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Kurz notiert // Wettbewerbsrecht



Bundesgerichtshof

Herstellergarantien - Keine Pflicht von Internethändlern zur Information über Herstellergarantie, wenn diese kein zentrales (wesentlichs) Merkmal des Angebots ist


BGH, Urteil vom 10.11.2022 - I ZR 241/19; Vorinstanzen: LG Bochum, 21.11.2018 - I-13 O 110/18; OLG Hamm, 26.11.2019 - I-4 U 22/19

MIR 2022, Dok. 086, Rz. 1


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Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 10.11.2022 (I ZR 241/19) entschieden, dass Internethändler Verbraucher nicht näher über die Herstellergarantie für ein angebotenes Produkt informieren müssen, wenn die Garantie kein zentrales (wesentliches) Merkmal ihres Angebots ist und damit (auch) als Verkaufsargument genutzt wird. Die nur beiläufige Information bzw. Angabe einer Herstellergarantie (hier: auf einem verlinkten Informationsblatt) sein unschädlich.

Zur Sache

Die Parteien vertreiben Taschenmesser im Wege des Internethandels. Die Beklagte bot auf der Internetplattform Amazon ein Schweizer Offiziersmesser an. Die Angebotsseite enthielt unter der Zwischenüberschrift "Weitere technische Informationen" einen Link mit der Bezeichnung "Betriebsanleitung". Nach dem Anklicken dieses Links öffnete sich ein Produktinformationsblatt, das folgenden Hinweis auf eine Garantie des Herstellers enthielt: "Die Garantie erstreckt sich zeitlich unbeschränkt auf jeden Material- und Fabrikationsfehler (für Elektronik zwei Jahre). Schäden, die durch normalen Verschleiß oder durch unsachgemäßen Gebrauch entstehen, sind durch die Garantie nicht gedeckt." Weitere Informationen zu der Garantie enthielt das Produktinformationsblatt nicht.

Die Klägerin sieht darin einen Verstoß gegen die gesetzlichen Informationspflichten betreffend Garantien. Sie hat beantragt, der Beklagten zu verbieten, den Absatz von Taschenmessern an Verbraucher mit Hinweisen auf Garantien zu bewerben, ohne hierbei auf die gesetzlichen Rechte des Verbrauchers sowie darauf hinzuweisen, dass sie durch die Garantie nicht eingeschränkt werden, und ohne den räumlichen Geltungsbereich des Garantieschutzes anzugeben.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Mit der zugelassenen Revision hat die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiterverfolgt.

Der Bundesgerichtshof hat das Verfahren mit Beschluss vom 11.02.2021 ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union Fragen zur Auslegung von Art. 6 Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 2011/83/EU über die Rechte der Verbraucher zur Vorabentscheidung vorgelegt (dazu Pressemitteilung Nr. 31/2021 vom 11. Februar 2021).

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat über die Fragen durch Urteil vom 05.05.2022 (C-179/21) entschieden.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs: Keine unlauteres Verhalten wegen unterbliebener Angaben zu der erwähnten Herstellergarantie

Der Bundesgerichtshof das Urteil des Oberlandesgerichts aufgehoben und das die Klage abweisende Urteil des Landgerichts wiederhergestellt. Die Beklagte habe sich nicht unlauter verhalten, weil sie in ihrem Internetangebot keine näheren Angaben zu der im verlinkten Produktinformationsblatt erwähnten Herstellergarantie gemacht hat.

Richtlinienkonforme Auslegung von Art. 6 Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 2011/83/EU

Die Beklagte habe sich nicht nach § 5a Abs. 2 und 4 UWG aF (nun § 5a Abs. 1, § 5b Abs. 4 UWG nF) unlauter verhalten, weil sie den Verbrauchern keine nach § 312d Abs. 1 Satz 1 BGB, Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 EGBGB aF (nun Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 12 EGBGB nF) vor Vertragsschluss zu erteilende Information über die Herstellergarantie vorenthalten hat. Das ergebe sich aus einer richtlinienkonformen Auslegung der vorgenannten Bestimmungen, die der Umsetzung von Art. 6 Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 2011/83/EU dienen.

EuGH: Pflicht zur Information über Herstellergarantie, wenn der Verkäufer diese zu einem zentralen oder entscheidenden Merkmal des Angebots macht und sie als Verkaufsargument nutzt - anders bei beiläufiger Information

Der Gerichtshof der Europäischen Union habe auf Vorlage des Bundesgerichtshofs entschieden, dass ein Unternehmer die Verbraucher vor Abschluss eines Kaufvertrags über die Bedingungen der Herstellergarantie informieren muss, wenn er die Garantie zu einem zentralen oder entscheidenden Merkmal seines Angebots macht und so als Verkaufsargument einsetzt. Erwähne er dagegen die Herstellergarantie nur beiläufig, so dass sie aus Sicht der Verbraucher kein Kaufargument darstellt, müsse er keine Informationen über die Garantie zur Verfügung stellen.

Hier: Erwähnung an untergeordneter Stelle in einem verlinkten Produktinformationsblatt

Im Streitfall stelle die Herstellergarantie kein wesentliches Merkmal des Angebots der Beklagten dar. Sie werde auf der Angebotsseite selbst nicht erwähnt, sondern finde sich an untergeordneter Stelle in einem Produktinformationsblatt. Auf dieses Produktinformationsblatt gelange der Verbraucher nur, wenn er einen Link anklickt, der unter der Zwischenüberschrift "Weitere technische Informationen" steht und mit der Bezeichnung "Betriebsanleitung" versehen ist und daher eher auf eine technisch-funktionale Erläuterung hindeutet.

Keine Verstoß gegen Marktverhaltensregelung - keine unlautere Handlung

Die Beklagte habe mangels eines Verstoßes gegen die Marktverhaltensregelung des § 479 Abs. 1 BGB auch keine nach § 3a UWG unlautere Handlung begangen. Die in § 479 Abs. 1 BGB normierte Pflicht zur Information über den Gegenstand und den Inhalt einer (Hersteller-)Garantie greife erst ein, wenn der Unternehmer dem Verbraucher ein verbindliches Angebot auf Abschluss eines Garantievertrags unterbreitet. Im Streitfall enthielt der auf der Angebotsseite befindliche Link auf das Produktinformationsblatt mit der Herstellergarantie noch kein verbindliches Garantieversprechen.

(tg) - Quelle: PM Nr. 158/2022 des BGH vom 10.11.2022

Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 10.11.2022
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/3229
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