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Kurz notiert // Wettbewerbsrecht



Oberlandesgericht Frankfurt a.M.

Medizinisches Cannabis - Werbung eines Vermittlungsportals für ärztliche Behandlungen untersagt

OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 06.03.2025 - 6 U 74/24 - Vorinstanz: LG Frankfurt a.M., 27.2.2024 - 3-08 O 540/23

MIR 2025, Dok. 020, Rz. 1


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Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat mit Entscheidung vom 06.03.2025 (6 U 74/24) einem Portalbetreiber u.a. sogenannte Laienwerbung für medizinisches Cannabis und die Durchführung eines Servicevertrages mit einer verdeckten Provision für die Vermittlung von Patienten untersagt. Es läge insoweit ein Verstoß gegen ärztliches Berufsrecht, das Werbeverbot für Fernbehandlungen (§ 9 Satz 1 HWG) und das sogenannte Laienwerbeverbot vor (§ 10 Abs. 1 HWG).

Zur Sache

Die Beklagte betreibt im Internet ein Vermittlungsportal, auf dem Kunden ihr Interesse an einer ärztlichen Behandlung mit medizinischem Cannabis anmelden können. Sie präsentiert dort den Kunden Ärzte, mit denen der einzelne Kunde einen Behandlungstermin vereinbaren kann. Die Serviceleistungen der Beklagten wurden von mindestens einem ihrer Kooperationsärzte entsprechend der von ihr vorgegebenen Vergütungsregelung mit einem zu hohen prozentualen Anteil des ärztlichen Honorars vergütet. Schon das Landgericht ging daher von einer verdeckten Vermittlungsprovision aus.

Der Kläger hält die Werbung und das Verhalten der Beklagten unter mehreren Aspekten für wettbewerbswidrig. Das Landgericht hat die Beklagte u.a. verurteilt, es zu unterlassen, bestimmte Werbeaussagen im Zusammenhang mit der medizinischen Cannabis-Behandlung zu tätigen und den Ärzten konkrete Raumnutzungs- und Serviceverträge zur Verfügung zu stellen.

Entscheidung des Gerichts: Zumindest teilweise unzulässiges Entgelt für die Zuweisung von Patienten

Das OLG Frankfurt a.M. hat den hiergegen eingelegten wechselseitigen Berufungen teilweise stattgegeben. Zu Recht habe das Landgericht die Beklagte verpflichtet, die Umsetzung von Raumnutzungs- und Serviceleistungsverträgen mit ihren Kooperationsärzten zu unterlassen, nach deren Vergütungsregelung ihr ein prozentualer Anteil am ärztlichen Honorar für die Behandlung jedes einzelnen Patienten zusteht. Da dieser Vergütungsanteil zumindest teilweise als Entgelt für die Zuweisung von Patienten zu den Ärzten über das Portal der Beklagten anzusehen sei, liege ein von der Beklagten unterstützter Verstoß gegen ärztliches Berufsrecht vor.

Verstoß gegen Werbeverbot für Fernbehandlungen

Das Landgericht habe der Beklagten auch zu Recht untersagt, für eine ärztliche Behandlung mit medizinischem Cannabis mit dem Slogan zu werben: "Ärztliches Erstgespräch vor Ort oder digital". Diese Werbung verstoße gegen das Werbeverbot für Fernbehandlungen (§ 9 Satz 1 HWG). Sie sei auch nicht ausnahmsweise zulässig. Ein erheblicher Teil des angesprochenen Verkehrs verstehe die Werbung dahin, die Erstbehandlung mit medizinischem Cannabis könne alternativ bzw. gleichwertig digital erfolgen. Dies sei zum Zeitpunkt der Werbung nach dem seinerzeit noch geltenden Betäubungsmittelrecht aber nicht zulässig gewesen. Die darlegungs- und beweisbelastete Beklagte habe nicht aufgezeigt, dass ein persönlicher ärztlicher Erstkontakt nach heutigen fachlichen Standards nicht mehr geboten sei.

Verstoß gegen sogenanntes Laienwerbeverbot: Werbung zielt auf Beeinflussung der Nachfrageentscheidung der Verbraucher nach medizinischem Cannabis

Schließlich seien - entgegen der Ansicht des Landgerichts - auch Teile der Werbung für eine Behandlung mit medizinischem Cannabis verboten. Zwar liege seit Anfang April 2024 kein Verstoß mehr gegen das Betäubungsmittelgesetz vor. Teile der Werbung verstießen aber gegen das sogenannte Laienwerbeverbot (§ 10 Abs. 1 HWG). Eine "Werbung für Arzneimittel" stellten nämlich auch Maßnahmen dar, die die Verschreibung, die Abgabe, den Verkauf oder Verbrauch von unbestimmten Arzneimitteln fördern sollten. Die Werbung der Beklagten sei insoweit keine bloße Information zu Cannabis oder reine Unternehmenswerbung, sondern produktbezogene Werbung für verschreibungspflichtige Arzneimittel. Dass die Beklagte medizinisches Cannabis dabei nicht selbst anbiete, sei unerheblich. Der Werbende müsse kein unmittelbares Eigeninteresse am Vertrieb des beworbenen Arzneimittels haben. Die Beklagte habe ersichtlich die Absicht gehabt, durch ihre Werbung (zumindest auch) die Verschreibung und den Absatz von medizinischem Cannabis zu fördern. Dass die Entscheidung, Cannabis zu verschreiben, ausschließlich bei den Kooperationsärzten der Beklagten liege, stehe der Annahme unzulässiger Arzneimittelwerbung nicht entgegen. Die Mitgliedstaaten der EU seien grundsätzlich kraft Richtlinie verpflichtet, Öffentlichkeitswerbung für verschreibungspflichtige Arzneimittel schlechthin zu verbieten. Außerdem ziele die hier streitgegenständliche Werbung gerade darauf ab, die Nachfrageentscheidung von Verbrauchern nach medizinischem Cannabis zu beeinflussen.

Das Gericht hat hinsichtlich des Verstoßes gegen das Laienwerbeverbot die Revision zugelassen. Im Übrigen besteht die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde.

(tg) - Quelle: PM Nr. 13/2025 des OLG Frankfurt a.M. vom 07.03.2025

Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 07.03.2025
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/3454
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