Kurz notiert // Fernabsatzrecht
Bundesgerichtshof
Online-Matratzenkauf - Fragen zum Widerrufsrecht dem Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung vorgelegt
BGH, Beschluss vom 15.11.2017 - VIII ZR 194/16; Vorinstanzen: AG Mainz, Urteil vom 26.11.2015 - 86 C 234/15; LG Mainz, Urteil vom 10.08.2016 - 3 S 191/15
MIR 2017, Dok. 043, Rz. 1
1
Mit Beschluss vom 15.11.2017 (VIII ZR 194/16) hat der Bundesgerichtshof dem Europäischen Gerichtshof Fragen zum Widerrufsrecht betreffend den Onlinekauf von Matratzen - namentlich dem Tatbestand des § 312g Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB, dem Begriff der "Versiegelung" und den Anforderungen an einer entsprechenden Belehrung über das Erlöschen des Widerrufsrechts - zur Vorabentscheidung nach Art. 267 AEUV vorgelegt.
Zur Sache
Der Kläger bestellte im Jahr 2014 über den Onlineshop der Beklagten eine "Dormiente Natural Basic"-Matratze zum Preis vom EUR 1.094,52. Die Matratze war bei Auslieferung mit einer Schutzfolie versehen, die der Kläger nach Erhalt entfernte. Einige Tage später teilte er der Beklagten per E-Mail mit, dass er die Matratze leider zurücksenden müsse und der Rücktransport durch eine Spedition veranlasst werden solle. Als die Beklagte dieser Aufforderung nicht nachkam, beauftragte der Kläger selbst eine Speditionsfirma.
Seine auf Rückzahlung des Kaufpreises und Erstattung der Rücksendekosten (insgesamt EUR 1.190,11) gerichtete Klage hat in beiden Tatsacheninstanzen Erfolg gehabt. Die Vorinstanzen haben dabei angenommen, dass das dem Kläger im Fernabsatzhandel grundsätzlich zustehende Widerrufsrecht bei dem Kauf einer Matratze nicht deshalb ausgeschlossen sei, weil er die bei deren Anlieferung vorhandene Schutzfolie entfernt habe. Mit ihrer vom Landgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.
Entscheidung des Bundesgerichtshofs:
Der Bundesgerichtshof (VIII. Senat) hat das Verfahren durch Beschluss ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) zur Vorabentscheidung über die Auslegung zweier Vorschriften des europäischen Rechts vorgelegt.
Auslegung des Ausnahmetatbestands in § 312g Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB
Die hier maßgebliche Norm des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuchs über den Ausschluss des Widerrufsrechts in den Fällen, in denen versiegelte Waren geliefert werden, die aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder der Hygiene nicht zur Rückgabe geeignet sind, wenn die Versiegelung entfernt wurde (§ 312 g Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB), gehe zurück auf eine inhaltsgleiche Vorschrift des europäischen Rechts, Art. 16 Buchst. e der Verbraucherrechterichtlinie. Ob diese Vorschrift – wozu der Senat angesichts des Ausnahmecharakters der Vorschrift tendiert – dahin auszulegen ist, dass zu den dort genannten Waren solche Waren (wie etwa Matratzen) nicht gehören, die zwar bei bestimmungsgemäßen Gebrauch mit dem menschlichen Körper in Kontakt kommen können, aber durch geeignete (Reinigungs-) Maßnahmen des Unternehmers – wenn auch möglicherweise mit Werteinbußen, die der Unternehmer kalkulieren kann – wenigstens wieder als gebrauchte Sachen verkehrsfähig gemacht werden können (Frage 1), sei nicht eindeutig zu beantworten. So werde in dem zwar nicht verbindlichen, aber unter Beteiligung der zuständigen Behörden der Mitgliedsstaaten sowie unter Mitwirkung von Wirtschaftsvertretern und Verbraucherverbänden erstellten Leitfaden der Generaldirektion Justiz der Europäischen Kommission (Stand: Juni 2013) als Beispiel für das Eingreifen des Ausnahmetatbestandes gemäß Art. 16 Buchst. e - neben Kosmetika - die Auflegematratze genannt.
