Rechtsprechung // Wettbewerbsrecht
Bundesgerichtshof
Das hautfreundliche und ökologische Universal-Breitband Desinfektionsmittel? - Werbung für ein Desinfektionsmittel mit der Angabe 'Hautfreundlich' ist unzulässig
BGH, Urteil vom 10.10.2024 - I ZR 108/22; Vorinstanzen: LG Karlsruhe, 25.03.2021 - 14 O 61/20 KfH; OLG Karlsruhe, 08.06.2022 - 6 U 95/21
MIR 2024, Dok. 081, Rz. 1
1
Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 10.10.2024 (I ZR 108/22) entschieden, dass die Verwendung der Angabe "Hautfreundlich" in der Werbung für ein Desinfektionsmittel unzulässig ist. Die Angabe sei geeignet, die Risiken des Biozidprodukts zu verharmlosen und stelle einen Verstoß gegen Art. 72 Abs. 3 Satz 2 Biozidverordnung dar.
Zur Sache
Die Klägerin ist die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs. Die Beklagte ist eine bundesweit tätige Drogeriemarktkette. Sie bot ein Desinfektionsmittel zum Verkauf an, bei dem es sich um ein Biozidprodukt im Sinne der Biozidverordnung handelt. Auf dem Etikett des Produkts befinden sich die Angaben: "Ökologisches Universal-Breitband Desinfektionsmittel" sowie "Hautfreundlich - Bio - ohne Alkohol".
Die Klägerin hält die Angabe wegen eines Verstoßes gegen die Biozidverordnung für unlauter. Sie nimmt die Beklagte auf Unterlassung und Ersatz vorgerichtlicher Abmahnkosten in Anspruch.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht das erstinstanzliche Urteil teilweise abgeändert und den Unterlassungsantrag hinsichtlich der Angabe "Hautfreundlich" abgewiesen.
Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin den Unterlassungsantrag hinsichtlich der Werbeaussage "Hautfreundlich" weiter.
Der Bundesgerichtshof hat das Verfahren mit Beschluss vom 20.04.2023 ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union eine Frage zur Auslegung von Art. 72 Abs. 3 Satz 2 der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 (Biozidverordnung) zur Vorabentscheidung vorgelegt. Dieser hat die Frage mit Urteil vom 20.06.2024 (C-296/23, MIR 2024, Dok. 050 - dm-drogerie markt) beantwortet.
Entscheidung des Bundesgerichtshofs: Angabe "hautfreundlich" ist verharmlosend - "ähnlicher Hinweis" im Sinne von Art. 72 Abs. 3 Satz 2 Biozidverordnung
Die Revision hatte Erfolg. Der Bundesgerichtshof hat das Berufungsurteil aufgehoben, soweit es zum Nachteil der Klägerin ausgefallen war und die stattgebende Entscheidung des Landgerichts wiederhergestellt. Die Angabe "Hautfreundlich" zur Bezeichnung eines Desinfektionsmittels falle entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts als "ähnlicher Hinweis" unter das Verbot des Art. 72 Abs. 3 Satz 2 der Biozidverordnung. Der Klägerin stehe daher unter dem Gesichtspunkt des Rechtsbruchs gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 3 Abs. 1, § 3a UWG ein Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte zu. Die Angabe "Hautfreundlich" hebe eine positive Eigenschaft des beworbenen Desinfektionsmittels hervor und sei dadurch geeignet, die Risiken des Biozidprodukts zu verharmlosen. Die Betonung der positiven Eigenschaft stehe zudem im Widerspruch zu dem von der Biozidverordnung verfolgten Ziel, den Einsatz von Biozidprodukten zu minimieren.
(tg) - Quelle: PM Nr. 194/2024 des BGH vom 10.10.2024
Zur Sache
Die Klägerin ist die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs. Die Beklagte ist eine bundesweit tätige Drogeriemarktkette. Sie bot ein Desinfektionsmittel zum Verkauf an, bei dem es sich um ein Biozidprodukt im Sinne der Biozidverordnung handelt. Auf dem Etikett des Produkts befinden sich die Angaben: "Ökologisches Universal-Breitband Desinfektionsmittel" sowie "Hautfreundlich - Bio - ohne Alkohol".
Die Klägerin hält die Angabe wegen eines Verstoßes gegen die Biozidverordnung für unlauter. Sie nimmt die Beklagte auf Unterlassung und Ersatz vorgerichtlicher Abmahnkosten in Anspruch.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht das erstinstanzliche Urteil teilweise abgeändert und den Unterlassungsantrag hinsichtlich der Angabe "Hautfreundlich" abgewiesen.
Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin den Unterlassungsantrag hinsichtlich der Werbeaussage "Hautfreundlich" weiter.
Der Bundesgerichtshof hat das Verfahren mit Beschluss vom 20.04.2023 ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union eine Frage zur Auslegung von Art. 72 Abs. 3 Satz 2 der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 (Biozidverordnung) zur Vorabentscheidung vorgelegt. Dieser hat die Frage mit Urteil vom 20.06.2024 (C-296/23, MIR 2024, Dok. 050 - dm-drogerie markt) beantwortet.
Entscheidung des Bundesgerichtshofs: Angabe "hautfreundlich" ist verharmlosend - "ähnlicher Hinweis" im Sinne von Art. 72 Abs. 3 Satz 2 Biozidverordnung
Die Revision hatte Erfolg. Der Bundesgerichtshof hat das Berufungsurteil aufgehoben, soweit es zum Nachteil der Klägerin ausgefallen war und die stattgebende Entscheidung des Landgerichts wiederhergestellt. Die Angabe "Hautfreundlich" zur Bezeichnung eines Desinfektionsmittels falle entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts als "ähnlicher Hinweis" unter das Verbot des Art. 72 Abs. 3 Satz 2 der Biozidverordnung. Der Klägerin stehe daher unter dem Gesichtspunkt des Rechtsbruchs gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 3 Abs. 1, § 3a UWG ein Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte zu. Die Angabe "Hautfreundlich" hebe eine positive Eigenschaft des beworbenen Desinfektionsmittels hervor und sei dadurch geeignet, die Risiken des Biozidprodukts zu verharmlosen. Die Betonung der positiven Eigenschaft stehe zudem im Widerspruch zu dem von der Biozidverordnung verfolgten Ziel, den Einsatz von Biozidprodukten zu minimieren.
(tg) - Quelle: PM Nr. 194/2024 des BGH vom 10.10.2024
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 10.10.2024
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/3410
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
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