Kurz notiert // Heilmittelwerberecht
Bundesgerichtshof
Mehr als 'nen EUR ist keine geringwertige Kleinigkeit - Die Gutschrift von PAYBACK-Punkten im Gesamtwert von mehr als EUR 1,00 beim Kauf von Hörgeräten ist unzulässig
BGH, Urteil vom 17.07.2025 - I ZR 43/24; Vorinstanz: LG Hamburg, Urteil vom 12.05.2021 - 312 O 306/19; OLG Hamburg, Urteil vom 29.02.2024 - 3 U 83/21
MIR 2025, Dok. 050, Rz. 1
1
Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 17.07.2025 (I ZR 43/24) entschieden, dass die Wertgrenze für geringwertige Kleinigkeiten bei der Publikumswerbung mit Werbegaben für Medizinprodukte bei EUR 1,00 zu ziehen ist.
Zur Sache:
Die Klägerin ist die Wettbewerbszentrale. Die Beklagte vertreibt in ihren Filialen in Deutschland Hörgeräte einer Vielzahl von Herstellern und sonstige Produkte für Hörbeeinträchtigte. Sie warb auf ihrer Internetseite mit der Gutschrift von PAYBACK-Punkten bei jedem Einkauf und der Umwandlung von PAYBACK-Punkten in Sachprämien, Gutscheine, Spenden oder Prämienmeilen. Pro Euro Umsatz wird ein PAYBACK-Punkt im Wert von 1 Cent gutgeschrieben.
Die Klägerin ist der Auffassung, die Werbung mit PAYBACK-Punkten für den Kauf von Hörgeräten verstoße gegen das Verbot von Werbegaben gemäß § 7 Abs. 1 Heilmittelwerbegesetz (HWG). Sie hat die Beklagte auf Unterlassung und Erstattung von Abmahnkosten in Anspruch genommen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat das landgerichtliche Urteil teilweise abgeändert und die Beklagte auf den Hilfsantrag der Klägerin zur Unterlassung verurteilt, soweit die Gutschrift von PAYBACK-Punkten mit einem Gesamtwert von mehr als EUR 5,00 je Einkauf eines Produkts beworben beziehungsweise veranlasst wird. Hinsichtlich des Hauptantrags, der auf das Verbot einer Gutschrift von PAYBACK-Punkten im Wert von mehr als EUR 1,00 zielt, hat es die Berufung zurückgewiesen.
Das Berufungsgericht hat die Revision zugelassen. Beide Parteien haben Revision eingelegt, mit der sie jeweils ihre Anträge weiterverfolgen.
Entscheidung des Bundesgerichtshofs: Werbung für das gesamte Warensortiment kann produktbezogen sein
Die Revision der Klägerin hatte Erfolg. Der Bundesgerichtshof hat das Berufungsurteil aufgehoben, soweit es zum Nachteil der Klägerin ausgefallen war, und die Beklagte nach dem Hauptantrag zur Unterlassung und Erstattung der Abmahnkosten verurteilt. Die Revision der Beklagten blieb ohne Erfolg.
Das Berufungsgericht habe mit Recht die Werbung mit der Gutschrift von PAYBACK-Punkten für jeden Einkauf bei der Beklagten als produktbezogen und damit vom Anwendungsbereich des Heilmittelwerbegesetzes erfasst angesehen. Auch eine Werbung für das gesamte Warensortiment könne produktbezogen sein. Es genüge zudem, dass die Werbung auch auf den Absatz von Medizinprodukten gerichtet ist.
Werbegaben bei der Werbung für Heilmittel grundsätzlich verboten
Bei der Werbung für Heilmittel sei das Anbieten, Ankündigen und Gewähren von Werbegaben nach § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG verboten. Für die beanstandete Werbemaßnahme gelte keine Ausnahme.