Wann ist eine Matrazenverpackung eine "Versiegelung" und wie muss über Erlöschen des Widerrufsrechts belehrt werden?
Falls die Frage 1 bejaht werden sollte, stelle sich ferner die Frage, wie eine Verpackung beschaffen sein muss, um als "Versiegelung" zu gelten und welchen Inhalt der nach den gesetzlichen Vorschriften (Art. 246a § 1 Abs. 3 Nr. 2, § 4 Abs. 1 EGBGB; Art. 6 Abs. 1 Buchst. k der Verbraucherrechterichtlinie) zu erteilende Hinweis über die Umstände des Erlöschens des Widerrufsrechts haben muss (Frage 2). Auch bezüglich dieser Frage hat der Bundesgerichtshof die Sache zur Vorabentscheidung dem EuGH vorgelegt.
(tg) - Quelle: PM Nr. 178/2017 des BGH vom 15.11.2017
Zur Sache
Der Kläger bestellte im Jahr 2014 über den Onlineshop der Beklagten eine "Dormiente Natural Basic"-Matratze zum Preis vom EUR 1.094,52. Die Matratze war bei Auslieferung mit einer Schutzfolie versehen, die der Kläger nach Erhalt entfernte. Einige Tage später teilte er der Beklagten per E-Mail mit, dass er die Matratze leider zurücksenden müsse und der Rücktransport durch eine Spedition veranlasst werden solle. Als die Beklagte dieser Aufforderung nicht nachkam, beauftragte der Kläger selbst eine Speditionsfirma.
Seine auf Rückzahlung des Kaufpreises und Erstattung der Rücksendekosten (insgesamt EUR 1.190,11) gerichtete Klage hat in beiden Tatsacheninstanzen Erfolg gehabt. Die Vorinstanzen haben dabei angenommen, dass das dem Kläger im Fernabsatzhandel grundsätzlich zustehende Widerrufsrecht bei dem Kauf einer Matratze nicht deshalb ausgeschlossen sei, weil er die bei deren Anlieferung vorhandene Schutzfolie entfernt habe. Mit ihrer vom Landgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.
Entscheidung des Bundesgerichtshofs:
Der Bundesgerichtshof (VIII. Senat) hat das Verfahren durch Beschluss ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) zur Vorabentscheidung über die Auslegung zweier Vorschriften des europäischen Rechts vorgelegt.
Auslegung des Ausnahmetatbestands in § 312g Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB
Die hier maßgebliche Norm des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuchs über den Ausschluss des Widerrufsrechts in den Fällen, in denen versiegelte Waren geliefert werden, die aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder der Hygiene nicht zur Rückgabe geeignet sind, wenn die Versiegelung entfernt wurde (§ 312 g Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB), gehe zurück auf eine inhaltsgleiche Vorschrift des europäischen Rechts, Art. 16 Buchst. e der Verbraucherrechterichtlinie. Ob diese Vorschrift – wozu der Senat angesichts des Ausnahmecharakters der Vorschrift tendiert – dahin auszulegen ist, dass zu den dort genannten Waren solche Waren (wie etwa Matratzen) nicht gehören, die zwar bei bestimmungsgemäßen Gebrauch mit dem menschlichen Körper in Kontakt kommen können, aber durch geeignete (Reinigungs-) Maßnahmen des Unternehmers – wenn auch möglicherweise mit Werteinbußen, die der Unternehmer kalkulieren kann – wenigstens wieder als gebrauchte Sachen verkehrsfähig gemacht werden können (Frage 1), sei nicht eindeutig zu beantworten. So werde in dem zwar nicht verbindlichen, aber unter Beteiligung der zuständigen Behörden der Mitgliedsstaaten sowie unter Mitwirkung von Wirtschaftsvertretern und Verbraucherverbänden erstellten Leitfaden der Generaldirektion Justiz der Europäischen Kommission (Stand: Juni 2013) als Beispiel für das Eingreifen des Ausnahmetatbestandes gemäß Art. 16 Buchst. e - neben Kosmetika - die Auflegematratze genannt.
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(tg) - Quelle: PM Nr. 178/2017 des BGH vom 15.11.2017
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 15.11.2017
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/2838
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