Rechtsprechung // Urheberrecht
OLG Hamm, Urteil vom 27.04.2023 - 4 U 247/21
Drohnenaufnahmen und Panoramafreiheit - Die Veröffentlichung von Luftbildaufnahmen urheberrechtlich geschützter Werke ist von der Schrankenregelung in § 59 Abs. 1 Satz 1 UrhG nicht gedeckt
UrhG § 59 Abs. 1 Satz 1
Leitsätze:*1. Die Perspektive aus dem Luftraum heraus ist indes keine Perspektive "von öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen" (vgl. § 59 Abs. 1 Satz 1 UrhG). Auch wenn der Begriff der „öffentlichen Wege, Straßen oder Plätze“ lediglich beispielhaft und nicht abschließend ist, lässt sich der Luftraum nicht in diese Aufzählung einreihen, auch wenn die Benutzung des Luftraums durch Luftfahrzeuge nach § 1 Abs. 1 des Luftverkehrsgesetzes (LuftVG) vorbehaltlich besonderer Rechtsvorschriften grundsätzlich frei ist. Die Schrankenregelung in § 59 Abs. 1 Satz 1 UrhG betrifft von vornherein nur diejenigen Perspektiven, die sich den Augen eines Menschen von allgemein zugänglichen Orten aus bieten. Erfasst sind hierbei bei sinnvoller und auch die berechtigten Interessen der Urheber und Nutzungsberechtigten im Blick behaltender Auslegung der hier in Rede stehenden Schrankenregelung allein Orte und Einrichtungen, die einen Teil der Erdoberfläche bilden oder mit der Erdoberfläche zumindest dauerhaft und fest verbunden sind; hierzu mögen neben öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen auch öffentlich zugängliche Wasserflächen oder öffentlich zugängliche Aussichtstürme oder Aussichtsplattformen gehören, nicht hingegen der Luftraum, den der Mensch allein mit seinen naturgegebenen Fortbewegungsmöglichkeiten "Laufen", "Klettern“ und gegebenenfalls noch "Schwimmen" grundsätzlich nicht erreichen kann und in dem er sich ausschließlich mittels besonderer Hilfs- und Fortbewegungsmittel (z.B. als Passagier eines Flugzeugs oder eines Ballons oder mit einem Fallschirm) aufzuhalten und zu bewegen vermag.
2. Soweit Bilder, die mittels einer Leiter - also im Ergebnis aus dem Luftraum heraus - aufgenommen werden, als nicht von der Schrankenregelung in § 59 Abs. 1 Satz 1 UrhG umfasst angesehen worden sind (vgl. BGH, Urteil vom 27.04.2017 - I ZR 247/15 - AIDA Kussmund) muss dies erst recht für Bildaufnahmen, die mittels einer Drohne aus dem Luftraum heraus angefertigt werden, gelten. Auch das Unionsrecht gebietet keine andere Auslegung von § 59 Abs. 1 Satz 1 UrhG (a.A. LG Frankfurt, Urteil vom 25.11.2020 - 2-06 O 136/20 - wird ausgeführt).
3. Die Veröffentlichung von Luftbildaufnahmen urheberrechtlich geschützter Werke ist von der Schrankenregelung in § 59 Abs. 1 Satz 1 UrhG (Panoramafreiheit) nicht gedeckt.
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 06.06.2023
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/3286
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
// Artikel gesammelt "frei Haus"? Hier den MIR-Newsletter abonnieren
Landgericht München I, MIR 2022, Dok. 075
Grenzen bei der Berücksichtigung gerichtsbekannter Tatsachen - Der Umstand, dass eine Tatsache gerichtsbekannt ist, ersetzt regelmäßig nicht den entsprechenden Parteivortrag, sondern nur die Beweisbedürftigkeit
OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 09.06.2022 - 6 U 134/21, MIR 2022, Dok. 052
E-Mail-Lesebestätigung - Nutzt ein Rechtsanwalt im Kanzleibetrieb die E-Mail-Korrespondenz, muss er die Kenntnisnahme von Nachrichten (hier betreffend den Ablauf der Revisionsfrist) sicherstellen
BGH, Beschluss vom 18.11.2021 - I ZR 125/21, MIR 2022, Dok. 013
Schuldnerberatung Köln - Zur Irreführung durch Ortsangaben im Rahmen einer Google-AdWords-Anzeige
OLG Hamburg, Beschluss vom 03.02.2021 - 3 U 168/19, MIR 2021, Dok. 062
Verstoß gegen "Gemeinschaftsstandards" - Facebook darf Nutzeraccount nur in Ausnahmefällen ohne vorherige Abmahnung kündigen
Oberlandesgericht Karlsruhe, MIR 2022, Dok. 011