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Dr. Christian Seyfert, LL.M.

Sampling - Rechtslage in Deutschland und den USA*

MIR 2007, Dok. 030, Rz. 1-12


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I. Rechtslage in Deutschland
Sampling[1] kann in jedem Einzelfall die Rechte einer Reihe von Personen betreffen. Um eine Rechtsverletzung und mögliche rechtliche Unannehmlichkeiten, etwa in Form einer gerichtlichen Klage des Rechteinhabers oder einer staatsanwaltschaftlichen Ermittlung zu vermeiden, ist es erforderlich, zunächst die vom Sampling möglicherweise betroffenen Rechte und deren Rechteinhaber ausfindig zu machen, um sich dann in einem zweiten Schritt für die gesampelten Musik- und/oder Textteile die notwendigen Lizenzen zu erwerben. Vom Sampling betroffen sein können: Urheberrechte der Autoren des gesampelten Originalstücks (Komponist und Textdichter) (siehe unter 1.), Leistungsschutzrechte der an der gesampelten Musikaufnahme mitwirkenden ausübenden Künstler (siehe unter 2.) sowie Leistungsschutzrechte des Tonträgerherstellers der gesampelten Musikaufnahme (siehe unter 3.).

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1. Urheberrechte der Autoren des gesampelten Musikteils
Das deutsche Urheberrechtsgesetz unterscheidet zwischen Urheberrechten und Leistungsschutzrechten (sog. verwandte Schutzrechte). Urheberrechte können zum einen an der Musikkomposition (= Werk der Musik im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 2 UrhG), zum anderen aber auch an den in einem Song enthaltenen Lyrics (= Sprachwerk im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG) bestehen. Die große Kunst für einen Juristen, im Ernstfall auch einen Richter, besteht nun darin zu entscheiden, ob gerade der gesampelte Teil aus der betreffenden Musikkomposition oder aus dem betreffenden Textwerk für sich alleine urheberrechtlichen Schutz beanspruchen kann. Sofern der gesampelte Musikteil auch Lyrics aus dem Originalstück enthält, muss diese Frage dabei gesondert sowohl für die im gesampelten Musikteil enthaltene Musikkomposition als auch für im gesampelten Musikteil enthaltene Lyrics entschieden werden.

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Ein Urheberrecht kommt einem gesampelten Musik- bzw. Textteil nur dann zu, wenn er eine hinreichende Schöpfungshöhe aufweist. Wer nur den kurzen Augenblick eines einzigen Tons oder ein einziges unaussagekräftiges Wort aus einem fremden Musikstück in sein eigenes Stück hineinsampelt, der verletzt in aller Regel noch kein fremdes Urheberrecht. Der Erschaffung eines solchen Musik- oder Textteils spricht man - für sich allein betrachtet - in aller Regel die erforderliche eigenständige Kreativität bzw. Schöpfungshöhe ab. Ab wann ein hinreichendes Maß an eigenständiger Kreativität des gesampelten Musik- bzw. Textteils erreicht ist, ist freilich häufig Frage des Einzelfalles. Wenn ein Musikproduzent gerade auf den Wiedererkennungseffekt des Samples beim Zuhörer setzt und der Zuhörer beim Hören der neuen Musikproduktion eine Verbindung zum fremden Musikstück herstellen kann, wird das erforderliche Maß an kreativer Eigenständigkeit und Schöpfungshöhe in aller Regel erreicht sein.

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In einem solchen Fall muss sich der Musikproduzent dann bereits vor der Herstellung des neuen Musikstücks, das das Sample enthalten soll, eine Lizenz vom jeweiligen Rechteinhaber erwerben, da bereits die bloße Herstellung des neuen Musikstücks eine Vervielfältigung des gesampelten Originalstücks darstellt. Die Lizenz muss sich ferner ggf. auf die anschließende weitere Vervielfältigung, Verbreitung, öffentliche Zugänglichmachung etc. des neuen Musikstücks erstrecken (siehe §§ 16 ff. UrhG und §§ 31 ff. UrhG), je nachdem, wofür die neue Musikproduktion genutzt werden soll. Sofern Komponist und Textdichter des Originalstücks Mitglieder bei der GEMA sind, kann sich der Musikproduzent die erforderlichen Rechte bei der GEMA erwerben, ansonsten direkt bei Komponist und Textdichter oder, falls vorhanden, bei deren Musikverlag.

