Kurz notiert // Zivilrecht
Bundesgerichtshof
Nach Zustimmung zu einer Mieterhöhung steht dem Mieter kein fernabsatzrechtliches Widerrufsrecht zu
BGH, Urteil vom 17.10.2018 - VIII ZR 94/17; Vorinstanz: AG Pankow-Weißensee, 05.08.2016 - 6 C 64/16; LG Berlin, 10.03.2017 - 63 S 248/16
MIR 2018, Dok. 045, Rz. 1
1
Der Bundesgerichtshofs hat mit Urteil vom 17.10.2018 (VIII ZR 94/17) entschieden, dass die - brieflich erklärte - Zustimmung eines Mieters zur einer - brieflich geforderten - Mieterhöhung gemäß § 558b Abs. 1 BGB nicht in den Anwendungsbereich des Verbraucherwiderrufs bei Fernabsatzverträgen fällt; dem Mieter stehe deswegen kein Widerrufsrecht zu.
Zur Sache
Der Kläger ist Mieter einer Wohnung der Beklagten in Berlin. Im Juli 2015 forderte die Beklagte unter Bezugnahme auf den Berliner Mietspiegel brieflich auf, einer (näher erläuterten) Erhöhung der Netto-Kaltmiete von EUR 807,87 auf EUR 929,15 zuzustimmen. Dem kam der Kläger zwar zunächst nach, erklärte jedoch kurz darauf den Widerruf seiner Zustimmung. Anschließend entrichtete er von Oktober 2015 bis Juli 2016 die monatlich um EUR 121,18 erhöhte Miete lediglich unter Vorbehalt. Mit seiner Klage verlangt er die Rückzahlung der für diese zehn Monate entrichteten Erhöhungsbeträge von insgesamt EUR 1.211,80 sowie die Feststellung, dass sich die Netto-Kaltmiete der von ihm gemieteten Wohnung nicht erhöht habe.
Die Klage hat in den Vorinstanzen keinen Erfolg gehabt. Dabei ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass im Grundsatz auch bei Zustimmungserklärungen des Mieters zu Mieterhöhungsverlangen (§ 558a Abs. 1, § 558b Abs. 1 BGB) ein fernabsatzrechtliches Widerrufsrecht des Verbrauchers bestehe. Im vorliegenden Fall fehle es jedoch an einem im Fernabsatz geschlossenen Verbrauchervertrag (§ 312c Abs. 1 BGB). Denn die Mieterhöhungsvereinbarung zwischen dem Kläger als Verbraucher und der Beklagten, die gewerblich Wohnungen vermiete, sei zwar unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln (Brief), nicht jedoch "im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems" (§ 312c Abs. 1 Halbs. 2 BGB) getroffen worden. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.
Entscheidung des Bundesgerichtshofs: Anwendungsbereich des Verbraucherwiderrufs bei Fernabsatzverträgen nicht eröffnet
Der Bundesgerichtshof (VIII. Zivilsenat) hat die Revision zurückgewiesen und entschieden, dass die gemäß § 558b Abs. 1 BGB erklärte Zustimmung des Mieters zu einem Mieterhöhungsverlangen des Vermieters nach § 558 Abs. 1, § 558a Abs. 1 BGB vom Anwendungsbereich des Verbraucherwiderrufs bei Fernabsatzverträgen nicht erfasst sei; dem Mieter stehe ein dahingehendes Widerrufsrecht nicht zu.
§ 312 Abs. 4 Satz 1 BGB umfasst nicht die Zustimmungserklärung zur Mieterhöhung
Der Wortlaut des § 312 Abs. 4 Satz 1 BGB erstrecke das Widerrufsrecht zwar auf "Verträge über die Vermietung von Wohnraum". Der Anwendungsbereich dieser Vorschrift jedoch sei dahingehend einschränkend auszulegen, dass ein Widerrufsrecht des Mieters bei einer Zustimmungserklärung zu einer vom Vermieter verlangten Erhöhung der Miete nach den §§ 558 ff. BGB nicht gegeben ist. Dies folge aus dem Regelungszweck sowohl der Bestimmungen über die Mieterhöhung bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete (§§ 558 ff. BGB) als auch der Bestimmungen über das Widerrufsrecht des Verbrauchers bei Fernabsatzverträgen.
Schutz des Mieters bereits durch §§ 558 ff. BGB ausreichend gewährleistet
Denn mit dem in § 312 Abs. 4 Satz 1 BGB vorgesehenen Widerrufsrecht des Mieters einer Wohnung solle Fehlentscheidungen aufgrund der Gefahr psychischen Drucks sowie dem typischerweise bestehenden Informationsdefizit des Mieters begegnet werden. Dieser Zielsetzung des Gesetzes tragen nach Ansicht des Bundesgerichtshofs aber bei Mieterhöhungen bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete die in den §§ 558 ff. BGB vorgesehenen Bestimmungen zum Schutz des Mieters bereits uneingeschränkt Rechnung. Gemäß § 558a Abs. 1 BGB sei das (in Textform zu erklärende) Mieterhöhungsverlangen vom Vermieter zu begründen. Damit solle dem Mieter die Möglichkeit gegeben werden, die sachliche Berechtigung des Erhöhungsverlangens zu überprüfen. Schon dadurch könne der Mieter seinen rechtsgeschäftlichen Willen ohne ein Informationsdefizit und außerhalb einer etwaigen Drucksituation bilden. Außerdem räume das Gesetz dadurch, dass der Vermieter frühestens nach Ablauf des zweiten Kalendermonats nach Zugang des Mieterhöhungsverlangens auf Erteilung der Zustimmung klagen kann (§ 558b Abs. 2 BGB), dem Mieter eine angemessene Überlegungsfrist ein, innerhalb derer er sich entscheiden kann, ob und gegebenenfalls inwieweit er der Mieterhöhung zustimmt. Somit sei bereits durch die Bestimmungen der §§ 558 ff. BGB sichergestellt, dass der Sinn und Zweck der verbraucherschützenden Regelungen für Vertragsabschlüsse im Fernabsatz erfüllt ist.
