MIR-Newsletter

Der MIR-Newsletter informiert Sie regelmäßig über neue Inhalte in MEDIEN INTERNET und RECHT!

Schließen Abonnieren
MIR-Logo mobil

Logo MEDIEN INTERNET und RECHT
Logo MEDIEN INTERNET und RECHT

Kurz notiert // Urheberrecht



Bundesgerichtshof

Vertrieb von Cheat-Software - BGH legt EuGH Fragen zum Schutz von Computerprogrammen zur Vorabentscheidung vor

BGH, Beschluss vom 23.02.2023 - I ZR 157/21 - Action Replay - Vorinstanzen: LG Hamburg, 24.01.2012 - 310 O 199/10; OLG Hamburg, 07.10.2021 - 5 U 23/12

MIR 2023, Dok. 015, Rz. 1


1
Der Bundesgerichtshof hat in dem Verfahren I ZR 157/21 (Action Replay) über die urheberrechtliche Zulässigkeit des Vertriebs von Software zu entscheiden, die dem Nutzer das Manipulieren des auf einer Spielkonsole ablaufenden Programms ermöglicht (sogenannte "Cheat-Software"). Der Bundesgerichtshof hat mit Beschluss vom 23.02.2023 das Verfahren ausgesetzt und dem EuGH zwei Fragen zum Schutzbereich und zur Umarbeitung von Computerprogrammen (Auslegung von Vorschriften der Richtlinie 2009/24/EG) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

Zur Sache

Die Klägerin vertreibt als exklusive Lizenznehmerin in ganz Europa Spielkonsolen und Computerspiele hierfür. Bei den Beklagten zu 1 und 2 handelt es sich um Unternehmen einer Unternehmensgruppe, die Software entwickelt, produziert und vertreibt, insbesondere Ergänzungsprodukte zu den Spielkonsolen der Klägerin. Der Beklagte zu 3 ist Director der Beklagten zu 2. Mit der Software der Beklagten konnten Nutzer von Spielkonsolen der Klägerin bestimmte Beschränkungen in Computerspielen der Klägerin umgehen, zum Beispiel in einem Rennspiel die Beschränkung der Verwendbarkeit eines "Turbos" oder der Verfügbarkeit von Fahrern. Dies bewirkten die Softwareprodukte der Beklagten, indem sie Daten verändern, die die Spiele der Klägerin im Arbeitsspeicher der Spielkonsole ablegen. Die Klägerin rügt, dass dies eine unzulässige Umarbeitung ihrer Computerspiele im Sinne von § 69c Nr. 2 UrhG darstelle.

Das Landgericht hat der auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Feststellung der Schadensersatzpflicht gerichteten Klage überwiegend stattgegeben. Indem die Nutzer mittels der Software der Beklagten durch externe Befehle in den Programmablauf der Computerspiele der Klägerin eingriffen und diesen veränderten, werde das Computerprogramm der Klägerin umgearbeitet. Es mache weder aus Benutzer- noch aus Urhebersicht einen Unterschied, ob eine Veränderung des Programmablaufs durch die Veränderung der Spielsoftware oder aber durch Veränderung von Daten im Arbeitsspeicher erreicht werde.

Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht das landgerichtliche Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Das Oberlandesgericht hat angenommen, es fehle an einer Umarbeitung eines Computerprogramms im Sinne von § 69c Nr. 2 UrhG. Die Software der Beklagten greife lediglich in den Ablauf der Computerspiele der Klägerin ein, indem sie die im Arbeitsspeicher der Spielkonsole abgelegten Daten verändere, nicht aber die Computerbefehle selbst. Der programmgemäße Ablauf eines Computerprogramms gehöre aber nicht zum Schutzgegenstand von § 69a UrhG.

Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs: Aussetzung und Vorlagefragen zu Art. 1 Abs. 1 bis 3 Richtlinie 2009/24/EG und Art. 4 Abs. 1 Buchst. b Richtlinie 2009/24/EG

Der Bundesgerichtshof hat das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) zur Vorabentscheidung folgender Fragen vorgelegt:

1. Wird in den Schutzbereich eines Computerprogramms nach Art. 1 Abs. 1 bis 3 der Richtlinie 2009/24/EG eingegriffen, wenn nicht der Objekt- oder Quellcode eines Computerprogramms oder dessen Vervielfältigung verändert wird, sondern ein gleichzeitig mit dem geschützten Computerprogramm ablaufendes anderes Programm den Inhalt von Variablen verändert, die das geschützte Computerprogramm im Arbeitsspeicher angelegt hat und im Ablauf des Programms verwendet?

2. Liegt eine Umarbeitung im Sinne von Art. 4 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2009/24/EG vor, wenn nicht der Objekt- oder Quellcode eines Computerprogramms oder dessen Vervielfältigung verändert wird, sondern ein gleichzeitig mit dem geschützten Computerprogramm ablaufendes anderes Programm den Inhalt von Variablen verändert, die das geschützte Computerprogramm im Arbeitsspeicher angelegt hat und im Ablauf des Programms verwendet?

(tg) - Quelle: PM Nr. 037/2023 des BGH vom 23.02.2023

Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 23.02.2023
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/3259
// Artikel gesammelt "frei Haus"? Hier den MIR-Newsletter abonnieren
dejure.org StellenmarktAnzeige