Rechtsprechung
LG Hanau, Urteil vom 07.12.2007 - 9 O 870/07
Internet-Vertragsfallen: IQ-Test, Flirtportal, Berufswahltest, Lebenserwartungstest & Co im PAngV-Check - Der Verbraucher muss nicht davon ausgehen, Angaben zur Entgeltpflicht in AGB suchen zu müssen. Zu den Anforderungen an einen Sternchenhinweis i.S.d. § 1 Abs. 6 PAngV.
PAngV § 1 Abs. 6; UWG §§ 4 Nr. 11, 8 Abs. 3 Nr. 2; UKlaG §§ 2, 3 Abs. 1 Nr. 1
Leitsätze:*1. Nach dem Grundsatz der Preisklarheit und Preiswahrheit (§ 1 Abs. 6 PAngV)
muss der Preis dem Angebot oder der Werbung eindeutig zugeordnet, leicht erkennbar und
deutlich lesbar oder sonst gut wahrnehmbar sein. Der Preis und alle seine
Bestandteile müssen sich entweder in unmittelbarer räumlicher Nähe zu der Werbung befinden oder der Nutzer
muss jedenfalls in unmittelbarer räumlicher Nähe unzweideutig zu dem Preis mit allen Bestandteilen hingeführt werden.
Zwar kann im Internet eine Preisinformation grundsätzlich, zur Erhaltung der
Übersichtlichkeit, innerhalb einer Seitenhierarchie gegeben werden, durch die sich der Nutzer
"hindurch klickt" oder scrollt. Dies ist dem durchschnittlich verständigen und aufgeklärten
Internetnutzer auch bekannt. Der aus § 1 Abs. 1 PAngV folgenden Pflicht zur
vollständigen Angaben der Endpreise kann hierbei grundsätzlich (vergleichbar wie in der Printwerbung) durch das Setzen
eines Sternchenhinweises nachgekommen werden, solange das Gebot gewahrt
ist, dass der Nutzer klar und unmissverständlich auf die Entgeltpflicht und die Höhe des Entgelts hingewiesen wird.
2. Eine Preisangabe (nur) in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) wird den Anforderungen des § 1 Abs. 6 PAngV
nicht gerecht. Dies gilt vor allem, wenn diese nicht auf der Angebotsseite selbst abgedruckt sind und durch einen Link
aufgerufen werden müssen. Zwar widerspricht allein die Tatsache, dass ein Aufruf über einen Link
notwendig ist, nicht der erforderlichen (Preis-) Klarheit. Gleichwohl muss der Verbraucher nicht damit
rechnen, dass sich in AGB Preisangeben befinden, wenn der Angebotstext selbst keinen Hinweis auf eine
dort zu findende, weitergehende Preisinformation enthält.
3. Bei der Entgeltpflicht handelt es sich um eine Hauptleistungspflicht des Vertrages, bei welcher der
Verbraucher nicht davon ausgehen muss, diese in AGB suchen zu müssen.
4. Ein Sternchen, das sich lediglich an einer Aufforderung befindet alle Datenfelder einer Anmeldeoption
(Anmeldeformular) vollständig auszufüllen ist nicht geeignet durch einen zugehörigen Sternchenhinweis
eine ausreichende Preisklarheit i.S.d. § 1 Abs. 6 PAngV herzustellen, da der Verbraucher in diesem Zusammenhang
keine Hinweis auf eine Vergütungspflicht erwarten wird, sondern allenfalls zusätzliche Informationen im
Zusammenhang mit dem Ausfüllen der betreffenden Anmelde- und Formularfelder. Gleiches gilt für einen Sternchen
das sich an dem Wort "Anmeldung" befindet, wenn dies räumlich unmittelbar mit einem
Formularfeld (hier: Adressfeld) platziert ist und umso mehr, wenn Sternchen und Sternchenhinweis durch einen auffälligen
und unübersehbaren Button (hier: "Startbutton") durchbrochen wird.
5. Ein Sternchenhinweis in dem Preisangaben gemacht werden, genügt dann nicht den Anforderungen der § 1 Abs. 6 PAngV, wenn
es sich um einen Fließtext handelt, der aus mehreren Sätzen besteht, in dem zunächst nur auf die Speicherung der
IP-Adresse und Ähnliches hingewiesen wird und die Preisangabe demgegenüber erst im letzten Satz am unteren Ende der Webseite,
ohne Bildung eines weiteren Absatzes oder einer ähnlichen Hervorhebung, enthalten ist. Allein der Fettdruck der Preisangabe
reicht bei kleiner Schriftart und einer solchen Stellung des Textes nicht zur Erfüllung des Gebots
der Preisklarheit aus.
6. Der durchschnittliche Internetnutzer muss nicht ohne weiteres mit einer Vergütungspflicht für jedwedes Internetangebot
(hier: diverse Test und Portalangebote) rechnen, da im Internet bestimmte Dienstleistungen durchaus auch kostenlos
angeboten werden.
Bearbeiter: RA Thomas Gramespacher
Online seit: 21.02.2008
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/1523
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
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