Kurz notiert
Bundesgerichtshof
Usedsoft - ZulÀssigkeit des Vertriebs "gebrauchter" Softwarelizenzen
BGH, Urteil vom 17.07.2013 - I ZR 129/08 - UsedSoft II; Verfahrensgang: LG MĂŒnchen I, Urteil vom 15.03.2007 - 7 O 7061/06, OLG MĂŒnchen, Urteil vom 03.07.2008 - 6 U 2759/07; BGH, Beschluss vom 03.02.2011 - I ZR 129/08 - UsedSoft I; EuGH, Urteil vom 03.07.2012 â C-128/11 - UsedSoft/Oracle
MIR 2013, Dok. 44, Rz. 1
1
Der Bundesgerichtshof hat sich mit Urteil vom 17.07.2013 (I ZR 129/08 - UsedSoft II) in dem Verfahren "UsedSoft" erneut mit der urheberrechtlichen ZulÀssigkeit des Vertriebs "gebrauchter" Softwarelizenzen befasst.
Zur Sache:
Die KlĂ€gerin entwickelt Computersoftware, die sie ganz ĂŒberwiegend in der Weise vertreibt, dass die Kunden keinen DatentrĂ€ger erhalten, sondern die Software von der Internetseite der KlĂ€gerin auf ihren Computer herunterladen. In den LizenzvertrĂ€gen der KlĂ€gerin ist bestimmt, dass das Nutzungsrecht, das die KlĂ€gerin ihren Kunden an den Computerprogrammen einrĂ€umt, nicht abtretbar ist.
Die Beklagte handelt mit "gebrauchten" Softwarelizenzen. Im Oktober 2005 bot sie "bereits benutzte" Lizenzen fĂŒr Programme der KlĂ€gerin an. Dabei verwies sie auf ein Notartestat, in dem auf eine BestĂ€tigung des ursprĂŒnglichen Lizenznehmers verwiesen wird, wonach er rechtmĂ€Ăiger Inhaber der Lizenzen gewesen sei, diese nicht mehr benutze und den Kaufpreis vollstĂ€ndig bezahlt habe. Kunden der Beklagten laden nach dem Erwerb einer "gebrauchten" Lizenz die entsprechende Software von der Internetseite der KlĂ€gerin auf einen DatentrĂ€ger herunter.
Die KlÀgerin ist der Auffassung, die Beklagte verletze dadurch, dass sie die Erwerber "gebrauchter" Lizenzen dazu veranlasse, die entsprechenden Computerprogramme zu vervielfÀltigen, das Urheberrecht an diesen Programmen. Sie hat die Beklagte deshalb auf Unterlassung in Anspruch genommen.
Landgericht und Berufungsgericht haben der Klage stattgegeben. Auf die Revision der Beklagten hat der Bundesgerichtshof das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof der EuropĂ€ischen Union einige Fragen zur Auslegung der Richtlinie 2009/24/EG ĂŒber den Rechtsschutz von Computerprogrammen zur Vorabentscheidung vorgelegt. Nachdem der EuropĂ€ische Gerichtshof diese Fragen beantwortet hat (EuGH, Urteil vom 03.07.2012 â C-128/11, WRP 2012, 1074 - UsedSoft/Oracle), hat der Bundesgerichtshof nun das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurĂŒckverwiesen.
Entscheidung des Bundesgerichtshofs: ZulÀssig, wenn...
Nach Auffassung des Bundesgerichtshof greifen die Kunden der Beklagten durch das Herunterladen der Computerprogramme in das nach § 69c Nr. 1 UrhG ausschlieĂlich dem Rechtsinhaber zustehende Recht zur VervielfĂ€ltigung der Computerprogramme ein. Da die Beklagte ihre Kunden durch das Angebot "gebrauchter" Lizenzen zu diesem Eingriff veranlasst, könne sie auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, falls ihre Kunden nicht zur VervielfĂ€ltigung der Programme berechtigt sind.
... VervielfĂ€ltigung durch den rechtsmĂ€Ăigen Erwerber.
Allerdings könnten die Kunden der Beklagten sich möglicherweise auf die Regelung des § 69d Abs. 1 UrhG berufen, die Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2009/24/EG ins deutsche Recht umsetze und daher richtlinienkonform auszulegen sei. UnabhĂ€ngig abweichender Vereinbarungen bedĂŒrfe die VervielfĂ€ltigung eines Computerprogramms nach Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2009/24/EG nicht der Zustimmung des Rechtsinhabers, wenn sie fĂŒr eine bestimmungsgemĂ€Ăe Benutzung des Computerprogramms durch den rechtmĂ€Ăigen Erwerber notwendig ist.