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2. Leistungsschutzrechte der ausübenden Künstler
Einem ausübenden Künstler (z. B. dem Sänger, dem Gitarristen, dem Schlagzeuger etc., die an einer Musikaufnahme mitgewirkt haben) stehen in Deutschland gewisse Leistungsschutzrechte an seiner Darbietung zu, die in der Musikaufnahme zu hören ist, insbesondere ein Vervielfältigungsrecht, Verbreitungsrecht, Recht der öffentlichen Zugänglichmachung etc. (siehe §§ 73 ff. UrhG). Allerdings stehen dem jeweiligen Darsteller diese Leistungsschutzrechte nach § 73 Abs. 1 UrhG nur dann zu, wenn an dem gesampelten Musik- bzw. Textteil - für sich betrachtet - ein Urheberrecht besteht. Denn nur wer ein urheberrechtlich geschütztes Werk darbietet, wird vom Gesetz auch als ausübender Künstler mit dem entsprechenden Leistungsschutz versehen. Ob an dem gesampelten Musik- bzw. Textteil - für sich betrachtet - ein Urheberrecht besteht, entscheidet sich wieder nach den unter I.1. genannten Kriterien.

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Dadurch ergibt sich nach dem Gesetz ein Gleichlauf: sofern der Musikproduzent mit dem Sample einen Musik- bzw. Textteil in seine Musikproduktion kopiert, dem man eine hinreichende Schöpfungshöhe zusprechen kann, muss er neben dem Urheberrecht der Autoren auch die Leistungsschutzrechte der in dem gesampelten Musikteil zu hörenden ausübenden Künstler erwerben. Die GEMA und die Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten (GVL) sind für die Vergabe dieser dem ausübenden Künstler zustehenden Rechte nicht zuständig. Rechteinhaber an den Leistungsschutzrechten des ausübenden Künstlers ist regelmäßig dessen Plattenfirma (= Tonträgerhersteller), die sich in aller Regel die betreffenden Nutzungsrechte in ihrem Vertrag mit dem betreffenden ausübenden Künstler - gegen Entgelt - hat übertragen lassen.

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3. Leistungsschutzrechte des Tonträgerherstellers
Neben den Rechten der ausübenden Künstler stehen der Plattenfirma aber auch noch eigene Leistungsschutzrechte am Originaltonträger zu (siehe § 85 UrhG). Auch diese Verwertungsrechte umfassen - ebenso wie im Falle des Urheberrechts von Komponist und Textdichter und des Leistungsschutzrechts der beteiligten ausübenden Künstler - das Vervielfältigungsrecht, das Verbreitungsrecht und das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung. Der eigene Leistungsschutz des Tonträgerherstellers setzt nach dem Gesetzeswortlaut zwar nicht voraus, dass der Tonträger - oder der gesampelte Teil des Tonträgers - ein urheberrechtlich geschütztes Werk enthalten muss. Allerdings verlangt die herrschende Rechtsprechung im Einklang mit Art. 1(c) des Übereinkommens zum Schutz der Hersteller von Tonträgern gegen die unerlaubte Vervielfältigung ihrer Tonträger vom 29.10.1971 (Genfer Tonträgerabkommen (GTA)) für eine Verletzung des eigenen Leistungsschutzrechts des Tonträgerherstellers, dass die das Sample enthaltene neue Musikproduktion mindestens einen quantitativ oder qualitativ wesentlichen Teil des Originaltonträgers enthält. Ob dies der Fall ist, kann man - erneut entsprechend der Situation bei Urheberrechten - danach entscheiden, ob der Musikproduzent mit seiner Produktion gerade auf den Wiedererkennungseffekt des Samples beim Zuhörer setzt und der Zuhörer beim Hören der neuen Musikproduktion eine Verbindung zum fremden Musikstück herstellen kann.

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4. Zusammenfassung
Wir können damit zusammenfassen und festhalten: Wenn bei einer neuen Musikproduktion, die das Sample enthält, der Wiedererkennungseffekt des Samples im Vordergrund steht und der Zuhörer beim Hören der neuen Musikproduktion auch objektiv eine Verbindung zum gesampelten fremden Musikstück herstellen kann, muss der Musikproduzent sowohl Nutzungsrechte von den Urhebern des Samples (Komponist/Textdichter) als auch Nutzungsrechte von den Leistungsschutzberechtigten (ausübende Künstler und Tonträgerhersteller) erwerben. Die das Urheberrecht betreffenden Nutzungsrechte haben die Urheber in der Regel auf die GEMA übertragen und müssen deshalb vom Musikproduzenten dort erworben werden. Die die Leistungsschutzrechte betreffenden Nutzungsrechte, d.h. diejenigen der ausübenden Künstler und diejenigen des Tonträgerherstellers, befinden sich in aller Regel sämtlich beim Tonträgerhersteller (= Plattenfirma) und müssen deshalb vom Musikproduzenten von der betreffenden Plattenfirma, die Inhaberin des gesampelten Tonträgers ist, erworben werden. Bereits das Hineinkopieren eines Samples in eine neue Musikproduktion bedeutet eine Vervielfältigung im Sinne des UrhG und ist deshalb nur mit Zustimmung aller Rechteinhaber am Sample zulässig. Sampling ohne den erforderlichen vorherigen Rechtserwerb ist rechtswidrig und hat insbesondere Beseitigungs-, Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche der Rechteinhaber zur Folge (siehe §§ 97 ff. UrhG); die Strafbarkeit und Strafdrohung einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren ergibt sich aus den §§ 106, 108 UrhG.

