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Rechtsprechung // Markenrecht



BGH, Beschluss vom 22.07.2021 - I ZB 16/20

NJW-Orange - Zur Feststellungslast für das Vorliegen der Voraussetzungen der Verkehrsdurchsetzung und zur Unterscheidungskraft bei einer Farbmarke

MarkenG § 8 Abs. 3

Leitsätze:*

1. Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und die Waren oder Dienstleistungen damit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet. Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten (zu Art. 3 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2008/95/EG vgl. EuGH, Urteil vom 19.06.2014 - C-217/13 und C-218/13 - Oberbank u.a. [Farbmarke Rot]; BGH, Beschluss vom 17.10.2013 - I ZB 11/13 - grill meister; Beschluss vom 10. Juli 2014 - I ZB 81/13 - for you; BGHZ 211, 268 - Sparkassen-Rot; BGH, Beschluss vom 30.01.2020 - I ZB 61/17 - #darferdas? II). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 23.10.2014 - I ZB 61/13 - Langenscheidt-Gelb; Beschluss vom 05.10.2017 - I ZB 97/16 - Pippi-Langstrumpf-Marke, mwN). Dabei ist auf die mutmaßliche Wahrnehmung eines normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen (BGH, Beschluss vom 05.10.2017 - I ZB 97/16 - Pippi-Langstrumpf-Marke, mwN). Diese Grundsätze finden auch bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft von Farbmarken Anwendung, bei denen kein strengerer Maßstab anzulegen ist als bei anderen Markenformen.

2.

a) An der Rechtsprechung, wonach verbleibende Zweifel, ob ein Schutzhindernis im Eintragungszeitpunkt vorlag, zu Lasten des Antragstellers des Löschungsverfahrens und nicht des Markeninhabers gehen, hält der Senat nicht fest.

b) Es obliegt generell dem Markeninhaber, im Löschungsverfahren diejenigen Umstände nachzuweisen, aus denen sich der (Fort-)Bestand seiner Marke ergibt (im Anschluss an EuGH, Urteil vom 19. Juni 2014 - C-217/13 und C-218/13, GRUR 2014, 776 Rn. 70 - Oberbank u.a. [Farbmarke-Rot]; EuGH, Urteil vom 22. Oktober 2020 - C-720/18 und C-721/18, GRUR 2020, 1301 - Ferrari [testarossa]).

MIR 2021, Dok. 082


Anm. der Redaktion: Leitsätze 2 a) und b) sind die amtlichen Leitsätze des Gerichts.
Der angefochtene Beschluss des Bundespatentgerichts wurde durch den BGH aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Bundespatentgericht zurückzuverweisen (§ 89 Abs. 4 MarkenG). Für das weitere Verfahren, in dem das Bundespatentgericht erneut zu prüfen haben wird, ob sich die Farbe "Orange" im Verkehr als Marke für juristische Fachzeitschriften durchgesetzt hat, hat der BGH auf das Folgende hingewiesen: „Das Bundespatentgericht wird der Markeninhaberin im Hinblick auf die geänderte Rechtsprechung des Senats zur Feststellungslast für das Vorliegen der Voraussetzungen der Verkehrsdurchsetzung Gelegenheit zu geben haben, hierzu ergänzend vorzutragen und gegebenenfalls weitere Beweise, insbesondere ein demoskopisches Gutachten, vorzulegen oder die Einholung eines gerichtlichen Gutachtens zu beantragen. Übersteigt der in einem solchen Gutachten ermittelte Zuordnungsgrad zum Anmeldezeitpunkt oder zum Entscheidungszeitpunkt die Schwelle von 50%, ist in der Regel von einer Verkehrsdurchsetzung der in Rede stehenden Farbmarke auszugehen (m.w.N.)."
Download: Entscheidungsvolltext PDF

Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 20.10.2021
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/3124

*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.

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