Kurz notiert // Wettbewerbsrecht
Bundesgerichtshof
Payout Fee - Wettbewerbsrechtlicher Beseitigungsanspruch kann im geltenden System des kollektiven Rechtsschutz nicht (auch) die Rückzahlung zu Unrecht einbehaltener Geldbeträge an Verbraucher umfassen
BGH, Urteil vom 11.09.2024 - I ZR 168/23; Vorinstanzen: LG Rostock, 15.12.2020 - 3 O 1091/19; OLG Rostock, 15.11.2023 - 2 U 15/21
MIR 2024, Dok. 073, Rz. 1
1
Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 11.09.2024 (I ZR 168/23) entschieden, dass ein Verbraucherverband (hier vzbv) mit dem wettbewerbsrechtlichen Beseitigungsanspruch nicht (auch) die Rückzahlung aufgrund unwirksamer Allgemeiner Geschäftsbedingungen einbehaltener Geldbeträge an die betroffenen Verbraucher verlangen kann. Ein solcher Anspruch ist mit der Systematik des kollektiven Rechtsschutzes nach geltendem Recht nicht zu vereinbaren.
Zur Sache:
Der Kläger ist der Dachverband deutscher Verbraucherzentralen (vzbv). Der Beklagte veranstaltete ein Festival. Zur Bezahlung auf dem Festivalgelände konnten die Besucher ein Armband erwerben und mit Geldbeträgen aufladen. Der Beklagte bot eine Rückerstattung nicht verbrauchter Geldbeträge in seinen Nutzungsbedingungen wie folgt an: "Bei der Auszahlung des restlichen Guthabens nach dem Festival durch das Eventportal wird eine Rückerstattungsgebühr von EUR 2,50 fällig".
Der Kläger hält die Erhebung einer solchen Rückerstattungsgebühr (Payout Fee) für unlauter und nimmt den Beklagten insbesondere auf Rückzahlung der einbehaltenen Beträge an die betroffenen Verbraucher in Anspruch.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die vom Kläger eingelegte Berufung hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Anträge weiter.
Entscheidung des Bundesgerichtshofs: Kein verschuldensunabhängiger Beseitigungsanspruch mit dem Ziel der Rückzahlung nach aktueller Rechtslage möglich
Kein Beseitigungsanspruch aus § 1 UKlaG
Die zulässige Revision des Klägers hat keinen Erfolg. Ein Beseitigungsanspruch lasse sich nicht aus § 1 UKlaG herleiten. Diese Vorschrift begründe nur einen Anspruch auf Unterlassung, nicht aber auch auf Beseitigung.
Kein wettbewerbsrechtlicher Beseitigungsanspruch auf Rückzahlung
Dem Kläger stehe gegen den Beklagten auch kein Beseitigungsanspruch auf Rückzahlung der einbehaltenen Payout Fee an die betroffenen Verbraucher gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 unter dem Gesichtspunkt des Rechtsbruchs gemäß §§ 3, 3a UWG in Verbindung mit § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB zu.
Klausel zur Erhebung einer Payout Fee unwirksam - Verstoß wettbewerbsrechtlich auch spürbar
Das Berufungsgericht habe zutreffend angenommen, dass die Nutzungsbedingungen des Beklagten Allgemeine Geschäftsbedingungen sind und die darin enthaltene Klausel über die Erhebung einer Payout Fee in Höhe von EUR 2,50 bei Auszahlung nicht verbrauchten Guthabens gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam ist. Denn der Beklagte erbringte mit der Rückerstattung nicht verbrauchter Geldbeträge keine eigenständige vergütungsfähige Leistung, sondern erfülle eine ohnehin bestehende vertragliche Verpflichtung. Das Berufungsgericht habe ebenso zutreffend gemeint, dass der darin liegende Verstoß gegen §§ 3, 3a UWG geeignet sei, die Interessen von Verbrauchern spürbar zu beeinträchtigen, da diese durch die Klausel davon abgehalten werden könnten, Rückzahlungsansprüche gegenüber dem Beklagten geltend zu machen.
Systematik des kollektiven Rechtsschutzes sieht einen verschuldensabhängigen Gewinnabschöpfungsanspruch und einen verschuldensabhängigen Verbraucherschadensersatz vor - wettbewerbsrechtlicher Beseitigungsanspruch auf Rückzahlung wäre systemwidrig
Zu Recht habe das Berufungsgericht aber entschieden, dass der Kläger mit dem wettbewerbsrechtlichen Beseitigungsanspruch vom Beklagten keine Rückzahlung der aufgrund der unwirksamen Klausel einbehaltenen Payout Fee an dessen Kunden verlangen könne. Ein solcher Anspruch stehe mit der Systematik des kollektiven Rechtsschutzes nach dem geltenden Recht nicht im Einklang. Der Gesetzgeber habe im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb einen verschuldensabhängigen Gewinnabschöpfungsanspruch zu Gunsten des Bundeshaushalts und einen ebenfalls verschuldensabhängigen Verbraucherschadensersatz vorgesehen. Im Jahr 2023 habe der Gesetzgeber durch das Verbraucherrechtedurchsetzungsgesetz die Abhilfeklage eingeführt, mit der qualifizierte Verbraucherverbände gegen Unternehmer gerichtete Ansprüche von Verbrauchern auf Leistung geltend machen können. Das sich daraus ergebende Konzept des kollektiven Rechtsschutzes würde durch einen aus § 8 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 UWG abgeleiteten verschuldensunabhängigen Beseitigungsanspruch von qualifizierten Verbraucherverbänden unterlaufen, mit dem ein Unternehmer zur Rückzahlung der von ihm zu Lasten einer Vielzahl von Verbrauchern einbehaltenen Geldbeträge an die betroffenen Verbraucher verpflichtet werden könnte.
