Rechtsprechung
BFH, Urteil vom 19.10.2006 - Az. III R 6/05
Aufwendungen für den Erwerb einen Domain-Namens sind Anschaffungskosten für ein nicht abnutzbares immaterielles Wirtschaftsgut, die erst im Zeitpunkt der Veräußerung oder Entnahme als Betriebsausgaben zu berücksichtigen sind.
EStG § 4 Abs. 3 S. 4; HGB §§ 255, 266 Abs. 2 Buchst. A I 1
Leitsätze:*1. Aufwendungen für den Erwerb einen Domain-Namens sind Anschaffungskosten für ein nicht abnutzbares
immaterielles Wirtschaftsgut des Anlagevermögens, die bei der Gewinnermittlung durch
Einnahmenüberschussrechnung erst im Zeitpunkt der Veräußerung oder Entnahme des
Wirtschaftsgutes als Betriebsausgaben zu berücksichtigen sind (§ 4 Abs. 3 Satz 4 EStG).
2. Ein Domain-Name ist als ähnliches Recht ein immaterieller Vermögensgegenstand i.S. des § 266 Abs. 2
Buchst. A I 1 des Handelsgesetzbuches (HGB) und damit zugleich ein immaterielles Wirtschaftsgut.
Entgegen den gewerblichen Schutzrechten - die ihrem Inhaber ein Absolutheitsanspruch gewähren, der
vom Gesetzgeber und nicht nur durch Parteivereinbarung geschaffen worden ist -
ist ein Domain-Namen nur eine technische Adresse im Internet. Die ausschließliche Stellung, die
darauf beruht, dass eine Domain (hier: von der DENIC) nur einmal vergeben wird, ist
allein technisch bedingt. Eine derartige, rein faktische Ausschließlichkeit begründet kein absolutes Recht.
3. Ein Domain-Name ist allerdings wegen der Sicherung der faktischen Auschließlichkeitsstellung des Domaininhabers
durch den schuldrechtlichen Anspruch gegen die Vergabestelle (hier: DENIC) aus dem Registrierungsvertrag,
die Eintragung der Domain und der technischen Daten in die Namensserver aufrechtzuerhalten, jedenfalls
für die Dauer des Registrierungsvertrags (Dauerschuldverhältnis) abgesichert und daher mit einem gewerblichen
Schutzrecht inhaltlich vergleichbar.
4. Eine Domain ist auch verkehrsfähig und selbständig bewertbar. Hierbei ist für die Verkehrsfähigkeit die
abstrakte Veräußerbarkeit maßgebend; eine Veräußerbarkeit im Rechtssinne ist nicht erforderlich. Es genügt damit,
dass der Verkehr die Möglichkeiten entwickelt hat, eine Domain wirtschaftlich zu übertragen
(hier: Durch Kündigung des Registrierungsvertrages und die Benennung eines Erwerbers und Abschluss eines neuen
Registrierungsvertrages durch diesen sowie die Verpflichtung der Vergabestelle - DENIC -, den neuen Vertrag nur mit
dem benannten Dritten und nicht mit einer anderen Person abzuschließen, während einem etwaigen Dispute-Eintrag nur
aufschiebende Wirkung beizumessen ist; so das der Domaininhaber eine Rechtsposition inne hat, über die er frei
verfügen kann). Schließlich folgt die selbstständige Bewertbarkeit daraus, das ein eigener Markt für den Handel mit
Domain-Namen besteht.
5. Bei den Aufwendungen für den Erwerb eines Domain-Namens handelt es sich um Anschaffungskosten im Sinne des
Ertragssteuerrechts nach § 255 HGB und damit um Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand
zu erwerben und in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen, soweit sie dem Vermögensgegenstand einzeln
zugeordnet werden können.
6. Eine sofortige Abziehbarkeit der Aufwendungen für den Erwerb eines Domainnamens kann nicht damit begründet werden,
dass die Aufwendungen zur Herstellung eines einheitlichen Wirtschaftsguts - durch deren Einrichtung ein aus
Website und Domain-Namen bestehendes, einheitliches Wirtschaftsgut - gedient haben. Der Domain-Namen verliert durch
die Erstellung einer mit Ihm angesprochenen Webseite nicht seine selbständige Bewertbarkeit. Insbesondere kann der
Domain-Name weiterhin ohne die Web-Dateien veräußert werden.
7. Ein Domain-Name ist nicht abnutzbar, da seine Nutzbarkeit weder unter rechtlichen noch unter wirschaftlichen
Gesichtspunkten zeitlich begrenzt ist.
MIR 2007, Dok. 130
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 07.04.2007
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/632
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
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