EuGH: Auf die "Erschöpfung" kommt es an
Aus der Entscheidung des EuropĂ€ischen Gerichtshof gehe hervor, dass der Erwerber einer "gebrauchten" Softwarelizenz als "rechtmĂ€Ăiger Erwerber" einer Programmkopie anzusehen ist, der von dem VervielfĂ€ltigungsrecht Gebrauch machen darf, wenn das Recht zur Verbreitung der Programmkopie nach Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2009/24/EG erschöpft ist und der Weiterverkauf der Lizenz an den Erwerber mit dem Weiterverkauf der von der Internetseite des Urheberrechtsinhabers heruntergeladenen Programmkopie verbunden ist.
Downloads: Weiterverkauf einer "erschöpften" Programmkopie auf DatentrÀger nicht zwingend
Dabei setze ein Weiterverkauf der von der Internetseite des Urheberrechtsinhabers heruntergeladenen Programmkopie nicht voraus, dass die Beklagte ihren Kunden einen DatentrĂ€ger mit einer "erschöpften" Kopie des Computerprogramms ĂŒbergibt. Vielmehr könne ein solcher Weiterverkauf auch dann vorliegen, wenn der Kunde die ihm von der Beklagten verkaufte Kopie des Computerprogramms von der Internetseite des Urheberrechtsinhabers auf seinen Computer herunterlĂ€dt.
Voraussetzungen der Erschöpfung des Verbreitungsrechts
Die Erschöpfung des Verbreitungsrechts des Urheberrechtsinhabers sei nach der Entscheidung des EuropÀischen Gerichtshofs allerdings von einer Reihe von Voraussetzungen abhÀngig. Dazu gehöre unter anderem, dass der Urheberrechtsinhaber dem Ersterwerber das Recht eingerÀumt hat, diese Kopie ohne zeitliche Begrenzung zu nutzen. Ferner könne sich der Nacherwerber einer Kopie des Computerprogramms nur dann mit Erfolg auf eine Erschöpfung des Verbreitungsrechts an dieser Kopie berufen, wenn der Ersterwerber seine Kopie unbrauchbar gemacht hat.
Der Bundesgerichtshof hat die Sache an das Berufungsgericht zurĂŒckverwiesen, damit dieses nach entsprechendem Vortrag der Parteien prĂŒfen kann, ob diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall erfĂŒllt sind.
(tg) - Quelle: PM Nr. 126/2013 des BGH vom 18.07.2013
Zur Sache:
Die KlĂ€gerin entwickelt Computersoftware, die sie ganz ĂŒberwiegend in der Weise vertreibt, dass die Kunden keinen DatentrĂ€ger erhalten, sondern die Software von der Internetseite der KlĂ€gerin auf ihren Computer herunterladen. In den LizenzvertrĂ€gen der KlĂ€gerin ist bestimmt, dass das Nutzungsrecht, das die KlĂ€gerin ihren Kunden an den Computerprogrammen einrĂ€umt, nicht abtretbar ist.
Die Beklagte handelt mit "gebrauchten" Softwarelizenzen. Im Oktober 2005 bot sie "bereits benutzte" Lizenzen fĂŒr Programme der KlĂ€gerin an. Dabei verwies sie auf ein Notartestat, in dem auf eine BestĂ€tigung des ursprĂŒnglichen Lizenznehmers verwiesen wird, wonach er rechtmĂ€Ăiger Inhaber der Lizenzen gewesen sei, diese nicht mehr benutze und den Kaufpreis vollstĂ€ndig bezahlt habe. Kunden der Beklagten laden nach dem Erwerb einer "gebrauchten" Lizenz die entsprechende Software von der Internetseite der KlĂ€gerin auf einen DatentrĂ€ger herunter.
Die KlÀgerin ist der Auffassung, die Beklagte verletze dadurch, dass sie die Erwerber "gebrauchter" Lizenzen dazu veranlasse, die entsprechenden Computerprogramme zu vervielfÀltigen, das Urheberrecht an diesen Programmen. Sie hat die Beklagte deshalb auf Unterlassung in Anspruch genommen.
