Rechtsprechung // Designrecht
OLG Köln, Urteil vom 30.09.2022 - 6 U 77/22
Balloon - Lizenzschaden und Lizenzanalogie bei der Benutzung des Designs für ein einfaches Sofa
DesignG § 42 Abs. 2 Satz 2
Leitsätze:*1. Für die Berechnung des Lizenzschadens nach der Methode der Lizenzanalogie sind auch dann die Umsätze/Nettoabgabepreise des Verletzers heranzuziehen, wenn üblicherweise keine Lizenzen eingeräumt werden; es besteht auch bei hohen Umsätzen des Verletzten keine Veranlassung, von diesem Grundsatz abzuweichen.
2. Bei Benutzung des Designs für ein einfaches Sofa, das kein besonderes Renommee für sich in Anspruch nehmen kann, kann im Rahmen des Schadensersatzanspruches gem. § 42 Abs. 2 Satz 2 DesignG die Höhe der marktüblichen Lizenz mit 5 % in Ansatz gebracht werden.
3. Bei der Berechnung bzw. Schätzung der angemessenen Lizenzgebühr nach § 287 ZPO ist rein objektiv darauf abzustellen, was bei vertraglicher Einräumung ein vernünftiger Lizenzgeber gefordert und ein vernünftiger Lizenznehmer gewährt hätte, wenn beide die im Zeitpunkt der Entscheidung gegebene Sachlage gekannt hätten (BGH, Urteil vom 22.03.1990 - I ZR 59/88 - Lizenzanalogie). Als Ausgangspunkt sind dabei grundsätzlich die Umsätze / Nettoabgabepreise des Verletzers heranzuziehen, und zwar gerade auch dann, wenn üblicherweise keine Lizenzen eingeräumt werden (vgl. BGH, Urteil vom 03.07.1974 - I ZR 65/73 – Clarissa; BGH, Urteil vom 06.03.1980 - X ZR 49/78 – Tolbutamid; BGH, Urteil vom 17.06.1992 - I ZR 107/90 - Tchibo/Rolex II). Die Methode der Schadensberechnung nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie beruht auf der Erwägung, dass derjenige, der ausschließliche Rechte anderer verletzt, nicht besser aber auch nicht schlechter dastehen soll, als er im Falle einer ordnungsgemäß erteilten Erlaubnis durch den Rechtsinhaber gestanden hätte (BGH, Urteil vom 17.06.1992 - I ZR 107/90 - Tchibo/Rolex II). Sie entspricht dem Bereicherungsausgleich nach § 812 BGB und sieht keinen irgend gearteten Strafzuschlag vor (vgl. BGH, Urteil vom 18.06.2020 - I ZR 93/19). Dass ein Rechteinhaber seine Produkte üblicherweise nicht lizensiert, schließt eine Schadensschätzung nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie nicht aus, rechtfertigt aber auch keinen anderen Anknüpfungspunkt als den vom Verletzer erzielen Verkaufserlös. Maßgeblich ist der objektive Wert der angemaßten Benutzung. Die von dem Verletzer erzielen Preise bilden eine zuverlässige, durch den tatsächlichen Verlauf und Umfang der Verletzungshandlungen nachgewiesene Grundlage.
4. Im Designrecht bewegen sich die marktüblichen Lizenzgebühren in der Regel zwischen 5 % und 10 %. Der Senat hat für einen hochwertigen Designtisch als ein "Prestigeprodukt" 6 % als unterste Grenze angesehen (OLG Köln, Urteil vom 26.04.2013 - 6 U 171/11 - Bigfoot II).
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 17.01.2023
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/3250
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