Rechtsprechung
OLG Hamburg, Urteil vom 7.02.2007 - Az. 5 U 140/06
Erwerb von "gebrauchten Softwarelizenzen" - Weist ein Werbender in seinem Internetauftritt auf die Unsicherheiten bezüglich der rechtlichen Wirksamkeit des Zweiterwerbs "gebrauchter Softwarelizenzen" hin, wird eine Irreführung des verständigen Interessenten nicht bewirkt.
UWG § 3, § 5 Abs. 1, 2 Satz 1 Nr. 3, § 8 Abs. 1, 3 Nr. 1 § 12 Abs. 2
Leitsätze:*1. Der Vorschrift des § 12 Abs. 2 UWG liegt eine widerlegbare tatsächliche Vermutung
dergestalt zu Grunde, dass die Durchsetzung der begehrten Verbotsverfügung in Wettbewerbssachen
für den Antragssteller in der Regel von besonderer Dringlichkeit ist. Für die Beurteilung
einer etwaigen Selbstwiderlegung dieser Vermutung bedarf es einer umfassenden Abwägung
aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalles, bei der die Ausnutzung bestimmter
Fristen ein wesentlicher Gesichtspunkt sein kann, aber nicht stets sein muss.
2. Angaben im Sinne von § 5 UWG sind Aussagen des Werbenden, die sich auf Tatsachen
beziehen und daher inhaltlich nachprüfbar sind, wobei auch Meinungsäußerungen
je nach dem Äußerungszusammenhang einen konkret nachprüfbaren Vorgang oder Zustand
betreffen und somit Angaben gemäß § 5 UWG sein können. Damit kann grundsätzlich auch
die Werbeaussage, dass der Erwerb von veräußerbaren Gegenständen rechtlich zulässig und
wirksam ist (hier: der Erwerb von "gebrauchten Softwarelizenzen"), eine Angabe im
Sinne der oben genannten Vorschrift sein. Erforderlich ist aber in jedem Fall, dass
die Angabe geeignet ist, den Umworbenen irrezuführen.
3. Maßgeblich für die Beurteilung der Werbeaussage nach § 5 UWG ist, wie der angesprochene
Verkehr die beanstandete Werbung aufgrund des Gesamteindrucks der Werbung versteht.
Einzelne Äußerungen einer in sich geschlossenen Darstellung dürfen hierbei nicht auseinander gerissen
werden.
4. Weist ein Werbender in seinem Internetauftritt darauf hin, dass bezüglich der rechtlichen
Wirksamkeit des Zweiterwerbs von "gebrauchten Softwarelizenzen" ein erheblicher Meinungsstreit
unter Juristen besteht und teilt der Werbende damit im Hinblick auf das Tatbestandsmerkmal der
"irreführenden Angabe" dem an "gebrauchten Softwarelizenzen" Interessierten, der diesen
Internetauftritt besucht, somit lediglich seine Rechtauffassung und Meinung mit, wirksam
"gebrauchte Lizenzen" verkaufen zu können, wird eine Irreführung des verständigen Interessenten
nicht bewirkt.
MIR 2007, Dok. 136
Zur Frage der Selbstwiderlegung der Vermutung nach § 12 Abs. 2 UWG (s.o. LS 1) führt der 5. Senat des OLG Hamburg weiter aus: "(...) Diesem Gedanken tragen andere Oberlandesgerichte unter anderem dadurch Rechnung, dass im Rahmen der Verfolgung einer einstweiligen Verfügung in der Regel nur kurze Fristen als hinnehmbar angesehen werden, ohne das eine Selbstwiderlegung der Dringlichkeitsvermutung eintritt. Dieser Auffassung ist der Senat nicht beigetreten. (...) Da die Antragsstellerin somit ohne nähere Erläuterung trotz Kenntnis des behaupteten Wettbewerbsverstoßes und der Person des Verantwortlichen einen längeren Zeitraum untätig geblieben ist, hat sie durch ihr eigenes Verhalten zu erkennen gegeben, dass es ihr mit der Durchsetzung ihrer Ansprüche nicht eilig gewesen ist (...). Hierfür spricht auch, (...) erst (...) nach weiteren nahezu zwei Wochen, den Verfügungsantrag bei Gericht eingereicht hat."
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 10.04.2007
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/638
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
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