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Kurz notiert // Wettbewerbsrecht



Bundesgerichtshof

Zur Verpflichtung von Influencerinnen, ihre Instagram-Beiträge als Werbung zu kennzeichnen

BGH, Urteil vom 09.09.2021 - I ZR 90/20, Vorinstanzen: LG Göttingen, 13.11.2019 - 3 O 22/19; OLG Braunschweig, 13.05.2020 - 2 U 78/19
BGH, Urteil vom 09.09.2021 - I ZR 125/20; Vorinstanzen: LG Hamburg, 28.03.2019 - 403 HKO 127/18; OLG Hamburg, 02.07.2020 - 15 U 142/19
BGH, Urteil vom 09.09.2021 - I ZR 126/20; Vorinstanzen: LG München I, 29.04.2019 - 4 HK O 14312/18; OLG München, 25.06.2020 - 29 U 2333/19

MIR 2021, Dok. 070, Rz. 1


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Der Bundesgerichtshof hat mit Urteilen vom 09.09.2021 (I ZR 90/20, I ZR 125/20, I ZR 126/20) über die Frage entschieden, ob Influencerinnen mit ihren Instagram-Beiträgen gegen die Pflicht zur Kennzeichnung von Werbung verstoßen haben. Das Gericht kommt zu differenzierten Ergebnissen.

Kläger ist in allen Verfahren der Verband Sozialer Wettbewerb. Die Beklagten sind Influencerinnen, die auf der Social-Media-Plattform Instagram auf ihren Instagram-Profilen Bilder veröffentlichen, die sie oftmals mit kurzen Begleittexten versehen. In einige Bilder haben sie sogenannte "Tap Tags" eingefügt, die beim Anklicken von auf den Bildern zu sehenden Produkten wie etwa Bekleidung erscheinen und die Firmen oder Marken der Hersteller oder Anbieter dieser Produkte nennen. Beim Anklicken eines "Tap Tag" wird der Nutzer auf das Instagram-Profil des jeweiligen Unternehmens weitergeleitet.

Der Kläger sieht darin unzulässige Schleichwerbung und nimmt die Beklagten jeweils auf Unterlassung in Anspruch.

I. Zum Verfahren I ZR 90/20 - Influencer I:

Die Beklagte veröffentlicht auf Instagram insbesondere Bilder von Sportübungen sowie Fitness- und Ernährungstipps. Darüber hinaus unterhält sie eine gewerbliche Internetseite, auf der sie Fitnesskurse und Personaltrainings gegen Entgelt anbietet und einen Online-Shop betreibt. Wird das Profil der Beklagten bei Instagram aufgerufen, erscheint unter anderem ein Hinweis auf diese Internetadresse.

Einer der vom Kläger beanstandeten Instagram-Beiträge der Beklagten betrifft eine "Raspberry Jam" (Himbeer Marmelade). Beim Anklicken des abgebildeten Produkts erscheint ein "Tap Tag" mit dem Namen des Herstellers. Beim Anklicken des "Tap Tags" wird der Nutzer auf das Instagram-Profil des Herstellers weitergeleitet. Für diesen Beitrag hat die Beklagte von dem Hersteller eine Gegenleistung erhalten.

Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Es hat angenommen, dem Kläger stehe ein Unterlassungsanspruch nach § 8 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Nr. 2, § 3 Abs. 1, § 5a Abs. 6 UWG zu.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs im Verfahren I ZR 90/20:

Der Bundesgerichtshof hat die Revision der Beklagten zurückgewiesen. Die streitgegenständlichen Instagram-Beiträge seien geschäftliche Handlungen der Beklagten im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG zugunsten ihres eigenen Unternehmens sowie jedenfalls des fremden Unternehmens, von dem sie eine Gegenleistung für den Beitrag zur "Raspberry Jam" erhalten hat. Dieser Beitrag sei nicht hinreichend deutlich als Werbung gekennzeichnet. Dies rechtfertigte hier das beantragte Verbot.

