Kurz notiert // Wettbewerbsrecht
Oberlandesgericht Frankfurt a.M.
DB Navigator App - Suchfunktion "Schnellste Verbindung anzeigen" irreführend
OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 21.09.2023 - 6 W 61/23; Vorinstanz: LG Frankfurt a.M., Beschluss vom 30.05.2023 - 2-06 O 216/23
MIR 2023, Dok. 065, Rz. 1
1
Die Parteien streiten um die bei der über www.bahn.de und die DB Navigator App voreingestellte Suchfunktion "Schnellste Verbindung anzeigen". Der dahinterliegende Algorithmus springt bei der Ergebnisanzeige von der absolut schnellsten Verbindung jeweils vorwärts (bei Eingabe der Abfahrtszeit) oder rückwärts (bei Eingabe der Ankunftszeit) zu den jeweils zeitlich folgenden zweitschnellsten Verbindungen. Nicht angezeigt werden kürzere Verbindungen, deren Abfahrts- bzw. Ankunftszeit vor der jeweiligen Uhrzeit der absolut schnellsten Verbindung liegt. Mit Entscheidung vom 21.09.2033 (6 W 61/23) hat das OLG Frankfurt a.M. der Tochter der Deutschen Bahn wegen Irreführung das Anbieten dieser Suchoption untersagt. Die streitgegenständliche Version wurde während des Eilverfahrens insoweit geändert, dass ein Informationssternchen integriert wurde unter dem die streitgegenständliche Vorgehensweise des Algorithmus erläutert wird*.
Die Antragstellerin bietet Transportleistungen im Schienenpersonennahverkehr an. Sie wendet sich gegen die Gestaltung und Funktionsweise der Suchoption "Schnellste Verbindungen anzeigen" auf der von der Antragsgegnerin betriebenen Fahrplaninformations- und Reiseauskunftsmedien www.bahn.de und in der App DB Navigator. Die Antragsgegnerin stell dort den Verbrauchern eine Suchmaske zur Verfügung, die insbesondere die Eingabe von Start und Ziel, Datum sowie der Abfahrts- oder Ankunftszeit erlaubt. Standardmäßig voreingestellt ist die Suchaktion "Schnellste Verbindung anzeigen". Als Ergebnis werden in der Regel drei Verbindungen angezeigt. Der zu Grunde liegende Algorithmus ermittelt im Fall der Eingabe einer Abfahrtszeit dabei zunächst von der gewählten Abfahrtszeit aus die absolut schnellste Verbindung. Anschließend wird die danach abfahrende zweitschnellte Verbindung angezeigt. Ausgehend von der schnellsten Verbindung findet eine zeitliche Vorwärtssuche statt. Eine zweitschnellste Verbindung, deren Abfahrtszeit vor der absolut schnellsten Verbindung liegt, wird damit nicht angezeigt, auch wenn sie schneller als die nach der absolut schnellsten Verbindung abfahrende zweitschnellste Verbindung war.
Das Landgericht hat den Unterlassungsantrag zurückgewiesen. Die Beschwerde der Antragstellerin hatte vor dem OLG Erfolg.
Entscheidung des Gerichts: Ausgestaltung der Verbindungsauskunft (war?!) irreführend - Verbraucherverständnis deckt sich nicht mit den tatsächlichen Verhältnissen
Die Ausgestaltung der Verbindungsauskunft sei irreführend und damit unlauter, so das Oberlandesgericht. "Verbraucher werden ... davon ausgehen, dass es sich bei den angezeigten Verbindungen, wie beworben, um die ... schnellsten Verbindungen zu ihrer Suchanfrage handelt, auch weil das primäre Ziel des Verkehrs bei einer Verbindungsabfrage ist, möglichst schnell von A nach B zu kommen“.
Das erweckte Verständnis stimme jedoch nicht mit den tatsächlichen Verhältnissen überein, so dass die Suchfunktion irreführend sei. Angezeigt werde zwar zunächst die absolut schnellste Verbindung. Ausgehend von dieser springe das Programm dann aber entweder vorwärts (Abfahrtssuche) oder rückwärts (Ankunftssuche) zu den nächsten absolut schnellsten Verbindungen. Die in der Ergebnisliste an zweiter und fortlaufender Stelle angezeigten Verbindungen seien damit nicht die nächstschnelleren im Hinblick auf die objektive Gesamtfahrdauer, sondern die nächstschnelleren nach der schnellsten Verbindung. Im Fall einer einstündigen schnellsten Verbindung könne dies dazu führen, dass eine eine Minute davorliegende Verbindung mit einer Dauer von 1:01 Stunden gar nicht, die eine Minute nach der schnellsten Verbindung abfahrende Verbindung mit einer Dauer von 2:00 Stunden dagegen als zweitschnellste ausgewiesen werde.
