Rechtsprechung // Wettbewerbsrecht
OLG Karlsruhe, Urteil vom 17.12.2024 - 14 U 74/24
Steuerberatung beim Unternehmenskauf - Die Beratung und Vertretung eines Mandanten durch einen Steuerberater zu und wegen den Folgen eines (etwaig) nichtigen Unternehmenskaufs kann wettbewerbsrechtlich unzulässig sein
UWG § 2 Abs. 1 Nr. 2, § 3 Abs. 1, § 3a, § 8 Abs. 1; RDG § 2 Abs. 1, § 3 RDG, § 5 Abs 1; BGB § 1365, StBerG § 1 Abs. 1, Abs. 2; StBerG vom 19.07.2013 § 3 Satz 1 Nr. 1
Leitsätze:*1. Die Beratung eines Mandanten über die zivilrechtlichen Folgen einer (etwaigen) Nichtigkeit eines Unternehmenskaufs nach § 1365 BGB durch einen Steuerberater und die Geltendmachung von Ansprüchen bzw. die Abwehr von Gegenansprüchen im Zusammenhang mit einem (etwaig) nichtigen Unternehmenskauf können unlautere Handlungen im Sinne der §§ 3 Abs. 1, 3a UWG i. V. m. § 3 RDG darstellen, zu deren Unterlassung der Steuerberater verpflichtet ist.
2. Die rechtliche Prüfung durch einen Steuerberater, ob der Erwerb eines Unternehmens den Voraussetzungen des § 1365 BGB unterliegt und ob die in diesem Zusammenhang abgeschlossenen einzelnen Verträge insgesamt (oder teilweise) nichtig sind, stellt keine erlaubte Nebenleistung im Sinne des § 5 Abs. 1 RDG dar, denn diese Prüfung setzt profunde juristische Kenntnisse voraus, wodurch die allgemeine berufstypische Qualifikation eines Steuerberaters erheblich überschritten wird.
3. Die Geltendmachung von Rechtsfolgen einer (etwaigen) Nichtigkeit eines Unternehmenskaufs gegenüber Dritten durch einen Steuerberater ist keine erlaubte Nebenleistung im Sinne des § 5 Abs. 1 RDG, da solche Handlungen eine juristische Prüfung einschließlich Rechtsberatung voraussetzen, die ohne Weiteres von der Tätigkeit als Steuerberater abtrennbar sind und als selbstständige Dienstleistungen gleichwertig und gleichgewichtig neben die typischen Beratungsleistungen von Steuerberatern treten.
4. Bei § 3 RDG handelt es sich um eine Marktverhaltensregelung im Sinne des § 3a UWG. Die Vorschrift bezweckt, die Rechtsuchenden, den Rechtsverkehr und die Rechtsordnung vor unqualifizierten Rechtsdienstleistungen zu schützen (mit Verweis auf: BGH, Urteil vom 31.03.2016 - I ZR 88/15). Gemäß § 3 RDG ist die selbständige Erbringung außergerichtlicher Rechtsdienstleistungen nur in dem Umfang zulässig, in dem sie durch das Rechtsdienstleistungsgesetz oder durch oder aufgrund anderer Gesetze erlaubt wird.
5. Ein Steuerberater hat seine Tätigkeit auf die in § 1 StBerG genannten Rechtsgebiete zu beschränken und darf sich grundsätzlich nicht mit Fragen allgemein-rechtlicher Art, die nicht unmittelbar zu dem Wirkungskreis der dort genannten Rechtsgebiete gehören, darf er sich grundsätzlich nicht befassen (mit Hinweis auf: BGH, Urteil vom 30.09.1999 - IX ZR 139/98).
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 05.06.2025
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/3474
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
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