Die Rechtsprechung des Senats zum Widerrufsrecht des Mieters bei außerhalb von Geschäftsräumen (früher: in einer Haustürsituation) geschlossenen Verbraucherverträgen zwischen einem Vermieter und einem Mieter (BGH, Urteil vom 17.05.2017 – VIII ZR 29/16) bleibt von dieser Entscheidung indes unberührt.
(tg) - Quelle: PM Nr. 168/2018 des BGH vom 17.10.2018
Zur Sache
Der Kläger ist Mieter einer Wohnung der Beklagten in Berlin. Im Juli 2015 forderte die Beklagte unter Bezugnahme auf den Berliner Mietspiegel brieflich auf, einer (näher erläuterten) Erhöhung der Netto-Kaltmiete von EUR 807,87 auf EUR 929,15 zuzustimmen. Dem kam der Kläger zwar zunächst nach, erklärte jedoch kurz darauf den Widerruf seiner Zustimmung. Anschließend entrichtete er von Oktober 2015 bis Juli 2016 die monatlich um EUR 121,18 erhöhte Miete lediglich unter Vorbehalt. Mit seiner Klage verlangt er die Rückzahlung der für diese zehn Monate entrichteten Erhöhungsbeträge von insgesamt EUR 1.211,80 sowie die Feststellung, dass sich die Netto-Kaltmiete der von ihm gemieteten Wohnung nicht erhöht habe.
Die Klage hat in den Vorinstanzen keinen Erfolg gehabt. Dabei ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass im Grundsatz auch bei Zustimmungserklärungen des Mieters zu Mieterhöhungsverlangen (§ 558a Abs. 1, § 558b Abs. 1 BGB) ein fernabsatzrechtliches Widerrufsrecht des Verbrauchers bestehe. Im vorliegenden Fall fehle es jedoch an einem im Fernabsatz geschlossenen Verbrauchervertrag (§ 312c Abs. 1 BGB). Denn die Mieterhöhungsvereinbarung zwischen dem Kläger als Verbraucher und der Beklagten, die gewerblich Wohnungen vermiete, sei zwar unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln (Brief), nicht jedoch "im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems" (§ 312c Abs. 1 Halbs. 2 BGB) getroffen worden. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.
Entscheidung des Bundesgerichtshofs: Anwendungsbereich des Verbraucherwiderrufs bei Fernabsatzverträgen nicht eröffnet
Der Bundesgerichtshof (VIII. Zivilsenat) hat die Revision zurückgewiesen und entschieden, dass die gemäß § 558b Abs. 1 BGB erklärte Zustimmung des Mieters zu einem Mieterhöhungsverlangen des Vermieters nach § 558 Abs. 1, § 558a Abs. 1 BGB vom Anwendungsbereich des Verbraucherwiderrufs bei Fernabsatzverträgen nicht erfasst sei; dem Mieter stehe ein dahingehendes Widerrufsrecht nicht zu.
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Schutz des Mieters bereits durch §§ 558 ff. BGB ausreichend gewährleistet
Denn mit dem in § 312 Abs. 4 Satz 1 BGB vorgesehenen Widerrufsrecht des Mieters einer Wohnung solle Fehlentscheidungen aufgrund der Gefahr psychischen Drucks sowie dem typischerweise bestehenden Informationsdefizit des Mieters begegnet werden. Dieser Zielsetzung des Gesetzes tragen nach Ansicht des Bundesgerichtshofs aber bei Mieterhöhungen bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete die in den §§ 558 ff. BGB vorgesehenen Bestimmungen zum Schutz des Mieters bereits uneingeschränkt Rechnung. Gemäß § 558a Abs. 1 BGB sei das (in Textform zu erklärende) Mieterhöhungsverlangen vom Vermieter zu begründen. Damit solle dem Mieter die Möglichkeit gegeben werden, die sachliche Berechtigung des Erhöhungsverlangens zu überprüfen. Schon dadurch könne der Mieter seinen rechtsgeschäftlichen Willen ohne ein Informationsdefizit und außerhalb einer etwaigen Drucksituation bilden. Außerdem räume das Gesetz dadurch, dass der Vermieter frühestens nach Ablauf des zweiten Kalendermonats nach Zugang des Mieterhöhungsverlangens auf Erteilung der Zustimmung klagen kann (§ 558b Abs. 2 BGB), dem Mieter eine angemessene Überlegungsfrist ein, innerhalb derer er sich entscheiden kann, ob und gegebenenfalls inwieweit er der Mieterhöhung zustimmt. Somit sei bereits durch die Bestimmungen der §§ 558 ff. BGB sichergestellt, dass der Sinn und Zweck der verbraucherschützenden Regelungen für Vertragsabschlüsse im Fernabsatz erfüllt ist.
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(tg) - Quelle: PM Nr. 168/2018 des BGH vom 17.10.2018
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 18.10.2018
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/2890
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