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II. Rechtslage in den USA

1. Urheberrechtlicher Schutz nur von Komponisten, Textdichtern und Tonträgerherstellern; kein urheberrechtlicher Schutz von ausübenden Künstlern
Der Copyright Act der Vereinigten Staaten von Amerika (17 U.S. Code - Copyrights) unterscheidet nicht zwischen Urheberrechten (copyrights) und Leistungsschutzrechten (neighboring rights). Geschützt werden danach ausschließlich Urheberrechte; Leistungsschutzrechte gibt es in den USA nicht. Allerdings spricht der U.S. Copyright Act sowohl den Autoren einer musical work (dieser Begriff umfasst in den USA sowohl die Musikkomposition als auch die Lyrics) als auch den Autoren einer sound recording (Tonträgerhersteller) ein Urheberrecht zu. Ausübende Künstler werden in den USA hingegen urheberrechtlich gar nicht geschützt. Ein "Schutz" ergibt sich für sie allenfalls vertragsrechtlich aus dem Plattenvertrag mit ihrer Plattenfirma.
Hinsichtlich der rechtlichen Handhabung des Sampling will die herrschende Rechtsprechung in den USA zwischen dem Urheberrecht an der musical work und dem Urheberrecht an der sound recording unterscheiden:

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2. Urheberrechte der Autoren der gesampelten musical work
Hinsichtlich des Urheberrechts an der musical work soll die "de minimis"-Regel gelten. Diese besagt, dass ein Sampling solange als rechtlich unbedeutend angesehen und damit vom Recht toleriert wird, als davon quantitativ und qualitativ nur unbedeutende Teile der musical work betroffen sind. Man kann auch hier nach obigen Grundsätzen argumentieren: Solange der Zuhörer beim Hören der neuen Musikproduktion keine Verbindung zum gesampelten fremden Musikstück herstellen kann, ist Sampling auch ohne die Zustimmung des Rechteinhabers der musical work zulässig. Für alle anderen Fälle ist ein Lizenzerwerb notwendig.
Der Lizenzerwerb muss in den USA in aller Regel über den Musikverlag des jeweiligen Rechteinhabers der musical work erfolgen. Eine "GEMA", die die mechanischen Vervielfältigungsrechte von Komponist und Textdichter betreuen könnte, gibt es in den USA nicht.

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3. Urheberrechte der Autoren der gesampelten sound recording
Hinsichtlich des Urheberrechts an der sound recording verfolgen die meisten U.S. Gerichte hingegen einen rigorosen Eigentumsschutz der Tonträgerhersteller. So genügte z. B. nach der Auffassung des Berufungsgerichts im Streitfall Bridgeport Music, Inc. v. Dimension Films, 383 F.3d 390 (6th Cir. 2004) bereits das bloße Hineinkopieren einer Millisekunde bzw. eines einzigen Akkords aus dem gesampelten Tonträger zur Rechtsverletzung der sound recording-Rechte von Bridgeport Music, Inc. Plattenfirmen in den USA werden damit - zu Lasten von Hip Hop-Künstlern und Sampling Artists - in erheblich größerem Umfang gegen Sampling geschützt als in Deutschland.

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III. Fazit
Bevor mit dem Sampling begonnen werden kann, ist zunächst die Rechtslage zu klären. In Deutschland ist Sampling im Grundsatz solange lizenzfrei zulässig, wie der Wiedererkennungseffekt des Samples in der neuen Musikproduktion nicht im Vordergrund steht und der Zuhörer beim Hören der neuen Musikproduktion auch objektiv eine Verbindung zum gesampelten fremden Musikstück nicht herstellen kann. Im Zweifel sollte man sich bei den jeweiligen Rechteinhabern (i.d.R. GEMA und der betroffenen Plattenfirma) eine Lizenz erwerben, um nicht Gefahr zu laufen, kostenpflichtig abgemahnt zu werden.
Für den Vertrieb gesampelter Musik in den USA ist allerdings stets ein vorheriger Rechtserwerb zumindest bei der betroffenen Plattenfirma von Nöten, da die U.S.-amerikanische Rechtsprechung in Bezug auf Sampling gegenwärtig einen rigorosen Eigentumsschutz zugunsten der Plattenfirmen verfolgt.


* Dr. Christian Seyfert, LL.M (USA) ist Rechtsanwalt in der Kanzlei ZELLER & SEYFERT Partnerschaft von Rechtsanwälten mbB, Frankfurt a.M. (www.zellerseyfert.com).
[1] Sampling bezeichnet den Vorgang, einen Teil einer bereits bestehenden Tonaufnahme, das sog. Sample, in eine neue Ton- oder Musikaufnahme einzustellen und auf diese Weise die alte Tonaufnahme mit der neuen Ton- oder Musikaufnahme zu verbinden.

Online seit: 21.01.2007
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/532
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