Landgericht und Berufungsgericht haben der Klage stattgegeben. Auf die Revision der Beklagten hat der Bundesgerichtshof das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof der EuropĂ€ischen Union einige Fragen zur Auslegung der Richtlinie 2009/24/EG ĂŒber den Rechtsschutz von Computerprogrammen zur Vorabentscheidung vorgelegt. Nachdem der EuropĂ€ische Gerichtshof diese Fragen beantwortet hat (EuGH, Urteil vom 03.07.2012 â C-128/11, WRP 2012, 1074 - UsedSoft/Oracle), hat der Bundesgerichtshof nun das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurĂŒckverwiesen.
Entscheidung des Bundesgerichtshofs: ZulÀssig, wenn...
Nach Auffassung des Bundesgerichtshof greifen die Kunden der Beklagten durch das Herunterladen der Computerprogramme in das nach § 69c Nr. 1 UrhG ausschlieĂlich dem Rechtsinhaber zustehende Recht zur VervielfĂ€ltigung der Computerprogramme ein. Da die Beklagte ihre Kunden durch das Angebot "gebrauchter" Lizenzen zu diesem Eingriff veranlasst, könne sie auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, falls ihre Kunden nicht zur VervielfĂ€ltigung der Programme berechtigt sind.
... VervielfĂ€ltigung durch den rechtsmĂ€Ăigen Erwerber.
Allerdings könnten die Kunden der Beklagten sich möglicherweise auf die Regelung des § 69d Abs. 1 UrhG berufen, die Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2009/24/EG ins deutsche Recht umsetze und daher richtlinienkonform auszulegen sei. UnabhĂ€ngig abweichender Vereinbarungen bedĂŒrfe die VervielfĂ€ltigung eines Computerprogramms nach Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2009/24/EG nicht der Zustimmung des Rechtsinhabers, wenn sie fĂŒr eine bestimmungsgemĂ€Ăe Benutzung des Computerprogramms durch den rechtmĂ€Ăigen Erwerber notwendig ist.
EuGH: Auf die "Erschöpfung" kommt es an
Aus der Entscheidung des EuropĂ€ischen Gerichtshof gehe hervor, dass der Erwerber einer "gebrauchten" Softwarelizenz als "rechtmĂ€Ăiger Erwerber" einer Programmkopie anzusehen ist, der von dem VervielfĂ€ltigungsrecht Gebrauch machen darf, wenn das Recht zur Verbreitung der Programmkopie nach Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2009/24/EG erschöpft ist und der Weiterverkauf der Lizenz an den Erwerber mit dem Weiterverkauf der von der Internetseite des Urheberrechtsinhabers heruntergeladenen Programmkopie verbunden ist.
Downloads: Weiterverkauf einer "erschöpften" Programmkopie auf DatentrÀger nicht zwingend
Dabei setze ein Weiterverkauf der von der Internetseite des Urheberrechtsinhabers heruntergeladenen Programmkopie nicht voraus, dass die Beklagte ihren Kunden einen DatentrĂ€ger mit einer "erschöpften" Kopie des Computerprogramms ĂŒbergibt. Vielmehr könne ein solcher Weiterverkauf auch dann vorliegen, wenn der Kunde die ihm von der Beklagten verkaufte Kopie des Computerprogramms von der Internetseite des Urheberrechtsinhabers auf seinen Computer herunterlĂ€dt.
Voraussetzungen der Erschöpfung des Verbreitungsrechts
Die Erschöpfung des Verbreitungsrechts des Urheberrechtsinhabers sei nach der Entscheidung des EuropÀischen Gerichtshofs allerdings von einer Reihe von Voraussetzungen abhÀngig. Dazu gehöre unter anderem, dass der Urheberrechtsinhaber dem Ersterwerber das Recht eingerÀumt hat, diese Kopie ohne zeitliche Begrenzung zu nutzen. Ferner könne sich der Nacherwerber einer Kopie des Computerprogramms nur dann mit Erfolg auf eine Erschöpfung des Verbreitungsrechts an dieser Kopie berufen, wenn der Ersterwerber seine Kopie unbrauchbar gemacht hat.
Der Bundesgerichtshof hat die Sache an das Berufungsgericht zurĂŒckverwiesen, damit dieses nach entsprechendem Vortrag der Parteien prĂŒfen kann, ob diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall erfĂŒllt sind.
(tg) - Quelle: PM Nr. 126/2013 des BGH vom 18.07.2013
Online seit: 18.07.2013
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/2479
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