PAYBACK-Punkte keine Ausnahme
Bei der Gutschrift von PAYBACK-Punkten handele es sich nicht um eine Werbegabe, die im Sinn des § 7 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 Nr. 2 Teilsatz 1 Buchst. a HWG in einem bestimmten oder auf bestimmte Art zu berechnenden Geldbetrag gewährt wird. Dieser Ausnahmetatbestand erfasse allein unmittelbar wirkende Preisnachlässe und Zahlungen, nicht aber Werbegaben, die - wie die mit der angegriffenen Werbung beworbene Gutschrift von PAYPACK-Punkten - erst im Rahmen von Folgetransaktionen realisiert werden können. Derlei Werbegaben begründen im Gegensatz zu zulässigen Barrabatten die Gefahr einer unsachlichen Motivation des Erstkaufs von Heilmitteln, weil nicht mit einer Preisreduktion für das gewünschte Heilmittel, sondern mit einem Vorteil beim Erwerb anderer Waren geworben wird, der in keinerlei Zusammenhang mit dem Erwerb des Heilmittels steht.
EUR 1,00 in PAYBACK-Punkten ist keine geringwertige Kleinigkeit
Solche Werbegaben seien daher nur als geringwertige Kleinigkeiten im Sinn der Ausnahmeregelung des § 7 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 Nr. 1 Halbsatz 1 Fall 2 HWG zulässig, deren Voraussetzungen hier jedoch nicht vorliegen. Unter den Begriff der geringwertigen Kleinigkeit fallen allein Gegenstände von so geringem Wert, dass eine relevante unsachliche Beeinflussung der Werbeadressaten als ausgeschlossen erscheint, so das Gericht. Bei der Beurteilung, ob eine geringwertige Kleinigkeit vorliegt, sei nicht auf den einzelnen PAYBACK-Punkt, sondern auf die Summe der für den Kauf jedes einzelnen Medizinprodukts gewährten PAYBACK-Punkte abzustellen. Unter Berücksichtigung der leichteren Beeinflussbarkeit der Werbeadressaten bei einer Publikumswerbung im Vergleich zur Fachkreiswerbung sowie des Umstands, dass die unterschiedliche Ausgestaltung von Werbegaben den Preisvergleich bei nicht preisgebundenen Arzneimitteln und Medizinprodukten für die Verbraucherinnen und Verbraucher erschwert, sei die insoweit maßgebliche Wertgrenze entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht erst bei EUR 5,00, sondern bereits bei EUR 1,00 zu ziehen.
Die Werbung für Hörgeräte mit einer Gutschrift von PAYBACK-Punkten im Gesamtwert von mehr als EUR 1,00 je Einkauf eines Produkts sei deshalb unzulässig.
(tg) - Quelle: PM Nr. 135/2025 des BGH vom 17.07.2025
Zur Sache:
Die Klägerin ist die Wettbewerbszentrale. Die Beklagte vertreibt in ihren Filialen in Deutschland Hörgeräte einer Vielzahl von Herstellern und sonstige Produkte für Hörbeeinträchtigte. Sie warb auf ihrer Internetseite mit der Gutschrift von PAYBACK-Punkten bei jedem Einkauf und der Umwandlung von PAYBACK-Punkten in Sachprämien, Gutscheine, Spenden oder Prämienmeilen. Pro Euro Umsatz wird ein PAYBACK-Punkt im Wert von 1 Cent gutgeschrieben.
Die Klägerin ist der Auffassung, die Werbung mit PAYBACK-Punkten für den Kauf von Hörgeräten verstoße gegen das Verbot von Werbegaben gemäß § 7 Abs. 1 Heilmittelwerbegesetz (HWG). Sie hat die Beklagte auf Unterlassung und Erstattung von Abmahnkosten in Anspruch genommen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat das landgerichtliche Urteil teilweise abgeändert und die Beklagte auf den Hilfsantrag der Klägerin zur Unterlassung verurteilt, soweit die Gutschrift von PAYBACK-Punkten mit einem Gesamtwert von mehr als EUR 5,00 je Einkauf eines Produkts beworben beziehungsweise veranlasst wird. Hinsichtlich des Hauptantrags, der auf das Verbot einer Gutschrift von PAYBACK-Punkten im Wert von mehr als EUR 1,00 zielt, hat es die Berufung zurückgewiesen.
Das Berufungsgericht hat die Revision zugelassen. Beide Parteien haben Revision eingelegt, mit der sie jeweils ihre Anträge weiterverfolgen.
