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Rechtsprechung // Wettbewerbsrecht



BGH, Urteil vom 26.01.2023 - I ZR 27/22

Haftung für Affiliates - Keine Beauftragtenhaftung des Betreibers eines Affiliate-Programms, wenn die Werbung über einen Affiliate-Link Teil eines von dem Affiliate inhaltlich in eigener Verantwortung und eigenem Interesse gestalteten Produkts ist

UWG § 8 Abs. 2

Leitsätze:*

1. Werden die Zuwiderhandlungen in einem Unternehmen von einem Mitarbeiter oder Beauftragten begangen, so sind der Unterlassungsanspruch und der Beseitigungsanspruch nach § 8 Abs. 2 UWG auch gegen den Inhaber des Unternehmens begründet. Dem Inhaber eines Unternehmens werden nach dieser Vorschrift Zuwiderhandlungen seiner Beauftragten wie eigene Handlungen zugerechnet, weil die arbeitsteilige Organisation des Unternehmens die Verantwortung für die geschäftliche Tätigkeit nicht beseitigen soll. Der Unternehmensinhaber, dem die Geschäftstätigkeit seiner Beauftragten zugutekommt, soll sich bei seiner Haftung nicht hinter den von ihm abhängigen Dritten verstecken können.

2. Beauftragter kann auch ein selbständiges Unternehmen sein, etwa eine Werbeagentur. Entscheidend ist, dass der Werbepartner in die betriebliche Organisation des Betriebsinhabers in der Weise eingegliedert ist, dass der Erfolg der Geschäftstätigkeit des beauftragten Unternehmens dem Betriebsinhaber zugutekommt und der Betriebsinhaber einen bestimmenden, durchsetzbaren Einfluss auf diejenige Tätigkeit des beauftragten Unternehmens hat, in deren Bereich das beanstandete Verhalten fällt. Dabei kommt es nicht darauf an, welchen Einfluss sich der Betriebsinhaber gesichert hat, sondern welchen Einfluss er sich sichern konnte und musste. Der Unternehmensinhaber haftet daher gegebenenfalls auch für ohne sein Wissen und gegen seinen Willen von einem Beauftragten begangene Rechtsverstöße (vgl. BGH, Urteil vom 28.10.2010 - I ZR 174/08 - Änderung der Voreinstellung III; zu § 13 Abs. 4 UWG aF vgl. BGH, Urteil vom 05.04.1995 - I ZR 133/93 - Franchise-Nehmer; zu § 14 Abs. 7 MarkenG vgl. BGH, Urteil vom 07.04.2005 - I ZR 221/02 - Meißner Dekor II; BGH, Urteil vom 07.10.2009 - I ZR 109/06, MIR 2009, Dok. 218 - Partnerprogramm, jeweils mwN). Der Betriebsinhaber haftet dagegen nicht nach § 8 Abs. 2 UWG, wenn das geschäftliche Handeln des Dritten im konkreten Fall nicht der Geschäftsorganisation des Betriebsinhabers, sondern derjenigen eines Dritten oder des Beauftragten selbst zuzurechnen ist (vgl. BGH, Urteil vom 07.10.2009 - I ZR 109/06, MIR 2009, Dok. 218 - Partnerprogramm).

3.

a) Der innere Grund für die Zurechnung der Geschäftstätigkeit des Beauftragten gemäß § 8 Abs. 2 UWG liegt vor allem in einer dem Betriebsinhaber zugutekommenden Erweiterung des Geschäftsbetriebs und einer gewissen Beherrschung des Risikobereichs durch den Betriebsinhaber (Anschluss an BGH, Urteil vom 7. Oktober 2009 - I ZR 109/06, GRUR 2009, 1167 [juris Rn. 21] = WRP 2009, 1520 - Partnerprogramm, mwN).

b) Entwickeln Affiliates eigene Produkte oder Dienstleistungen, deren Inhalt sie nach eigenem Ermessen gestalten und zum Verdienst von Provisionen bei verschiedenen Anbietern einsetzen, ist die Werbung über den Affiliate-Link ein Teil des Produkts, das inhaltlich von den Affiliates in eigener Verantwortung und im eigenen Interesse gestaltet wird. Die Links werden von ihnen nur gesetzt, um damit zu ihren Gunsten Provisionen zu generieren. Ein solcher eigener Geschäftsbetrieb eines Affiliates stellt keine Erweiterung des Geschäftsbetriebs des Betriebsinhabers dar.

4. Die Erfolgshaftung des Betriebsinhabers für Wettbewerbshandlungen Dritter setzt voraus, dass dieser den Risikobereich in einem gewissen Umfang beherrscht und ihm ein bestimmender und durchsetzbarer Einfluss jedenfalls auf diejenigen Tätigkeiten eingeräumt ist, in deren Bereich das fragliche Verhalten fällt. Erforderlich ist daher, dass sich die Einflussmöglichkeit des Betriebsinhabers auf alle das Angebot des Affiliates kennzeichnenden wesentlichen Vorgänge erstreckt (hier verneint; vgl. dazu auch BGH, Urteil vom 28.10.2010 - I ZR 174/08 - Änderung der Voreinstellung III).

MIR 2023, Dok. 012


Anm. der Redaktion: Leitsätze 3 a) und b) sind die amtlichen Leitsätze des Gerichts.
Das Gericht grenzt die hier maßgebliche Konstellation auch zu den bekannten Agenturfällen ab: "Der Streitfall unterscheidet sich danach von der Beauftragung einer Werbeagentur, die in der Regel als Beauftragte im Sinne von § 8 Abs. 2 UWG anzusehen sein wird (vgl. BGH, Urteil vom 22.09.1972 - I ZR 19/72 - Neues aus der Medizin). Die Werbeagentur bietet zwar auch eine eigene Dienstleistung an, im Rahmen des ihr erteilten Auftrags entwickelt sie aber kein eigenes, sondern ein Produkt für den Auftraggeber, selbst wenn ihr ein Spielraum betreffend Inhalt, Zeitpunkt und Umfang der Werbung verbleibt (vgl. BGH, Urteil vom 31.05.1990 - I ZR 228/88 - Anzeigenauftrag)". Gleichwohl wird in jedweder Konstellation der konkrete Einzelfall genau in den Blick zu nehmen sein. Es sind leicht Konstellationen denkbar, die hier zwischen klareren Fällen changieren.
Download: Entscheidungsvolltext PDF

Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 09.02.2023
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/3256

*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.

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