Rechtsprechung // Wettbewerbsrecht
BGH, Urteil vom 02.05.2024 - I ZR 12/23
Tierkrankenwagen - Eine ausschließlich mildtätige und/oder gemeinnützige Tätigkeit ohne erwerbswirtschaftliche Ziele ist grundsätzlich nicht als geschäftliche Handlung anzusehen
BGB §§ 241 Abs. 2, 280 Abs. 1; UWG § 2 Abs. 1 Nr. 2
Leitsätze:*1. Jedenfalls bei einer Verletzung vertraglicher Rücksichtnahmepflichten im Sinne des § 241 Abs. 2 BGB, durch die die Erreichung des Vertragszwecks bedroht wird, kann aus § 280 Abs. 1 BGB nicht nur Schadensersatz, sondern im Falle des Bestehens einer Erstbegehungs- oder Wiederholungsgefahr auch Unterlassung verlangt werden (Fortführung von BGH, Urteil vom 12. Januar 1995 - III ZR 136/93, NJW 1995, 1284 [juris Rn. 22 f.]; Urteil vom 5. Juni 2012 - X ZR 161/11, MDR 2012, 1224 [juris Rn. 15 f.]).
2. Eine ausschließlich mildtätige und/oder gemeinnützige Tätigkeit, mit der keine erwerbswirtschaftlichen Ziele verfolgt werden und die nicht auf die Erbringung einer entgeltlichen oder auf dem Markt ansonsten gegen Entgelt angebotenen Leistung gerichtet ist, ist grundsätzlich nicht als geschäftliche Handlung im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG anzusehen (Fortführung von BGH, Urteil vom 20. Oktober 1983 - I ZR 130/81, GRUR 1984, 283 [juris Rn. 13] = WRP 1984, 258 - Erbenberatung).
3. Für die Annahme einer entgeltlichen, also auf Erzielung einer Gegenleistung gerichteten Tätigkeit ist die rechtliche Gestaltung unerheblich, so dass das Entgelt auch in der Zahlung von Mitgliedsbeiträgen bestehen kann (vgl. BGH, Urteil vom 23.01.1976 - I ZR 95/75 - Lohnsteuerhilfevereine I; BAG, BAGE 115, 58). Auch Idealvereine (§ 21 BGB) können wettbewerbsrechtlich als Unternehmen anzusehen sein, wenn sie für ihre Mitglieder für sich gesehen unentgeltliche, aber durch den Mitgliedsbeitrag abgedeckte Leistungen erbringen, die auch auf dem Markt gegen Entgelt angeboten werden (vgl. BGH, Urteil vom 23.01.1976 - I ZR 95/75 - Lohnsteuerhilfevereine I; BGH, Urteil vom 20.10.1983 - I ZR 130/81 - Erbenberatung; BAG, BAGE 115, 58; aA OLG Koblenz, 11.01.2001 - 6 U 1414/98). Werden über eine ideelle Zwecksetzung hinaus eigene erwerbswirtschaftliche Ziele verfolgt, liegt ein unternehmerisches Handeln vor (vgl. BGH, Urteil vom 20.10.1983 - I ZR 130/81 - Erbenberatung; BGH, Urteil vom 17.10.2013 - I ZR 173/12, MIR 2014, Dok. 040 - Werbung für Fremdprodukte, jeweils mwN). Maßgebend für den Charakter einer Tätigkeit ist damit nicht die verfolgte Intention, sondern die tatsächliche Stellung im Wettbewerb (vgl. BGH, Urteil vom 19.06.1981 - I ZR 100/79 - Ecclesia-Versicherungsdienst) oder gegenüber Verbrauchern (vgl. EuGH, Urteil vom 03.10.2013 - C-59/12, MIR 2013, Dok. 065 - BKK Mobil Oil).
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 04.06.2024
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/3375
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
// Artikel gesammelt "frei Haus"? Hier den MIR-Newsletter abonnieren
OLG Köln, Beschluss vom 18.06.2018 - 15 W 27/18, MIR 2018, Dok. 029
DB Navigator App - Suchfunktion "Schnellste Verbindung anzeigen" irreführend
Oberlandesgericht Frankfurt a.M., MIR 2023, Dok. 065
Himalaya KönigsSalz - Zur Irreführung wegen einer (unzutreffenden) geografischen Herkunftsbezeichnung bei dem Angebot eines Steinspeisesalzes
OLG Köln, Urteil vom 08.04.2022 - 6 U 162/21, MIR 2022, Dok. 031
"im Vertrieb" - Zur Irreführung über die Lieferbarkeit eines Medikaments kurz vor Markteintritt und zur Erledigung, dem Wegfall der Dringlichkeit und dem Rechtsschutzbedürfnis bei einer zeitlich beschränkten einstweiligen Verfügung
OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 18.08.2022 - 6 U 56/22, MIR 2022, Dok. 091
Elektronisches Dokument; einfache Signatur - Für die einfache Signatur eines Schriftsatzes gemäß § 130a Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 ZPO genügt der maschinenschriftlich wiedergegebene Name des Verfassers
BGH, Beschluss vom 30.11.2023 - III ZB 4/23, MIR 2024, Dok. 003