ist
eine Verwendung der IP-Adresse (Erhebung), durch die Umstände eines Telekommunikationsvorgangs berührt und
offenbart werden. Eine solche Erhebung bedarf der richterlichen Anordnung.
8. Die Erstattung der außergerichtlichen Kosten ist in § 101 Abs. 9 Satz 5 UrhG nicht geregelt. "Kosten" i.S.v.
§ 101 Abs. 9 Satz 5 UrhG sind die Gerichtskosten gemäß § 128c Abs. 1 Nr. 4 KostO (=200,00 EUR). § 13a FGG ist anzuwenden.
Die Vorinstanz (LG Frankenthal, Beschluss vom 15.09.2008 - Az. 6 O 325/08) ist veröffentlicht in MIR 2008, Dok. 289. Das OLG Köln (Beschluss vom 21.10.2008 - Az. 6 Wx 2/08 = MIR 2008, Dok. 323) hatte kürzlich hinsichtlich der Frage des "gewerblichen Ausmaßes" unter anderem darauf abgestellt, dass derjenige, der ein gesamtes Musikalbum in der relevanten Verkaufsphase der Öffentlichkeit (über eine Musiktauschbörse) zum Erwerb anbiete - unabhängig vom Zeitraum der Zurverfügungstellung-, wie ein gewerblicher Anbieter auftrete. Der Handelnde wolle dann gerade nicht mehr kontrollieren, in welchem Umfang von dem Angebot (des Musikalbums) Gebrauch gemacht wird, was einer gewerblichen Nutzung der fremden Rechte entspreche.
Bearbeiter: RA Thomas Gramespacher
Online seit: 05.11.2008
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/1797
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
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