Rechtsprechung
BGH, Urteil vom 13.12.2012 - I ZR 150/11
dlg.de - Zur Berücksichtigung von im Ausland bestehenden Namens- und Kennzeichenrechten bei einem Streit um Domainnamen unter der Top-Level-Domain ".de" und zur Haftung des auf Löschung eines Domainnamens in Anspruch genommenen Admin-C.
USA: FreundschVtr Art. X Abs. 1, Art. XXV Abs. 1, 5 Satz 2; MarkenG §§ 5, 15; BGB § 12 Satz 1, § 280 Abs. 2, § 286
Leitsätze:*1. Eine unberechtigte Namensamaßung nach § 12 Satz 1 Fall 2 BGB kann schon darin liegen, dass ein Nichtberechtigter den unterscheidungskräftigen Namen eines Dritten als Domainnamen (unter der Top-Level-Domain ".de") registrieren lässt (BGH, Urteil vom 08.02.2007 - I ZR 59/04, MIR 2007, Dok. 291 - grundke.de). Die hierfür erforderliche Beeinträchtigung eines besonders schutzwürdigen Interesses des Namensträgers liegt im Allgemeinen darin, dass sein Name durch einen Nichtberechtigten als Domainname unter der in Deutschland üblichen Top-Level-Domain ".de" registriert wird; denn die den Berechtigten ausschließende Wirkung setzt bei der Verwendung eines fremden Namens als Domainname bereits mit der Registrierung ein (BGH, Urteil vom 26.06.2003 - I ZR 296/00 - maxem.de; BGH, Urteil vom 08.02.2007 - I ZR 59/04, MIR 2007, Dok. 291 - grundke.de). Im Verhältnis zwischen Gleichnamigen steht der Domainname dagegen demjenigen zu, der ihn als Erster für sich hat registrieren lassen (BGH, Urteil vom 22.11.2001 - I ZR 138/99 - shell.de; BGH, Urteil vom 26.06.2003 - I ZR 296/00 - maxem.de; BGH, Urteil vom 08.02.2007 - I ZR 59/04, MIR 2007, Dok. 291 - grundke.de).
2. Bei einem Streit um einen Domainnamen kann nicht immer nur darauf abgestellt werden, ob dem Domaininhaber ein inländisches Namens- oder Kennzeichenrecht zusteht. Bei generischen Top-Level-Domains (etwa ".com", ".org" oder ".net") führt ein Namens- oder Kennzeichenrecht, auch wenn es nicht in Deutschland, sondern in einem anderen Staat besteht, dazu, dass der Domaininhaber grundsätzlich als berechtigt anzusehen ist. Bei länderspezifischen Top-Level-Domains (z.B. ".de") kann indes auch ein Namens- oder Kennzeichenrecht, dass außerhalb des jeweiligen Landes begründet worden ist, unter Umständen dazu führen, dass der Domaininhaber im Verhältnis zu einem inländischen Namensträger nicht als Nichtberechtigter gelten kann. Ein berechtigtes Interesse zur Verwendung einer länderspezifischen Top-Level-Domain - wie z.B. ".de" - kann insoweit auch bei einem ausländischen Unternehmen bestehen, dass unter dem betreffenden Domainnamen deutschsprachige Inhalte zugänglich machen möchte.
3.
a) Das in Art. XXV Abs. 5 Satz 2 des deutsch-amerikanischen Freundschafts-, Handels- und Schiffahrtsvertrags statuierte Herkunftslandprinzip (Prinzip der gegenseitigen Anerkennung) gilt nur für die Partei- und Prozessfähigkeit der im jeweils anderen Vertragsstaat gegründeten Gesellschaften. Für die Erlangung und Aufrechterhaltung von Handelsnamen und sonstigen gewerblichen Schutzrechten haben die Staatsangehörigen und Gesellschaften des einen Vertragsteils in dem Gebiet des anderen Vertragsteils nach Art. X Abs. 1 dieses Vertrags dagegen nur Anspruch auf Inländerbehandlung.
b) Für die Frage, ob ein vom Namensträger auf Löschung in Anspruch genommener Domaininhaber selbst über ein entsprechendes Namens- oder Kennzeichnungsrecht verfügt und somit gegenüber dem Namensträger als Gleichnamiger zu behandeln ist, können grundsätzlich auch im Ausland bestehende Namens- und Kennzeichnungsrechte herangezogen werden. Bei einem Domainnamen, der mit einer länderspezifischen Top-Level-Domain wie „.de“ gebildet ist, gilt dies aber nur, wenn der Domaininhaber für die Registrierung des (länderspezifischen) Domainnamens ein berechtigtes Interesse vorweisen kann.
c) Die Haftung des auf Löschung des Domainnamens in Anspruch genommenen Admin-C als Störer setzt voraus, dass ihn ausnahmsweise eine eigene Pflicht trifft zu prüfen, ob mit der beabsichtigten Registrierung Rechte Dritter verletzt werden. Voraussetzung ist insofern das Vorliegen besonderer gefahrerhöhender Umstände, die darin bestehen können, dass vor allem bei Registrierung einer Vielzahl von Domainnamen die möglichen Kollisionen mit bestehenden Namensrechten Dritter auch vom Anmelder nicht geprüft werden. Eine abstrakte Gefahr, die mit der Registrierung einer Vielzahl von Domainnamen verbunden sein kann, reicht insofern nicht aus (Fortführung von BGH, Urteil vom 9. November 2011 - I ZR 150/09, GRUR 2012, 304 = WRP 2012, 330 - Basler Haar-Kosmetik).
Bearbeiter: RA Thomas Gramespacher
Online seit: 28.01.2013
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/2444
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
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