Rechtsprechung // Urheberrecht
OLG Köln, Urteil vom 31.10.2014 - 6 U 60/14
DRadioWissen.de - Urheberrechtswidrige Verwendung eines unter CC BY-NC 2.0-Lizenz stehenden Lichtbildes auf der Website eines öffentlich-rechtlichen Rundfunksenders
UrhG §§ 10 Abs. 1, 23 Satz 1, 72, 97 Abs. 1 Satz 1; BGB §§ 305 Abs. 2, Abs. 3, 310 Abs. 1 Satz 1
Leitsätze:*1. Bei den Creative Commons-Lizenzen (hier: Creative Commons Attribution NonCommercial 2.0-Lizenz; nachfolgend: CC BY-NC 2.0) handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen, so dass ihre Auslegung unter Berücksichtigung des Rechts der allgemeinen Geschäftsbedingungen zu erfolgen hat.
Die Bedingungen sind für eine Vielzahl von Rechteeinräumungen vorformuliert. Der Umstand, dass sie nicht von einer der Vertragsparteien, sondern von dritter Seite erstellt worden sind, ändert nichts an ihrer Bewertung als Allgemeine Geschäftsbedingungen, wenn sie einseitig seitens des Verwenders zur Bedingung der Nutzung eines Werks - hier eines Bildes - gemacht werden.
2. Jedenfalls bei Vereinbarung der nicht-portierten englischen Fassung der CC BY-NC 2.0 ist bei ihrer Auslegung zu beachten, dass es sich um eine Lizenz handelt, die zum weltweiten Einsatz im Internet bestimmt ist. Eine Auslegung, die entscheidend auf Besonderheiten des deutschen Rechts abstellt, ist daher nicht möglich. Vor diesem Hintergrund kann die Frage, ob es sich bei der Nutzung eines Bildes um eine "non-commercial" ("nicht-kommerzielle") Nutzung handelt, nicht ausschließlich auf der Grundlage der Begrifflichkeiten des deutschen Rechts entschieden werden.
3. Ob die Nutzung eines unter CC BY-NC 2.0-Lizenz stehenden Lichtbildes zur Illustration eines Beitrags auf der Internetseite eines öffentlich-rechtlichen Rundfunksenders (hier: Deutschlandradio) von der Ausschlussklausel für "nicht-kommerzielle" ("non-commercial") Nutzungen erfasst ist, lässt sich den Bedingungen dieser Creative Commons Lizenz nicht eindeutig entnehmen.
Die Auslegung und das Verständnis des Begriffes und der Einschränkung "non-commercial" (bzw. "nicht-kommerziell") in der CC BY-NC 2.0-Lizenz unterliegt beträchtlichen Unsicherheiten und ist nicht eindeutig.
4. Zweifel an der Reichweite des Verbots nicht-kommerzieller Nutzungsarten ("non-commercial") im Sinne der CC-BY-NC 2.0-Lizenz gehen zu Lasten des Verwenders. Die Unklarheitenregel in § 305c Abs. 2 BGB findet insoweit auch auf vorformulierte Lizenzbedingungen Anwendung.
5. Das Beschneiden eines Bildes stellt jedenfalls dann eine Umgestaltung im Sinne des § 23 Satz 1 UrhG dar, wenn durch das Beschneiden die Bildaussage verändert wird.
6. Allein der Umstand, dass ein Bild durch Beschneiden umgestaltet wird, stellt keinen Verstoß gegen die Lizenzbedingungen der CC BY-NC 2.0 dar. Derartige Umgestaltungen werden durch die Klausel Nr. 3 c) CC BY-NC 2.0, die die Schaffung und Reproduktion von "Derivative Works" erlaubt, gestattet. Wird allerdings durch das Beschneiden eines Bildes die Bezeichnung des Urhebers bzw. Lichtbildners an dem (Licht-) Bild entfernt, liegt ein Verstoß gegen Klausel 4 c) CC BY-NC 2.0 vor. Nach dem eindeutigen Wortlaut dieser Klausel stehen die Verpflichtung, vorhandene Urheberbezeichnungen beizubehalten ("must keep intact all Copyright notices") und die Verpflichtung, den Urheber anzuerkennen ("give the Original Author credit") nebeneinander ("and").
7. Wird ein unter CC BY-NC 2.0 lizensiertes Lichtbild bearbeitet ("Derivative Works") ist gemäß Klausel Nr. 3 c) die Art der Verarbeitung anzugeben. Es sind etwa Angaben in der Form "Ausschnitt eines Fotos von ..." oder einer sinngleichen Formulierung zu machen.
8. Klausel Nr. 7 a) Satz 1 der CC BY-NC 2.0-Lizenz, nach der durch einen Verstoß gegen die Lizenzbedingungen ihre automatische Beendigung ausgelöst wird ("Heimfall"), stellt - jedenfalls derzeit - weder eine überraschende Klausel dar, noch führt dieser Klausel zu einer unangemessenen Benachteiligung des Vertragspartners (wird ausgeführt).
9. Wird ein Lichtbild unentgeltlich zur Nutzung zur Verfügung gestellt (hier: zur nicht-kommerziellen Nutzung unter der CC BY-NC 2.0-Lizenz), scheidet eine Berechnung des Schadenersatzes auf Grundlage der Lizenzanalogie (§ 97 Abs. 2 UrhG) in Anlehnung an die MFM-Empfehlungen aus. Der "objektive Wert" der nicht kommerziellen Nutzung eines unter der Creative Commons-Lizenz angebotenen geschützten Inhalts kann nur mit Null angesetzt werden. Soweit überlicherweise im Fall der fehlenden Urheberbenennung eines Fotografen ein 100%iger Aufschlag auf den nach der Lizenzanalogie berechneten Schaden gewährt wird, ist insoweit allerdings 100% von 0 immer noch 0.
10. Das Urheberrecht an einem Lichtbildwerk (§ 2 Abs. 1 Nr. 5 UrhG) und das (Leistungs-) Schutzrecht des Lichtbildners (§ 72 UrhG) stellen keine unterschiedlichen Streitgegenstände dar. Es handelt sich insoweit nur um unterschiedliche rechtliche Aspekte eines Streitgegenstandes (mit Verweis auf: BGH, Urteil vom 03.11.1999 - I ZR 55/97 - Werbefotos). Auch wenn es sich bei dem Schutz der Lichtbilder formal um ein eigenständiges Schutzrecht handelt, so ist es eingeführt worden, um Abgrenzungsfragen hinsichtlich der Schöpfungshöhe bei Lichtbildern zu umgehen. Dies würde teilweise unterlaufen, wenn über die Bewertung als eigener Streitgegenstand die Abgrenzung doch wieder rechtlich relevant würde.
Ein besonderer Dank für Mitteilung der Entscheidung gilt Herrn Rechtsanwalt Arno Lampmann, Köln (www.lhr-law.de).
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Gramespacher
Online seit: 25.11.2014
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/2656
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
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