Entscheidung des Bundesgerichtshofs: Werbung für das gesamte Warensortiment kann produktbezogen sein
Die Revision der Klägerin hatte Erfolg. Der Bundesgerichtshof hat das Berufungsurteil aufgehoben, soweit es zum Nachteil der Klägerin ausgefallen war, und die Beklagte nach dem Hauptantrag zur Unterlassung und Erstattung der Abmahnkosten verurteilt. Die Revision der Beklagten blieb ohne Erfolg.
Das Berufungsgericht habe mit Recht die Werbung mit der Gutschrift von PAYBACK-Punkten für jeden Einkauf bei der Beklagten als produktbezogen und damit vom Anwendungsbereich des Heilmittelwerbegesetzes erfasst angesehen. Auch eine Werbung für das gesamte Warensortiment könne produktbezogen sein. Es genüge zudem, dass die Werbung auch auf den Absatz von Medizinprodukten gerichtet ist.
Werbegaben bei der Werbung für Heilmittel grundsätzlich verboten
Bei der Werbung für Heilmittel sei das Anbieten, Ankündigen und Gewähren von Werbegaben nach § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG verboten. Für die beanstandete Werbemaßnahme gelte keine Ausnahme.
PAYBACK-Punkte keine Ausnahme
Bei der Gutschrift von PAYBACK-Punkten handele es sich nicht um eine Werbegabe, die im Sinn des § 7 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 Nr. 2 Teilsatz 1 Buchst. a HWG in einem bestimmten oder auf bestimmte Art zu berechnenden Geldbetrag gewährt wird. Dieser Ausnahmetatbestand erfasse allein unmittelbar wirkende Preisnachlässe und Zahlungen, nicht aber Werbegaben, die - wie die mit der angegriffenen Werbung beworbene Gutschrift von PAYPACK-Punkten - erst im Rahmen von Folgetransaktionen realisiert werden können. Derlei Werbegaben begründen im Gegensatz zu zulässigen Barrabatten die Gefahr einer unsachlichen Motivation des Erstkaufs von Heilmitteln, weil nicht mit einer Preisreduktion für das gewünschte Heilmittel, sondern mit einem Vorteil beim Erwerb anderer Waren geworben wird, der in keinerlei Zusammenhang mit dem Erwerb des Heilmittels steht.
EUR 1,00 in PAYBACK-Punkten ist keine geringwertige Kleinigkeit
Solche Werbegaben seien daher nur als geringwertige Kleinigkeiten im Sinn der Ausnahmeregelung des § 7 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 Nr. 1 Halbsatz 1 Fall 2 HWG zulässig, deren Voraussetzungen hier jedoch nicht vorliegen. Unter den Begriff der geringwertigen Kleinigkeit fallen allein Gegenstände von so geringem Wert, dass eine relevante unsachliche Beeinflussung der Werbeadressaten als ausgeschlossen erscheint, so das Gericht. Bei der Beurteilung, ob eine geringwertige Kleinigkeit vorliegt, sei nicht auf den einzelnen PAYBACK-Punkt, sondern auf die Summe der für den Kauf jedes einzelnen Medizinprodukts gewährten PAYBACK-Punkte abzustellen. Unter Berücksichtigung der leichteren Beeinflussbarkeit der Werbeadressaten bei einer Publikumswerbung im Vergleich zur Fachkreiswerbung sowie des Umstands, dass die unterschiedliche Ausgestaltung von Werbegaben den Preisvergleich bei nicht preisgebundenen Arzneimitteln und Medizinprodukten für die Verbraucherinnen und Verbraucher erschwert, sei die insoweit maßgebliche Wertgrenze entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht erst bei EUR 5,00, sondern bereits bei EUR 1,00 zu ziehen.
Die Werbung für Hörgeräte mit einer Gutschrift von PAYBACK-Punkten im Gesamtwert von mehr als EUR 1,00 je Einkauf eines Produkts sei deshalb unzulässig.
(tg) - Quelle: PM Nr. 135/2025 des BGH vom 17.07.2025
Anm. der Redaktion: Zur Thematik jüngst: OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 15.5.2025 - 6 U 347/24 - Gutscheinaktion für E-Rezept-Einlösung - http://miur.de/3482
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 17.07.2025
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/3484
// Artikel gesammelt "frei Haus"? Hier den MIR-Newsletter abonnieren
Online seit: 17.07.2025
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