Die im Eilverfahren ergangene Entscheidung ist nicht anfechtbar.
(tg) - Quelle: PM Nr. 59/2023 des OLG Frankfurt a.M. vom 02.10.2023
*Richtigstellung durch Nachtrag der Pressestelle des OLG Frankfurt a.M. vom 04.10.2023: Entgegen der zunächst erfolgten Verlautbarung ist die Suchfunktion weiterhin verfügbar, aber während des Eilverfahrens durch ein Informationssternchen ergänzt worden. Wenn man dieses anklickt, wird die streitgegenständliche Vorgehensweise des Algorithmus erläutert. Der Artikel wurde entsprechend geändert.
Die Antragstellerin bietet Transportleistungen im Schienenpersonennahverkehr an. Sie wendet sich gegen die Gestaltung und Funktionsweise der Suchoption "Schnellste Verbindungen anzeigen" auf der von der Antragsgegnerin betriebenen Fahrplaninformations- und Reiseauskunftsmedien www.bahn.de und in der App DB Navigator. Die Antragsgegnerin stell dort den Verbrauchern eine Suchmaske zur Verfügung, die insbesondere die Eingabe von Start und Ziel, Datum sowie der Abfahrts- oder Ankunftszeit erlaubt. Standardmäßig voreingestellt ist die Suchaktion "Schnellste Verbindung anzeigen". Als Ergebnis werden in der Regel drei Verbindungen angezeigt. Der zu Grunde liegende Algorithmus ermittelt im Fall der Eingabe einer Abfahrtszeit dabei zunächst von der gewählten Abfahrtszeit aus die absolut schnellste Verbindung. Anschließend wird die danach abfahrende zweitschnellte Verbindung angezeigt. Ausgehend von der schnellsten Verbindung findet eine zeitliche Vorwärtssuche statt. Eine zweitschnellste Verbindung, deren Abfahrtszeit vor der absolut schnellsten Verbindung liegt, wird damit nicht angezeigt, auch wenn sie schneller als die nach der absolut schnellsten Verbindung abfahrende zweitschnellste Verbindung war.
Das Landgericht hat den Unterlassungsantrag zurückgewiesen. Die Beschwerde der Antragstellerin hatte vor dem OLG Erfolg.
Entscheidung des Gerichts: Ausgestaltung der Verbindungsauskunft (war?!) irreführend - Verbraucherverständnis deckt sich nicht mit den tatsächlichen Verhältnissen
Die Ausgestaltung der Verbindungsauskunft sei irreführend und damit unlauter, so das Oberlandesgericht. "Verbraucher werden ... davon ausgehen, dass es sich bei den angezeigten Verbindungen, wie beworben, um die ... schnellsten Verbindungen zu ihrer Suchanfrage handelt, auch weil das primäre Ziel des Verkehrs bei einer Verbindungsabfrage ist, möglichst schnell von A nach B zu kommen“.
Das erweckte Verständnis stimme jedoch nicht mit den tatsächlichen Verhältnissen überein, so dass die Suchfunktion irreführend sei. Angezeigt werde zwar zunächst die absolut schnellste Verbindung. Ausgehend von dieser springe das Programm dann aber entweder vorwärts (Abfahrtssuche) oder rückwärts (Ankunftssuche) zu den nächsten absolut schnellsten Verbindungen. Die in der Ergebnisliste an zweiter und fortlaufender Stelle angezeigten Verbindungen seien damit nicht die nächstschnelleren im Hinblick auf die objektive Gesamtfahrdauer, sondern die nächstschnelleren nach der schnellsten Verbindung. Im Fall einer einstündigen schnellsten Verbindung könne dies dazu führen, dass eine eine Minute davorliegende Verbindung mit einer Dauer von 1:01 Stunden gar nicht, die eine Minute nach der schnellsten Verbindung abfahrende Verbindung mit einer Dauer von 2:00 Stunden dagegen als zweitschnellste ausgewiesen werde.
Die im Eilverfahren ergangene Entscheidung ist nicht anfechtbar.
(tg) - Quelle: PM Nr. 59/2023 des OLG Frankfurt a.M. vom 02.10.2023
*Richtigstellung durch Nachtrag der Pressestelle des OLG Frankfurt a.M. vom 04.10.2023: Entgegen der zunächst erfolgten Verlautbarung ist die Suchfunktion weiterhin verfügbar, aber während des Eilverfahrens durch ein Informationssternchen ergänzt worden. Wenn man dieses anklickt, wird die streitgegenständliche Vorgehensweise des Algorithmus erläutert. Der Artikel wurde entsprechend geändert.
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 02.10.2023
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/3309
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