Rechtsprechung // Markenrecht
BGH, Urteil vom 28.05.2020 - I ZR 253/16
Deutscher Balsamico II – Zur Anspielung auf eine geschützte geografische Angabe
Verordnung (EG) Nr. 583/2009 Art. 1; Verordnung (EU) Nr. 1151/2012 Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. b und c; MarkenG § 135 Abs. 1
Leitsätze:*1. Das für die Bestimmung des Begriffs der Anspielung im Sinne des Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. b der Grundverordnung maßgebliche Kriterium ist, ob der Verbraucher durch eine streitige Bezeichnung veranlasst wird, einen unmittelbaren gedanklichen Bezug zu der Ware herzustellen, die die geschützte geografische Angabe trägt. Hingegen reicht es für die Annahme einer Anspielung im Sinne von Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. b der Grundverordnung nicht aus, wenn der streitige Bestandteil des fraglichen Zeichens bei den angesprochenen Verkehrskreisen eine irgendwie geartete Assoziation mit der geschützten geografischen Angabe oder dem zugehörigen geografischen Gebiet hervorruft, weil dadurch kein hinreichend unmittelbarer und eindeutiger Zusammenhang zwischen dem streitigen Bestandteil und der geschützten geografischen Angabe hergestellt wird (vgl. EuGH, Urteil vom 07.06.2018 - C-44/17 - Scotch Whisky Association; EuGH, Urteil vom 02.05.2019 - C-614/17 - Queso Manchego; BGH, Urteil vom 12.12.2019 - I ZR 21/19, MIR 2020, Dok. 011 - Culatello di Parma). Bei der Prüfung ist zu berücksichtigen, ob die geschützte geografische Angabe in die streitige Bezeichnung teilweise eingeschlossen ist, ob eine klangliche und/oder visuelle Ähnlichkeit zwischen der geschützten geografischen Angabe und der streitigen Bezeichnung besteht oder ob - wenn es an den vorgenannten Umständen fehlt - eine inhaltliche Nähe der streitigen Bezeichnung zu der geschützten geografischen Angabe vorliegt (EuGH, Urteil vom 07.06.2018 - C-44/17 - Scotch Whisky Association). Eine Anspielung kann nicht nur durch Wortbestandteile der streitigen Bezeichnung hervorgerufen werden, sondern auch durch die Verwendung von Bildzeichen, die eine begriffliche Nähe zu einer eingetragenen Bezeichnung aufweisen (vgl. EuGH, Urteil vom 02.05.2019 - C-614/17 - Queso Manchego).
2. Der Umstand, dass sich der Schutz einer geschützten geografischen Angabe (hier: "Aceto Balsamico di Modena") nicht auf die Verwendung ihrer einzelnen nicht geografischen Bestandteile (hier: "Aceto", "Balsamico", "Aceto Balsamico") in einer Produktbezeichnung erstreckt, entbindet nicht von der Prüfung, ob eine angegriffene Produktaufmachung unter Berücksichtigung ihrer weiteren sprachlichen und bildlichen Gestaltungsmerkmale eine Anspielung im Sinne von Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 1151/2012 darstellt.
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 01.07.2020
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/2997
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