Rechtsprechung // Verfahrensrecht
BGH, Beschluss vom 07.06.2018 - I ZB 48/17
Pizzafoto - Zuständigkeitskonzentration und Rechtsmitteleinlegung beim funktional unzuständigen Gericht bei fehlerhafter Rechtsmittelbelehrung des erstinstanzlichen Gerichts
ZPO § 281; ZuVOJu BW § 13 Abs. 1 Nr. 1
Leitsätze:*1. Die Berufung kann fristwahrend grundsätzlich nur bei dem nach der Zuständigkeitskonzentration zuständigen Gericht eingereicht werden, wenn die gesetzliche Regelung zur Zuständigkeit für das Rechtsmittelverfahren eindeutig ist (vgl. BGH, Urteil vom 22.03.2016 - I ZB 44/15, MIR 2016, Dok. 014, Rn. 18 - Gestörter Musikvertrieb, mwN). Die Regelung zur Zuständigkeit für die Entscheidung über das Rechtsmittel der Berufung in Urheberrechtsstreitsachen lässt jedoch nicht stets mit hinreichender Sicherheit erkennen, ob über das Rechtsmittel das allgemein zuständige Rechtsmittelgericht oder aber das Rechtsmittelgericht zu entscheiden hat, das nach der Spezialregelung zuständig ist, durch die die Zuständigkeit bei einem bestimmten Rechtsmittelgericht konzentriert worden ist. Mit der Frage, ob eine Urheberrechtsstreitsache vorliegt, können schwierige Abgrenzungsprobleme verbunden sein. Diese können dazu führen, dass für die Parteien die Beurteilung, bei welchem Gericht Berufung einzulegen ist, zweifelhaft erscheinen kann. Der Grundsatz der Rechtsmittelklarheit, nach dem für die Parteien zweifelsfrei erkennbar sein muss, welches Rechtsmittel für sie in Betracht kommt und unter welchen Voraussetzungen es zulässig ist (BVerfG, Beschluss vom 07.10.2003 - 1 BvR 10/99; BGH, Beschluss vom 19.11.2015 - I ZR 58/14; BGH, Urteil vom 22.03.2016 - I ZB 44/15, MIR 2016, Dok. 014, Rn. 19 - Gestörter Musikvertrieb, mwN), gebietet in einem solchen Fall die Zulassung der fristwahrenden Berufungseinlegung und -begründung beim allgemein zuständigen Rechtsmittelgericht (BGH, Urteil vom 22.03.2016 - I ZB 44/15, MIR 2016, Dok. 014, Rn. 19 - Gestörter Musikvertrieb, mwN).
2. Besteht für eine Rechtsmittelzuständigkeit eine landesgesetzliche Konzentration nach § 105 UrhG für Urheberrechtsstreitsachen und erteilt das erstinstanzliche Gericht eine unzutreffende Belehrung über das für das Rechtsmittelverfahren zuständige Gericht, kann die Partei bei dem in der Rechtsmittelbelehrung angeführten Gericht fristwahrend Rechtsmittel einlegen, auch wenn dessen Zuständigkeit für das Rechtsmittelverfahren tatsächlich nicht gegeben ist. Das funktional unzuständige Gericht hat die Sache entsprechend § 281 ZPO an das nach der Konzentrationsregelung zuständige Rechtsmittelgericht zu verweisen (Fortführung von BGH, GRUR 2016, 636 - Gestörter Musikvertrieb).
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 16.11.2018
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/2895
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
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