Rechtsprechung
LG Hamburg, Urteil vom 18.01.2007 - Az. 315 O 457/06
eBay, eBay, eBay - Der Zusatz "unversicherter Versand" stellt keine Irreführung des Verbrauchers dar. "Freibleibende Angebote" und die Annahmeverweigerung "unfreier Sendungen" sind unzulässig. Zur wettbewerbsrechtlichen Beurteilung der Behauptung "Ihre Nr. 1 im Revier".
UWG §§ 3, 4 Nr. 11, 5, 8 Abs. 1, 9; BGB §§ 305c Abs. 1 312, 355, 356, 474; ZPO § 92 Abs. 1
Leitsätze:*1. Es ist unwahrscheinlich, dass der verständige Verbraucher durch den Zusatz "unversicherter Versand" bei einem Angebot
auf einer Internethandelsplattform (hier: Ein Angebot mit dem Inhalt "100 Musterbeutel - Klammern, je 4,95 EUR und Versandkosten 2,50 EUR - unversicherter Versand") zu der Vorstellung
gelangen könnte, dass - entgegen § 474 BGB - die Gefahrtragung bei dem Empfänger, d.h. bei ihm, läge und er damit
über seine Verbraucherrechte getäuscht würde. Es ist fernliegend, dass der Verbraucher anhand eines solchen Hinweises zu
Vorstellungen über die Gefahrtragung und dem folgend zu Fehlvorstellungen gelangt.
Vielmehr liegt in dem Hinweis "unversicherter Versand" nahe liegender sogar ein zur Vorsicht mahnender Hinweis, dass der Versand (wirtschaftlich) nicht versichert ist, der Verbraucher also ggf. das wirtschaftliche (nicht aber das rechtliche Risiko) trägt, dass der Versender bei Verlust während des Versandes im Fall der (ggf.) späteren Leistungsunfähigkeit weder nachliefern noch den Kaufpreis rückerstatten kann.
Der Zusatz "unversicherter Versand" stellt damit grundsätzlich keine Irreführung des Verbrauchers dar.
2. Eine Spitzen- bzw. Alleinstellungsbehauptung (hier: "Ihre Nr. 1 im Revier") ist grundsätzlich zulässig, wenn
sie wahr ist. Entscheidend für die Anwendung des § 5 UWG ist die Frage, ob das, was in einer Werbeaussage
nach Auffassung der Umworbenen behauptet wird, sachlich richtig ist. Es genügt hierfür bei einer Alleinstellung
nicht, dass der Werbende einen nur geringfügigen Vorsprung vor seinen Mitbewerbern hat. Vielmehr erwartet
der Verbraucher eine nach Umfang und Dauer wirtschaftlich erhebliche Sonderstellung. Der Werbende muss einen
deutlichen Vorsprung gegenüber seinen Mitbewerbern haben, und der Vorsprung muss die Aussicht auf eine
gewisse Stetigkeit bieten.
3. Der mit einer Alleinstellungsbehauptung Werbende hat darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, worauf sich seine
Werbebehauptung stützt. Der Sache nach läuft dies auf eine Umkehr der Darlegungs- und Beweislast hinaus.
4. Eine Klausel, die die Verweigerung der Annahme von unfreien Sendungen beinhaltet, kann die Ausübung des Widerrufsrechts
nach §§ 312, 355, 356 BGB behindern und begründet damit einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch aus §§ 3, 4 Nr.11 UWG.
5. Eine, von den im Rahmen des Handels über die Internethandelsplattform eBay allgemeinverbindlichen AGB - dort § 9 -
abweichende Regelung in den AGB eines eBay-Anbieters, dass die dortigen Angebote freibleibend seien, stellt
eine überraschende Regelung im Sinne des § 305 c Abs. 1 BGB dar, die einen Unterlassungsanspruch ist nach §§ 3, 4 Nr.11,
8 Abs.1 UWG begründet.
6. Für die Begründetheit des Feststellungsantrags, der darauf gerichtet ist festzustellen, dass der Unterlassungsschuldner
verpflichtet ist, dem Unterlassungsgläubiger sämtlichen aus einem festgestellten Wettbewerbsverstoß entstandenen und noch
entstehenden Schaden zu ersetzen, ist ein tatsächlicher Schadenseintritt nicht erforderlich. Vielmehr braucht nur eine
gewisse - nicht einmal hohe - Wahrscheinlichkeit eines Schadens vorzuliegen. Es genügt, dass nach der Lebenserfahrung der Eintritt
eines Schadens zumindest denkbar möglich ist. Detaillierter Darlegungen bedarf es daher in der Regel nicht.
Der neben dem Schadenersatzanspruch bestehende Auskunftsanspruch ist Teil des Schadenersatzanspruches.
7. Solange der Unterlassungsgläubiger die Ansprüche seines Prozessbevollmächtigten aus dessen Beauftragung noch nicht
erfüllt hat, besteht der Kostenerstattungsanspruch aus einer Abmahnung gegenüber dem Unterlassungsgläubiger als
Freihalteanspruch (Freistellungsanspruch).
8. Soweit die Parteien nach einer Abmahnung im Unterlassungsprozess den Rechtstreit in der Hauptsache für erledigt erklären,
entspricht es billigem Ermessen, der beklagten Partei die Verfahrenskosten insoweit aufzuerlegen, als
diese zu verurteilen gewesen wäre, wenn sie nicht eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben und/oder
die Parteien nicht den Rechtsstreit für erledigt erklärt hätten.
MIR 2007, Dok. 183
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 11.05.2007
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/685
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
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