Rechtsprechung // Wettbewerbsrecht
BGH, Urteil vom 10.10.2024 - I ZR 108/22
Hautfreundliches Desinfektionsmittel II - Die Bezeichnung eines Biozidprodukts als 'Hautfreundlich' fällt als 'ähnlicher Hinweis' unter das Verbot nach Art. 72 Abs. 3 Satz 2 Biozid-VO
Verordnung VO (EU) Nr. 528/2012 Art. 72 Abs. 3 Satz 2; UWG § 3a; UWG 8 Abs. 3 Nr. 2 a.F.
Leitsätze:*1. Der Begriff "ähnliche Hinweise" im Sinne des Art. 72 Abs. 3 Satz 2 der Verordnung VO (EU) Nr. 528/2012 umfasst jeden Hinweis in der Werbung für Biozidprodukte, der - wie die in dieser Bestimmung genannten Angaben - diese Produkte in einer Art und Weise darstellt, die hinsichtlich der Risiken dieser Produkte für die Gesundheit von Mensch oder Tier oder für die Umwelt oder ihrer Wirksamkeit irreführend ist, indem er diese Risiken verharmlost oder sogar negiert, ohne jedoch zwingend allgemeinen Charakter zu haben (Anschluss an EuGH, Urteil vom 20. Juni 2024 - C-296/23, GRUR 2024, 1226 [juris Rn. 48] - dm-Drogerie Markt).
2. Den in Art. 72 Abs. 3 Satz 2 Biozid-VO genannten Angaben einschließlich der "ähnlichen Hinweise" liegt eine abstrakte Irreführungsgefahr zugrunde, die das Verbot entsprechender Werbeaussagen rechtfertigt. Auf eine konkrete Irreführung im Einzelfall kommt es nicht an.
3. Die Bezeichnung eines Biozidprodukts als "Hautfreundlich" stellt eine Angabe dar, die als "ähnlicher Hinweis" unter das Verbot des Art. 72 Abs. 3 Satz 2 der Verordnung VO (EU) Nr. 528/2012 fällt.
4. Die Vorschrift des Art. 72 Abs. 3 Satz 2 Biozid-VO ist eine Marktverhaltensregelung im Sinne von § 3a UWG. Die Vorschrift regelt das Verhalten der Unternehmer betreffend die Werbung für Biozidprodukte zum Schutz der Gesundheit und damit im Interesse der Verbraucher. Verstöße gegen Marktverhaltensregelungen, die den Schutz der Gesundheit der Verbraucher bezwecken, sind ohne weiteres geeignet, die Interessen der Verbraucher im Sinne von § 3a UWG spürbar zu beeinträchtigen (vgl. BGH, Beschluss vom 24.04.2016 - I ZR 243/14 - Bio-Gewürze I, mwN).
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 17.10.2024
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/3413
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
// Artikel gesammelt "frei Haus"? Hier den MIR-Newsletter abonnieren
AG Bonn, Urteil vom 09.05.2018 - 111 C 136/17, MIR 2018, Dok. 036
Identitätsdiebstahl II - Eine unzulässige geschäftliche Handlung nach Nr. 29 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG kann nur dann angenommen werden, wenn eine nicht bestellte Ware oder Dienstleistung tatsächlich geliefert bzw. erbracht wurde
BGH, Urteil vom 20.10.2021 - I ZR 17/21, MIR 2022, Dok. 002
Pflichtangaben in Immobilienanzeigen - Für die Unterlassungsklage eines Verbraucherverbandes gegen ein Maklerunternehmen wegen eines Verstoßes gegen § 87 Abs. 1 GEG kann ein Gebührenstreitwert von EUR 30.000,00 angemessen sein
OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 14.12.2022 - 6 W 77/22, MIR 2023, Dok. 008
Versicherungsberatung mit Erfolgshonorar - Registrierten Versicherungsberatern ist die Vereinbarung eines Erfolgshonorars (hier ersparte hälftige jährliche Prämiendifferenz) für ihre Tätigkeit verboten und eine Werbung damit wettbewerbswidrig
BGH, Versäumnisurteil vom 02.10.2019 - I ZR 19/19, MIR 2020, Dok. 002
Kein DSGVO-Schadenersatz wegen Werbebrief für Versicherungsprodukte - Für die Rechtmäßigkeit einer (postalischen) Direktwerbung ist nicht Voraussetzung, dass bereits eine Kundenbeziehung besteht
OLG Stuttgart, Urteil vom 02.02.2024 - 2 U 63/22, MIR 2024, Dok. 083