(tg) - Quelle: PM Nr. 180/2024 des BGH vom 11.09.2024
Zur Sache:
Der Kläger ist der Dachverband deutscher Verbraucherzentralen (vzbv). Der Beklagte veranstaltete ein Festival. Zur Bezahlung auf dem Festivalgelände konnten die Besucher ein Armband erwerben und mit Geldbeträgen aufladen. Der Beklagte bot eine Rückerstattung nicht verbrauchter Geldbeträge in seinen Nutzungsbedingungen wie folgt an: "Bei der Auszahlung des restlichen Guthabens nach dem Festival durch das Eventportal wird eine Rückerstattungsgebühr von EUR 2,50 fällig".
Der Kläger hält die Erhebung einer solchen Rückerstattungsgebühr (Payout Fee) für unlauter und nimmt den Beklagten insbesondere auf Rückzahlung der einbehaltenen Beträge an die betroffenen Verbraucher in Anspruch.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die vom Kläger eingelegte Berufung hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Anträge weiter.
Entscheidung des Bundesgerichtshofs: Kein verschuldensunabhängiger Beseitigungsanspruch mit dem Ziel der Rückzahlung nach aktueller Rechtslage möglich
Kein Beseitigungsanspruch aus § 1 UKlaG
Die zulässige Revision des Klägers hat keinen Erfolg. Ein Beseitigungsanspruch lasse sich nicht aus § 1 UKlaG herleiten. Diese Vorschrift begründe nur einen Anspruch auf Unterlassung, nicht aber auch auf Beseitigung.
Kein wettbewerbsrechtlicher Beseitigungsanspruch auf Rückzahlung
Dem Kläger stehe gegen den Beklagten auch kein Beseitigungsanspruch auf Rückzahlung der einbehaltenen Payout Fee an die betroffenen Verbraucher gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 unter dem Gesichtspunkt des Rechtsbruchs gemäß §§ 3, 3a UWG in Verbindung mit § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB zu.
Klausel zur Erhebung einer Payout Fee unwirksam - Verstoß wettbewerbsrechtlich auch spürbar
Das Berufungsgericht habe zutreffend angenommen, dass die Nutzungsbedingungen des Beklagten Allgemeine Geschäftsbedingungen sind und die darin enthaltene Klausel über die Erhebung einer Payout Fee in Höhe von EUR 2,50 bei Auszahlung nicht verbrauchten Guthabens gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam ist. Denn der Beklagte erbringte mit der Rückerstattung nicht verbrauchter Geldbeträge keine eigenständige vergütungsfähige Leistung, sondern erfülle eine ohnehin bestehende vertragliche Verpflichtung. Das Berufungsgericht habe ebenso zutreffend gemeint, dass der darin liegende Verstoß gegen §§ 3, 3a UWG geeignet sei, die Interessen von Verbrauchern spürbar zu beeinträchtigen, da diese durch die Klausel davon abgehalten werden könnten, Rückzahlungsansprüche gegenüber dem Beklagten geltend zu machen.
Systematik des kollektiven Rechtsschutzes sieht einen verschuldensabhängigen Gewinnabschöpfungsanspruch und einen verschuldensabhängigen Verbraucherschadensersatz vor - wettbewerbsrechtlicher Beseitigungsanspruch auf Rückzahlung wäre systemwidrig
Zu Recht habe das Berufungsgericht aber entschieden, dass der Kläger mit dem wettbewerbsrechtlichen Beseitigungsanspruch vom Beklagten keine Rückzahlung der aufgrund der unwirksamen Klausel einbehaltenen Payout Fee an dessen Kunden verlangen könne. Ein solcher Anspruch stehe mit der Systematik des kollektiven Rechtsschutzes nach dem geltenden Recht nicht im Einklang. Der Gesetzgeber habe im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb einen verschuldensabhängigen Gewinnabschöpfungsanspruch zu Gunsten des Bundeshaushalts und einen ebenfalls verschuldensabhängigen Verbraucherschadensersatz vorgesehen. Im Jahr 2023 habe der Gesetzgeber durch das Verbraucherrechtedurchsetzungsgesetz die Abhilfeklage eingeführt, mit der qualifizierte Verbraucherverbände gegen Unternehmer gerichtete Ansprüche von Verbrauchern auf Leistung geltend machen können. Das sich daraus ergebende Konzept des kollektiven Rechtsschutzes würde durch einen aus § 8 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 UWG abgeleiteten verschuldensunabhängigen Beseitigungsanspruch von qualifizierten Verbraucherverbänden unterlaufen, mit dem ein Unternehmer zur Rückzahlung der von ihm zu Lasten einer Vielzahl von Verbrauchern einbehaltenen Geldbeträge an die betroffenen Verbraucher verpflichtet werden könnte.
(tg) - Quelle: PM Nr. 180/2024 des BGH vom 11.09.2024
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 11.09.2024
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/3402
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