Kurz notiert // Wettbewerbsrecht
Bundesgerichtshof
Zulässigkeit einer Kopplung von Gewinnspiel und Warenabsatz
BGH, Urteil vom 12.12.2013 - I ZR 192/12 - GLÜCKS-WOCHEN; Vorinstanzen: LG Köln, Urteil vom 08.02.2012 - 84 O 215/11; OLG Köln, Urteil vom 21.09.2012 - 6 U 53/12
MIR 2013, Dok. 094, Rz. 1
1
Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 12.12.2013 (I ZR 192/12 - GLÜCKS-WOCHEN) über eine Fernsehwerbung für ein Gewinnspiel entschieden, an dem nur Verbraucher teilnehmen konnten, die das beworbene Produkt zuvor erworben hatten.
Zur Sache:
Die Parteien sind Hersteller von Lakritz und Fruchtgummi. Die Beklagte warb ab Februar 2011 im Fernsehen mit "GLÜCKS-WOCHEN". Beim Kauf von fünf Packungen zum Preis von etwa je EUR 1,00 und Einsendung der Kassenbons bestand die Chance, bei einer Verlosung einen von 100 "Goldbärenbarren" im Wert von jeweils EUR 5.000,00 zu gewinnen. In dem Werbespot traf der Fernsehmoderator Thomas Gottschalk im Supermarkt auf zwei Familien mit Kindern.
Die Klägerin hält die Werbung für wettbewerbswidrig, weil sie die geschäftliche Unerfahrenheit von Kindern und Jugendlichen ausnutze. Sie nahm die Beklagte deshalb auf Unterlassung in Anspruch.
In den Vorinstanzen hatte die Klage Erfolg. Das Berufungsgerichts stufte die inkriminierte Gewinnspielkopplung als unlautere Geschäftspraktik ein. Es sei der strengere Sorgfaltsmaßstab von § 3 Abs. 2 Satz 3 UWG zugrunde zu legen und auf die Sicht von Kindern und Jugendlichen abzustellen, die durch die Werbung zu einem Kauf über Bedarf veranlasst werden könnten.
Entscheidung des Bundesgerichtshofs: Verständnis eines durchschnittlichen Verbrauchers maßgeblich - Kein Verstoß gegen spezielle Vorschriften des Wettbewerbsrechts zum Schutz von Kindern und Jugendlichen
Der Bundesgerichtshof hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Gewinnspielkopplungen können nach § 4 Nr. 6 UWG im Einzelfall verboten sein, wenn sie gegen die berufliche Sorgfalt verstoßen. Im Streitfall gelte für die Beurteilung des Gewinnspiels nicht der Sorgfaltsmaßstab des § 3 Abs. 2 Satz 3 UWG, da die beanstandete Werbung voraussichtlich und vorhersehbar nicht allein das geschäftliche Verhalten von Kindern und Jugendlichen wesentlich beeinflussen konnte. Die Produkte der Beklagten seien bei Kindern und Erwachsenen gleichermaßen beliebt. Ein an den Absatz dieser Produkte gekoppeltes Gewinnspiel sei daher voraussehbar geeignet, auch das Einkaufsverhalten von Erwachsenen zu beeinflussen. Daher sei für die Beurteilung des Streitfalls das Verständnis eines durchschnittlichen Verbrauchers maßgeblich.
Auf dieser Grundlage verstoße die beanstandete Fernsehwerbung nicht gegen die berufliche Sorgfalt. Die Kosten der Gewinnspielteilnahme würden deutlich und keine unzutreffenden Gewinnchancen suggeriert.
Der Fernsehspot der Beklagten verstoße auch nicht gegen die speziell dem Schutz von Kindern und Jugendlichen dienenden Vorschriften des Wettbewerbsrechts. Er enthalte keine unmittelbare Kaufaufforderung an Kinder (Nr. 28 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG) und sei auch nicht geeignet, die geschäftliche Unerfahrenheit Minderjähriger in unlauterer Weise auszunutzen (§ 4 Nr. 2 UWG).
(tg) - Quelle: PM Nr. 205/2013 des BGH vom 12.12.2013
Zur Sache:
Die Parteien sind Hersteller von Lakritz und Fruchtgummi. Die Beklagte warb ab Februar 2011 im Fernsehen mit "GLÜCKS-WOCHEN". Beim Kauf von fünf Packungen zum Preis von etwa je EUR 1,00 und Einsendung der Kassenbons bestand die Chance, bei einer Verlosung einen von 100 "Goldbärenbarren" im Wert von jeweils EUR 5.000,00 zu gewinnen. In dem Werbespot traf der Fernsehmoderator Thomas Gottschalk im Supermarkt auf zwei Familien mit Kindern.
Die Klägerin hält die Werbung für wettbewerbswidrig, weil sie die geschäftliche Unerfahrenheit von Kindern und Jugendlichen ausnutze. Sie nahm die Beklagte deshalb auf Unterlassung in Anspruch.
In den Vorinstanzen hatte die Klage Erfolg. Das Berufungsgerichts stufte die inkriminierte Gewinnspielkopplung als unlautere Geschäftspraktik ein. Es sei der strengere Sorgfaltsmaßstab von § 3 Abs. 2 Satz 3 UWG zugrunde zu legen und auf die Sicht von Kindern und Jugendlichen abzustellen, die durch die Werbung zu einem Kauf über Bedarf veranlasst werden könnten.
Entscheidung des Bundesgerichtshofs: Verständnis eines durchschnittlichen Verbrauchers maßgeblich - Kein Verstoß gegen spezielle Vorschriften des Wettbewerbsrechts zum Schutz von Kindern und Jugendlichen
Der Bundesgerichtshof hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Gewinnspielkopplungen können nach § 4 Nr. 6 UWG im Einzelfall verboten sein, wenn sie gegen die berufliche Sorgfalt verstoßen. Im Streitfall gelte für die Beurteilung des Gewinnspiels nicht der Sorgfaltsmaßstab des § 3 Abs. 2 Satz 3 UWG, da die beanstandete Werbung voraussichtlich und vorhersehbar nicht allein das geschäftliche Verhalten von Kindern und Jugendlichen wesentlich beeinflussen konnte. Die Produkte der Beklagten seien bei Kindern und Erwachsenen gleichermaßen beliebt. Ein an den Absatz dieser Produkte gekoppeltes Gewinnspiel sei daher voraussehbar geeignet, auch das Einkaufsverhalten von Erwachsenen zu beeinflussen. Daher sei für die Beurteilung des Streitfalls das Verständnis eines durchschnittlichen Verbrauchers maßgeblich.
Auf dieser Grundlage verstoße die beanstandete Fernsehwerbung nicht gegen die berufliche Sorgfalt. Die Kosten der Gewinnspielteilnahme würden deutlich und keine unzutreffenden Gewinnchancen suggeriert.
Der Fernsehspot der Beklagten verstoße auch nicht gegen die speziell dem Schutz von Kindern und Jugendlichen dienenden Vorschriften des Wettbewerbsrechts. Er enthalte keine unmittelbare Kaufaufforderung an Kinder (Nr. 28 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG) und sei auch nicht geeignet, die geschäftliche Unerfahrenheit Minderjähriger in unlauterer Weise auszunutzen (§ 4 Nr. 2 UWG).
(tg) - Quelle: PM Nr. 205/2013 des BGH vom 12.12.2013
Online seit: 12.12.2013
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/2529
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