Influencer können ein Unternehmern betreiben - aber nicht stets geschäftliche Handlung zugunsten eines fremden Unternehmens

Influencer, die mittels eines sozialen Mediums wie Instagram Waren vertreiben, Dienstleistungen anbieten oder das eigene Image vermarkten, betreiben ein Unternehmen. Die Veröffentlichung von Beiträgen dieser Influencer in dem sozialen Medium sei geeignet, ihre Bekanntheit und ihren Werbewert zu steigern und damit ihr eigenes Unternehmen zu fördern. Eine geschäftliche Handlung zugunsten eines fremden Unternehmens stelle die Veröffentlichung eines Beitrags - abgesehen von dem hier vorliegenden Fall, dass die Influencerin dafür eine Gegenleistung erhält - allerdings nur dar, wenn dieser Beitrag nach seinem Gesamteindruck übertrieben werblich ist, etwa weil er ohne jede kritische Distanz allein die Vorzüge eines Produkts dieses Unternehmens in einer Weise lobend hervorhebt, dass die Darstellung den Rahmen einer sachlich veranlassten Information verlässt.

Werblicher Überschuss nach Einzelfallprüfung erforderlich - "Tap Tags" des Todes? Nope!

Allein der Umstand, dass Bilder, auf denen das Produkt abgebildet sei, mit "Tap Tags" versehen sind, reiche für die Annahme eines solchen werblichen Überschusses nicht aus. Bei einer Verlinkung auf eine Internetseite des Herstellers des abgebildeten Produkts liege dagegen regelmäßig ein werblicher Überschuss vor. Die Prüfung, ob ein Beitrag übertrieben werblich ist, bedürfe der umfassenden Würdigung durch das Tatgericht, an der es im Streitfall hinsichtlich der weiteren Beiträge, für deren Veröffentlichung eine Gegenleistung nicht festgestellt sei, fehle.

Der die "Raspberry Jam" betreffende Beitrag, für den die Beklagte eine Gegenleistung des Herstellers erhalten hat, verstoße gegen § 5a Abs. 6 UWG, weil der kommerzielle Zweck dieses Beitrags, den Absatz von Produkten dieses Herstellers zu fördern, nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des Oberlandesgerichts nicht hinreichend kenntlich gemacht sei und sich auch nicht aus den Umständen ergebe. Insoweit komme es nicht darauf an, ob die Verbraucher erkennen, dass die Beklagte mit der Veröffentlichung von Beiträgen auf ihrem Instagram-Profil zugunsten ihres eigenen Unternehmens handelt. Für die Verbraucher müsse gerade der Zweck eines Beitrags, ein fremdes Unternehmen zu fördern, erkennbar sein. Das Nichtkenntlichmachen des kommerziellen Zwecks eines solchen mit "Tap Tags" und Verlinkungen versehenen Beitrags sei regelmäßig geeignet, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung - dem Anklicken des auf das Instagram-Profil des Herstellers führenden Links - zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Darüber hinaus verstoße der Beitrag zur "Raspberry Jam" gegen § 3a UWG in Verbindung mit § 6 Abs. 1 Nr. 1 TMG sowie § 58 Abs. 1 Satz 1 RStV bzw. § 22 Abs. 1 Satz 1 MStV, weil die darin liegende kommerzielle Kommunikation bzw. Werbung nicht klar als solche zu erkennen sei.

Das Fehlen von Feststellungen zum werblichen Überschuss der übrigen Beiträge wirke sich auf den Bestand des Berufungsurteils nicht aus, weil die unter Bezugnahme auf die konkrete Verletzungsform - das Instagram Profil der Beklagten - geltend gemachten Ansprüche schon im Blick auf die geschäftliche Handlung der Beklagten zugunsten des Unternehmens begründet sind, das für die Veröffentlichung des Beitrags zur "Raspberry Jam" eine Gegenleistung erbracht hat.

II. Zum Verfahren I ZR 125/20 - Influencer II:

Die Beklagte unterhält bei Instagram einen Account, der von ihr überwiegend kommerziell genutzt wird und von 1,7 Millionen Nutzern abonniert war. Der Account ist verifiziert und daher am Anfang des Profils mit einem blauen Haken versehen. Die Beklagte veröffentlicht regelmäßig Bilder von sich selbst mit kurzen Begleittexten zu den Themen Beauty, Mode, Lifestyle und Reisen.

Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen. Es hat angenommen, dem Kläger stehe kein Unterlassungsanspruch nach § 8 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Nr. 2, § 3 Abs. 1, § 5a Abs. 6 sowie § 3a UWG in Verbindung § 6 Abs. 1 Nr. 1 TMG oder § 58 Abs. 1 Satz 1 RStV zu.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs im Verfahren I ZR 125/20:

Der Bundesgerichtshof hat die Revision des Klägers zurückgewiesen. Die beanstandeten Beiträge stellten nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts geschäftliche Handlungen der Beklagten dar.

