Rechtsprechung
OLG Hamm, Urteil vom 8.02.2007 - Az. 21 U 138/06
"Sie haben (nicht) gewonnen ... Sicher!" - Zu Gewinnzusagen nach § 661a BGB
BGB § 661a; EuGVVO Art. 5 Nr. 1 lit. a
Leitsätze:*1. Eine Gewinnzusage i.S.v. § 661a BGB setzt voraus, dass die Mitteilung aus objektivierter
Empfängersicht nach Inhalt und Gestaltung abstrakt geeignet ist, bei einem durchschnittlichen Verbraucher
in der Lage des Empfängers den Eindruck zu erwecken, er werde einen – bereits
gewonnenen – Preis erhalten (BGH NJW 2004, 1652; BGH NJW 2006, 230; BGH NJW 2006, 2548).
Dabei ist nicht auf einen besonders misstrauischen, aufgeklärten Verbraucher abzustellen,
sondern darauf, wie ein durchschnittlich informierter, aufmerksamer und verständiger
Verbraucher die Mitteilung nach ihrem Gesamteindruck auffassen muss. Es kann allerdings
erwartet werden, dass der Verbraucher nicht nur reißerisch durch größere Schrifttypen
drucktechnisch hervorgehobene Passagen zur Kenntnis nimmt, sondern auch die Sätze des Fließtextes
liest, die sich zwischen den hervorgehobenen Sentenzen befinden.
2. Eine Gewinnzusage kann auch nicht deshalb verneint werden, weil die "Verleihung" des
Preises von der Rücksendung bestimmter Unterlagen abhängig gemacht worden ist. Eine Mitwirkungshandlung
kann dem Verbraucher nicht abverlangt werden, da es der gesetzgeberischen Intention widerspräche,
die Entstehung des Anspruchs daran zu knüpfen, dass sich der Verbraucher so verhält, wie vom Versender
der Gewinnzusage (wettbewerbswidrig) beabsichtigt (BGH NJW 2006, 2548, 2549f.).
3. Sender i.S.v. § 661a BGB ist derjenige Unternehmer, den ein durchschnittlicher Verbraucher in der
Lage des Empfängers einer Gewinnzusage als Versprechenden versteht. Als "Sender" können ferner
solche Unternehmer angesehen werden, die Verbrauchern unter nicht existierenden oder falschen
Namen, Firmen, Geschäftsbezeichnungen oder Anschriften Gewinnmitteilungen zukommen lassen
(BGH NJW 2004, 3555, 3556; BGH NJW 2005, 827). Sender kann schließlich der Unternehmer
sein, der unter fremdem Namen, also unter dem Namen einer anderen existierenden Person,
handelt (BGH NJW 2005, 3493). Als Sender kann deshalb unter Umständen auch das hinter einer
Briefkastenfirma stehende unter deren Namen mit Eigeninteresse handelnde Unternehmen angesehen
werden (BGH NJW 2006, 2548, 2550).
4. Für die Anwendbarkeit des § 661a BGB reicht es aus, wenn mehrere Unternehmen jeweils maßgeblich an
der Organisation der Werbesendungen mitwirken und diese unter einer Fantasiebezeichnung abwickeln.
(hier: Die Beklagte war wesentlich an der Werbeaktion beteiligt, da sie
gegenüber der Deutschen Post als zustellfähige Anschrift eines Postfachs benannt war, welches den Empfängern
der Werbesendungen als "Rückanschrift" in Deutschland mitgeteilt war.)
5. Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVVO ist dann als Regelung zum Verbrauchergerichtsstand auszulegen
und auf Klagen aus Gewinnmitteilungen anwendbar, wenn der Empfänger die Gewinnzusage annimmt.
Dies kann etwa dadurch geschehen, dass – wie es hier die Klägerin getan hat – die Auszahlung des
scheinbar gewonnenen Preises verlangt wird.
6. Nach Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVVO kann der Sender einer Gewinnmitteilung vor dem Gericht des Ortes
verklagt werden, an dem die Verpflichtung zur Aushändigung des Gewinns zu erfüllen wäre.
Das ist der Wohnort des Empfängers. Dieser Erfüllungsort ergibt sich nach dem anwendbaren deutschen
internationalen Privatrecht (Art. 34 EGBGB, § 661a BGB), da § 661a BGB als zwingende Regelung beansprucht,
grenzüberschreitende Gewinnzusagen zu regeln. Aus Sinn und Zweck der deutschen Regelung (§ 661a BGB)
folgt, dass der Unternehmer den zugesagten Preis am Wohnsitz des Verbrauchers zu leisten hat und die
Vorschrift als entsprechende Regelung des Leistungsortes zu verstehen ist.
MIR 2007, Dok. 127
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 04.04.2007
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/629
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