Kurz notiert // Persönlichkeitsrecht
Bundesgerichtshof
SIMPLY THE BEST - Die Werbung für eine "Tribute-Show" (hier Tina Turner) darf nicht den unzutreffenden Eindruck erwecken, das prominente Original unterstütze die Show oder wirke an ihr mit
BGH, Urteil vom 24.02.2022 - I ZR 2/21; Vorinstanzen: LG Köln, 22.01.2020 - 28 O 193/19; OLG Köln, 17.12.2020 - 15 U 37/20
MIR 2022, Dok. 018, Rz. 1
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Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 24.02.2022 (I ZR 2/21) über die Frage entschieden, unter welchen Voraussetzungen für eine Show, in der die Lieder einer weltberühmten Sängerin nachgesungen werden, mit dem Namen der Sängerin und der Abbildung einer in der Show auftretenden Doppelgängerin geworben werden darf. Ein nicht gerechtfertigter Eingriff in den vermögenswerten Bestandteil des - hier grundsätzlich betroffenenen - allgemeinen Persönlichkeitsrechts des "betroffenen Originals" könne mit der Werbung für eine solche Show dann verbunden sein, wenn die Werbung den unzutreffenden Eindruck erweckt, das Original unterstütze die Show oder wirke daran mit.
Zur Sache:
Die unter dem Künstlernamen Tina Turner auftretende Klägerin ist eine weltberühmte Sängerin. Die Beklagte ist die Produzentin einer Show, in der die Sängerin F. auftritt und die größten Hits der Klägerin präsentiert. Die Beklagte warb mit Plakaten, auf denen F. abgebildet und die Show mit den Worten "SIMPLY THE BEST - DIE tina turner STORY" angekündigt wird. Die Klägerin ist der Auffassung, dass der Betrachter aufgrund der Ähnlichkeit zwischen F. und ihr sowie des genannten Texts davon ausgehe, sie selbst sei auf den Plakaten abgebildet und an der Show beteiligt. Die Klägerin hatte weder in die Verwendung ihres Bildnisses noch ihres Namens eingewilligt und nimmt die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen. Es hat angenommen, der Klägerin stünden keine Unterlassungsansprüche zu. Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Klageanträge weiter.
Entscheidung des Bundesgerichtshofs: Eingriff in den vermögensrechtlichen Zuweisungsgehalt des Rechts am eigenen Bild und am eigenen Namen
Der Bundesgerichtshof hat die Revision der Klägerin zurückgewiesen.
Das Berufungsgericht habe zutreffend angenommen, dass die Beklagte in den vermögensrechtlichen Zuweisungsgehalt des Rechts am eigenen Bild und am eigenen Namen der Klägerin eingegriffen hat. Werde eine Person durch eine andere Person - beispielsweise einen Schauspieler - dargestellt, liege ein Eingriff in das Recht am eigenen Bild vor, wenn aus Sicht eines nicht unerheblichen Teils des angesprochenen Publikums der täuschend echte Eindruck erweckt wird, es handele sich um die dargestellte Person selbst. Das Berufungsgericht habe rechtsfehlerfrei festgestellt, dass die beanstandete Werbung den Eindruck erweckt, auf den Plakaten sei die Klägerin abgebildet.
Einem höheren Interesse der Kunst dienend: Verwendung nach §§ 22, 23 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 KUG erlaubt
Ebenfalls zutreffend habe das Berufungsgericht die Verwendung des Bildnisses der Klägerin auf den streitgegenständlichen Plakaten der Beklagten als nach §§ 22, 23 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 Kunsturhebergesetz (KUG) erlaubt angesehen.
Die Klägerin könne sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass § 23 Abs. 1 Nr. 4 KUG bereits deswegen nicht zu Gunsten der Beklagten eingreifen könne, weil das in Rede stehende Bildnis auf Bestellung angefertigt worden sei. Ist die tatsächlich abgebildete Person nicht identisch mit der Person, die aus Sicht eines nicht unerheblichen Teils des angesprochenen Publikums (vermeintlich) abgebildet ist, kann allenfalls die tatsächlich, nicht aber die vermeintlich abgebildete Person gegen die Verwendung der Abbildung einwenden, dass sie auf Bestellung angefertigt worden sei.
Bewerbung einer anderen Kunstform nicht schädlich
Der Anwendung des § 23 Abs. 1 Nr. 4 KUG stehe auch nicht entgegen, dass die Beklagte ein Bildnis der Klägerin zur Bewerbung einer anderen Kunstform - hier einer Tribute-Show - eingesetzt hat. Vor dem Hintergrund des weiten Schutzbereichs der Kunstfreiheit nach Art. 5 Abs. 3 GG sei dies vom Anwendungsbereich der Vorschrift erfasst.
Grenze: Erwecken des unzutreffenden Eindrucks, dass "Orginal" unterstütze oder wirke mit
Die Werbung für eine Show, in der Lieder einer prominenten Sängerin von einer ihr täuschend ähnlich sehenden Darstellerin nachgesungen werden, mit einem Bildnis der Darstellerin, das den täuschend echten Eindruck erweckt, es handele sich um die prominente Sängerin selbst, sei grundsätzlich von der Kunstfreiheit gedeckt. Ein nicht gerechtfertigter Eingriff in den vermögenswerten Bestandteil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des prominenten Originals sei mit der Werbung für eine solche Tribute-Show allerdings dann verbunden, wenn der unzutreffende Eindruck erweckt wird, das prominente Original unterstütze sie oder wirke sogar an ihr mit. Das Berufungsgericht sei zu dem zutreffenden Ergebnis gelangt, dass den Plakaten der Beklagten nicht die unwahre Tatsachenbehauptung zu entnehmen ist, die Klägerin unterstütze die Show der Beklagten oder wirke sogar an ihr mit. Die Plakate enthielten keine ausdrückliche Aussage darüber und seien auch nicht in diesem Sinne mehrdeutig.
