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Rechtsprechung // Presserecht



BGH, Urteil vom 25.06.2024 - VI ZR 64/23

Presserechtliches Informationsschreiben nach Opt-Out - Zum Eingriff in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb durch Übersendung presserechtlicher Informationsschreibens

BGB §§ 823 Abs 1, 1004 Abs 1 Satz 2

Leitsätze:*

1. Die Übersendung eines presserechtlichen Informationsschreibens an ein Presseunternehmen stellt grundsätzlich nur dann einen unmittelbaren Eingriff in dessen Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb dar, wenn es zuvor durch ein sogenanntes Opt-Out zu verstehen gegeben hat, dass es die Zusendung solcher Schreiben nicht wünscht (Weiterführung Senatsurteil vom 15. Januar 2019 - VI ZR 506/17, AfP 2019, 40).

2. Der Schutz des § 823 Abs. 1 BGB wird gegen jede Beeinträchtigung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb gewährt, wenn die Störung einen unmittelbaren Eingriff in den gewerblichen Tätigkeitskreis darstellt. Durch den gewährten Schutz soll das Unternehmen in seiner wirtschaftlichen Tätigkeit und in seinem Funktionieren vor widerrechtlichen Eingriffen bewahrt bleiben. Die Verletzungshandlung muss sich gerade gegen den Betrieb und seine Organisation oder gegen die unternehmerische Entscheidungsfreiheit richten und über eine bloße Belästigung oder eine sozial übliche Behinderung hinausgehen (vgl. BGH, Urteil vom 14.01.2020 - VI ZR 496/18; BGH, Urteil vom 26.11.2019 - VI ZR 12/19; BGH, Urteil vom 15.01.2019 - VI ZR 506/17; BGH, Urteil vom 21.04.1998 - VI ZR 196/97; BGH, Urteil vom 06.02.2014 - I ZR 75/13 - Aufruf zur Kontokündigung; BGH, Urteil vom 28.02.2013 - I ZR 237/11 - Vorbeugende Unterwerfungserklärung). Bei Presseunternehmen sind dabei durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG grundrechtlich gewährte Rechtspositionen zu berücksichtigen (BGH vom 15.01.2019 - VI ZR 506/17).

3. Die Übermittlung sogenannter presserechtlicher Informationsschreiben ist normalerweise betriebsbezogen, weil sie unmittelbar auf eine Beeinflussung der redaktionellen Tätigkeit des Presseunternehmens abzielt. Sie führt in der Regel auch nicht nur zu einer bloßen Belästigung, weil bereits die Sichtung des Schreibens unmittelbar nach dem Eingang und die Weiterleitung innerhalb des Verlags zusätzlichen Arbeitsaufwand verursachen kann und darüber hinaus nicht immer auf den ersten Blick erkennbar ist und daher der Prüfung bedarf, was Inhalt und Gegenstand des Schriftstücks ist (vgl. BGH, Urteil vom 15.01.2019 - VI ZR 506/17). Für die Annahme eines unmittelbaren Eingriffs in den gewerblichen Tätigkeitskreis eines Presseunternehmens reicht dies jedoch nicht aus. Erforderlich ist vielmehr grundsätzlich zusätzlich, dass das Presseunternehmen zuvor erklärt hat, keine Schreiben dieser Art (mehr) erhalten zu wollen (sogenanntes Opt-Out), so dass die Behinderung auch keine sozial übliche mehr ist.

4. Nicht jedes über eine Belästigung hinausgehende Verhalten stellt immer einen Eingriff in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb dar. Vielmehr muss das den Betriebsablauf störende Verhalten eine gewisse Intensität und Qualität erreichen, woran es bei sozialer Üblichkeit der Behinderung fehlen kann. Erforderlich ist eine Schadensgefahr, die geeignet ist, den Betrieb in empfindlicher Weise zu beeinträchtigen (vgl. BGH, Urteil vom 21.04.1998 - VI ZR 196/97; BGH; Urteil vom 29.01.1985 - VI ZR 130/83). Bei der Beurteilung dessen darf der Aufgabenbereich des jeweiligen Gewerbebetriebs nicht unberücksichtigt bleiben. Ein Presseunternehmen erhält Informationen und Meinungsbekundungen nicht nur auf gezielte Recherche, sondern auch ungefragt. Diese können sich sowohl auf eine bereits erfolgte als auch auf eine mögliche künftige Berichterstattung beziehen. Mit ihnen kann der Absender auch das Ziel verfolgen, auf den Inhalt einer Berichterstattung Einfluss zu nehmen. Zur typischen Tätigkeit eines Presseunternehmens gehört es, diese Zusendungen auszuwerten und solche, die aus seiner Sicht nutzlos sind, auszusortieren. Die ungefragte Übermittlung von Schreiben, die sich auf die Pressetätigkeit beziehen, stellt deshalb trotz des Aufwands, der mit ihrer Sichtung verbunden sein kann, für sich genommen grundsätzlich noch keinen unmittelbaren Eingriff in den Gewerbebetrieb dar.

MIR 2024, Dok. 074


Anm. der Redaktion: Leitsatz 1 ist der amtliche Leitsatz des Gerichts.
Download: Entscheidungsvolltext PDF

Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 12.09.2024
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/3403

*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.

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