Rechtsprechung // Wettbewerbsrecht
BGH, Urteil vom 20.10.2021 - I ZR 17/21
Identitätsdiebstahl II - Eine unzulässige geschäftliche Handlung nach Nr. 29 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG kann nur dann angenommen werden, wenn eine nicht bestellte Ware oder Dienstleistung tatsächlich geliefert bzw. erbracht wurde
UWG § 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 Fall 1, Anh. Nr. 29 zu § 3 Abs. 3
Leitsätze:*a) Ein Irrtum des Unternehmers über den Umstand einer vorhergehenden Bestellung durch den zur Zahlung aufgeforderten Verbraucher ist im Rahmen der Prüfung der Unlauterkeit einer geschäftlichen Handlung unter dem Gesichtspunkt der Irreführung auch dann nicht zu seinen Gunsten zu berücksichtigen, wenn dieser Irrtum nicht vorwerfbar ist (Bestätigung von BGH, Urteil vom 6. Juni 2019 - I ZR 216/17, GRUR 2019, 1202 Rn. 26 = WRP 2019, 1471 – Identitätsdiebstahl I).
b) Eine unzulässige geschäftliche Handlung nach Nr. 29 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG kann nur dann angenommen werden, wenn eine nicht bestellte Ware tatsächlich geliefert oder eine nicht bestellte Dienstleistung tatsächlich erbracht wurde. Das bloße Inaussichtstellen einer Warenlieferung oder Dienstleistungserbringung genügt nicht (Aufgabe von BGH, Urteil vom 17. August 2011 - I ZR 134/10, GRUR 2012, 82 Rn. 12 = WRP 2012, 198 - Auftragsbestätigung).
c) Waren sind nur dann als "geliefert" und Dienstleistungen nur dann als "erbracht" im Sinne von Nr. 29 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG anzusehen, wenn sie den zur Zahlung aufgeforderten Verbraucher in einer Weise erreicht haben, dass dieser tatsächlich in der Lage ist, sie zu nutzen oder sonst über deren Verwendung zu bestimmen (Klarstellung von BGH, GRUR 2019, 1202 Rn. 32 - Identitätsdiebstahl I).
Das Gericht weicht mit der Entscheidung von seiner bisherigen Rechtsprechung zu vorherigen Fassung von Nr. 29 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG ab: "Soweit der Senat zur alten Fassung von Nr. 29 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG, in der nicht von "gelieferten" Waren oder "erbrachten" Dienstleistungen die Rede war, die Auffassung vertreten hat, bereits die Ankündigung einer fortlaufenden Lieferung von Waren werde von diesem Tatbestand erfasst (vgl. BGH, Urteil vom 17.08.2011 - I ZR 134/10, MIR 2011, Dok. 093 - Auftragsbestätigung), wird hieran angesichts des eindeutigen Wortlauts der Vorschrift in ihrer aktuell maßgeblichen Fassung nicht festgehalten (vgl. dazu auch BGH, Urteil vom 06.06.2019 - I ZR 216/17, MIR 2019, Dok. 035 - Identitätsdiebstahl I). Das nunmehr vertretene Normverständnis, wonach das bloße Inaussichtstellen einer Warenlieferung oder Dienstleistungserbringung dem Tatbestand von Nr. 29 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG nicht unterfällt, wird von der Literatur ganz überwiegend geteilt" (wird ausgeführt, m.w.N).
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 05.01.2022
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/3145
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
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