Rechtsprechung
LG München I, Urteil vom 20.12.2006 - Az. 9 O 3430/06
"Erkan u. Stefan" - Zum Schutz der Form der sprachlichen Darstellung in Wort und Stimmklang (hier: "Türkdeutsch").
BGB § 823 Abs. 2; KUG § 22
Leitsätze:*1. Eine Verletzung des Rechtes am eigenen Bild scheidet bei der Hörfunkwerbung schon begrifflich mangels jeder Verwendung von Bildern aus.
2. Enthält eine Fernseh- und Internetwerbung Personenaufnahmen, zeigt diese jedoch unstreitig nicht den Anspruchsteller und
handelt es sich auch nicht um einen Doppelgänger, ergibt sich ein Anspruch nicht aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 22 KUG.
Dies gilt umso mehr, als dass nicht der Eindruck erweckt wird, es handele sich um eine Abbildung des vermeintlich Betroffenen
in ihrer Rolle in dem einer konkrete Rolle, der die jeweilige (Werbespot-) Szene ähneln könnte.
3. Im Bereich des Hörfunks (hier: Hörfunkwerbung) kommt ein Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht
mangels spezialgesetzlicher Grundlage - wie dem Recht am eigenen Bild - in Betracht. So ist auch der Form der sprachlichen
Darstellung in Wort und Stimmklang ein dem § 22 KUG vergleichbarer Schutz zuzusprechen (Bestätigung OLG Hamburg GRUR 1989, 666 =
NJW 1990, 1995).
4. Der Form der sprachlichen Darstellung in Wort und Stimmklang kann allerdings nur dann ein Schutz zukommen, wenn eine nur dem
Betroffenen eigene Form der sprachlichen Darstellung in Wort und Stimmklang festzustellen ist.
Wird indessen durch den Anspruchsteller gerade kein eigener Sprachstil entwickelt, sondern lediglich eine allgemeine
Ausformung von Sprache (hier: die Verwendung der deutschen Sprache durch zahllose türkischstämmige
Jugendliche - "Türkdeutsch") in parodistischer Form aufgegriffen, liegt hierin nur die Imitierung eines allgemeinen Phänomens.
5. Das "Image" als solches ist ein viel zu unbestimmter Begriff, um ihm den rechtlichen Schutz eines absoluten Rechts
zukommen zu lassen.
6. Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte ergibt sich im Verhältnis zu Österreich aus der EuGVVO (hier: aus Art. 5 Nr. 3 EuGVVO.
Der EuGH (NJW 1995, 1881 f) hat zur Vorgängervorschrift Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ ausgeführt, dass die Wendung "Ort, an dem das
schädigende Ereignis eingetreten ist" bei Veröffentlichungen so auszulegen ist, dass der Betroffene eine Schadensersatzklage
gegen den Herausgeber sowohl bei den Gerichten des Staates, in dem sich der Sitz des Herausgebers befindet, als auch bei den
Gerichten jedes Staates erheben kann, in dem die Veröffentlichung verbreitet und das Ansehen des Betroffenen nach dessen Behauptung
beeinträchtigt worden ist. Im Fall einer grenzüberschreitenden Verbreitung wird die Beeinträchtigung durch Veröffentlichung an
den Orten verwirklicht, an denen die Veröffentlichung verbreitet wird, wenn der Betroffene dort bekannt ist. Somit sind die
Gerichte jedes Staates, in dem die Veröffentlichung verbreitet und das Ansehen des Betroffenen nach dessen Behauptung beeinträchtigt
worden ist, für die Entscheidung über die in diesem Staat entstandenen Schäden zuständig. Die Gerichte des Staates, in dem die
Veröffentlichung lediglich verbreitet wurde, sind daher nur für die Schäden zuständig, die im Staat des angerufenen Gerichts
entstanden sind.
MIR 2007, Dok. 018
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 14.01.2007
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/520
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
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