Für die Interessenabwägung zum Recht der Klägerin am eigenen Namen habe das Berufungsgericht auf seine Ausführungen bei der Interessenabwägung zum Recht am eigenen Bild verwiesen. Dies sei ebenfalls nicht zu beanstanden.
(tg) - Quelle: PM Nr. 024/2022 des BGH vom 24.02.2022
Zur Sache:
Die unter dem Künstlernamen Tina Turner auftretende Klägerin ist eine weltberühmte Sängerin. Die Beklagte ist die Produzentin einer Show, in der die Sängerin F. auftritt und die größten Hits der Klägerin präsentiert. Die Beklagte warb mit Plakaten, auf denen F. abgebildet und die Show mit den Worten "SIMPLY THE BEST - DIE tina turner STORY" angekündigt wird. Die Klägerin ist der Auffassung, dass der Betrachter aufgrund der Ähnlichkeit zwischen F. und ihr sowie des genannten Texts davon ausgehe, sie selbst sei auf den Plakaten abgebildet und an der Show beteiligt. Die Klägerin hatte weder in die Verwendung ihres Bildnisses noch ihres Namens eingewilligt und nimmt die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen. Es hat angenommen, der Klägerin stünden keine Unterlassungsansprüche zu. Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Klageanträge weiter.
Entscheidung des Bundesgerichtshofs: Eingriff in den vermögensrechtlichen Zuweisungsgehalt des Rechts am eigenen Bild und am eigenen Namen
Der Bundesgerichtshof hat die Revision der Klägerin zurückgewiesen.
Das Berufungsgericht habe zutreffend angenommen, dass die Beklagte in den vermögensrechtlichen Zuweisungsgehalt des Rechts am eigenen Bild und am eigenen Namen der Klägerin eingegriffen hat. Werde eine Person durch eine andere Person - beispielsweise einen Schauspieler - dargestellt, liege ein Eingriff in das Recht am eigenen Bild vor, wenn aus Sicht eines nicht unerheblichen Teils des angesprochenen Publikums der täuschend echte Eindruck erweckt wird, es handele sich um die dargestellte Person selbst. Das Berufungsgericht habe rechtsfehlerfrei festgestellt, dass die beanstandete Werbung den Eindruck erweckt, auf den Plakaten sei die Klägerin abgebildet.
Einem höheren Interesse der Kunst dienend: Verwendung nach §§ 22, 23 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 KUG erlaubt
Ebenfalls zutreffend habe das Berufungsgericht die Verwendung des Bildnisses der Klägerin auf den streitgegenständlichen Plakaten der Beklagten als nach §§ 22, 23 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 Kunsturhebergesetz (KUG) erlaubt angesehen.
Die Klägerin könne sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass § 23 Abs. 1 Nr. 4 KUG bereits deswegen nicht zu Gunsten der Beklagten eingreifen könne, weil das in Rede stehende Bildnis auf Bestellung angefertigt worden sei. Ist die tatsächlich abgebildete Person nicht identisch mit der Person, die aus Sicht eines nicht unerheblichen Teils des angesprochenen Publikums (vermeintlich) abgebildet ist, kann allenfalls die tatsächlich, nicht aber die vermeintlich abgebildete Person gegen die Verwendung der Abbildung einwenden, dass sie auf Bestellung angefertigt worden sei.
Bewerbung einer anderen Kunstform nicht schädlich
Der Anwendung des § 23 Abs. 1 Nr. 4 KUG stehe auch nicht entgegen, dass die Beklagte ein Bildnis der Klägerin zur Bewerbung einer anderen Kunstform - hier einer Tribute-Show - eingesetzt hat. Vor dem Hintergrund des weiten Schutzbereichs der Kunstfreiheit nach Art. 5 Abs. 3 GG sei dies vom Anwendungsbereich der Vorschrift erfasst.
Grenze: Erwecken des unzutreffenden Eindrucks, dass "Orginal" unterstütze oder wirke mit
Die Werbung für eine Show, in der Lieder einer prominenten Sängerin von einer ihr täuschend ähnlich sehenden Darstellerin nachgesungen werden, mit einem Bildnis der Darstellerin, das den täuschend echten Eindruck erweckt, es handele sich um die prominente Sängerin selbst, sei grundsätzlich von der Kunstfreiheit gedeckt. Ein nicht gerechtfertigter Eingriff in den vermögenswerten Bestandteil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des prominenten Originals sei mit der Werbung für eine solche Tribute-Show allerdings dann verbunden, wenn der unzutreffende Eindruck erweckt wird, das prominente Original unterstütze sie oder wirke sogar an ihr mit. Das Berufungsgericht sei zu dem zutreffenden Ergebnis gelangt, dass den Plakaten der Beklagten nicht die unwahre Tatsachenbehauptung zu entnehmen ist, die Klägerin unterstütze die Show der Beklagten oder wirke sogar an ihr mit. Die Plakate enthielten keine ausdrückliche Aussage darüber und seien auch nicht in diesem Sinne mehrdeutig.
Für die Interessenabwägung zum Recht der Klägerin am eigenen Namen habe das Berufungsgericht auf seine Ausführungen bei der Interessenabwägung zum Recht am eigenen Bild verwiesen. Dies sei ebenfalls nicht zu beanstanden.
(tg) - Quelle: PM Nr. 024/2022 des BGH vom 24.02.2022
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 24.02.2022
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/3161
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