Geschäftliche Handlungen zugunsten des eigenen Unternehmens kein Verstoß und keine Kennzeichnungsfplicht mangels Gegenleistung

Soweit diese geschäftlichen Handlungen zugunsten des eigenen Unternehmens der Beklagten erfolgten, liege kein Verstoß gegen § 5a Abs. 6 UWG vor, weil sich dieser kommerzielle Zweck nach der revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Würdigung des Berufungsgerichts unmittelbar aus den Umständen ergibt. Soweit die Beklagte zugunsten anderer Unternehmen gehandelt hat, könne gleichfalls kein Verstoß gegen § 5a Abs. 6 UWG angenommen werden, weil dieses Verhalten der Beklagten den Vorschriften des § 6 Abs. 1 Nr. 1 TMG, § 58 Abs. 1 Satz 1 RStV bzw. § 22 Abs. 1 Satz 1 MStV genüge. Danach müsse bei absatzfördernden Äußerungen in Telemedien zwar kommerzielle Kommunikation bzw. Werbung klar als solche erkennbar sein. Die beanstandeten Beiträge stellten aber mangels Gegenleistung eines Dritten keine kommerzielle Kommunikation bzw. keine Werbung im Sinne dieser Vorschriften dar. Bei diesen Bestimmungen handelt es sich um bereichsspezifische Spezialvorschriften, die den Anwendungsbereich der allgemeinen lauterkeitsrechtlichen Bestimmung des § 5a Abs. 6 UWG einschränken.

Die Voraussetzungen eines Verstoßes gegen Nr. 11 der Anlage zu § 3 Abs. 3 UWG liegen gleichfalls schon deshalb nicht vor, weil es an einer Finanzierung der beanstandeten Beiträge durch Dritte fehlt.

III. Zum Verfahren I ZR 126/20:

Die Beklagte veröffentlicht auf Instagram regelmäßig Bilder von sich selbst, oftmals mit kurzen Begleittexten. Darin beschäftigt sie sich vor allem mit Themen wie Mode, ihrem Leben als Mutter eines Kleinkinds, Yoga oder Reisen. Diejenigen Instagram-Beiträge, für die die Beklagte nach eigenem Bekunden von den verlinkten Unternehmen bezahlt wird, kennzeichnet sie mit dem Hinweis "bezahlte Partnerschaft mit …". Die streitgegenständlichen Beiträge enthielten keine entsprechende Kennzeichnung.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Es hat angenommen, dem Kläger stehe kein Unterlassungsanspruch nach § 8 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Nr. 2, § 3 Abs. 1, § 5a Abs. 6 UWG sowie § 3a UWG in Verbindung § 6 Abs. 1 Nr. 1 TMG oder § 58 Abs. 1 Satz 1 RStV zu.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs im Verfahren I ZR 126/20: Same Same But Different

Der Bundesgerichtshof hat die Revision des Klägers zurückgewiesen. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts stellten die beanstandeten Beiträge zwar geschäftliche Handlungen der Beklagten zugunsten des eigenen Unternehmens dar und kann auch ein geschäftliches Handeln zugunsten fremder Unternehmen nicht ausgeschlossen werden. Soweit die geschäftlichen Handlungen zugunsten des eigenen Unternehmens der Beklagten erfolgten, liege jedoch kein Verstoß gegen § 5a Abs. 6 UWG vor, weil sich dieser kommerzielle Zweck nach der revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Würdigung des Berufungsgerichts unmittelbar aus den Umständen ergibt. Hinsichtlich geschäftlicher Handlungen zugunsten fremder Unternehmen scheide die Annahme eines Verstoßes gegen § 5a Abs. 6 UWG aus, weil die Beklagte für die beanstandeten Beiträge keine Gegenleistung erhalten hat und diese Beiträge daher den vorrangigen Spezialvorschriften des § 6 Abs. 1 Nr. 1 TMG, § 58 Abs. 1 Satz 1 RStV und § 22 Abs. 1 Satz 1 MStV genügen (siehe dazu zuvor zum Verfahren I ZR 125/20). Ein Verstoß gegen Nr. 11 der Anlage zu § 3 Abs. 3 UWG liege danach ebenfalls nicht vor.

(tg) - Quelle: PM Nr. 170/2021 des BGH vom 09.09.2021

Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 09.09.2021
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/3111
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