Rechtsprechung // Wettbewerbsrecht
OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 11.11.2021 - 6 U 121/21
36 Monate Garantie - Irreführung bei einer Garantiewerbung, wenn der Werbende nicht über die volle Laufzeit Garantiegeber ist und zur Widerlegung der Dringlichkeitsvermutung im Sinne von § 12 Abs. 1 UWG
UWG §§ 5, 12 Abs. 1
Leitsätze:*1. Aufgrund der (Dringlichkeits-)Vermutung in § 12 Abs. 1 UWG bedarf die Eilbedürftigkeit in Wettbewerbssachen in der Regel keiner besonderen Darlegung. Die Eilbedürftigkeit entfällt allerdings, wenn der Antragsteller längere Zeit untätig geblieben ist, obwohl er positive Kenntnis von Tatsachen hatte, die die Verletzungshandlung begründen, oder sich bewusst dieser Kenntnis verschlossen hat. Für das zu lange Zuwarten gelten keine starren Fristen. Ein Zeitraum von sechs Wochen stellt nach den Gepflogenheiten im Bezirk des OLG Frankfurt einen groben Zeitrahmen dar, an dem sich diese Beurteilung orientieren kann. Eine allgemeine Marktbeobachtungspflicht besteht in diesem Zusammenhang indes nicht. Es kommt deshalb nicht darauf an, ob der Antragsteller bei Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt den Wettbewerbsverstoß erkennen konnte. Jedoch kann sich die Antragsteller nicht auf Unkenntnis berufen, wenn sich die Rechtsverletzung aufgrund konkreter Umstände nach der Lebenserfahrung geradezu aufdrängte und sie bewusst die Augen vor der sich aufdrängenden Kenntnis verschloss.
2. Für die Widerlegung der Dringlichkeitsvermutung reicht es nicht aus, dass das angegriffene Geschäftsmodell schon mehrere Monate am Markt war und auch in einer Presseveröffentlichung Erwähnung fand, sofern die Veröffentlichung nicht derart verbreitet war, dass die verantwortlichen Personen der Antragstellerin als Verband nahezu zwangsläufig davon Kenntnis erlangen mussten.
3. Die Angabe "36 Monate Garantie" ist irreführend, wenn nicht darüber aufgeklärt wird, dass der Werbende nicht über die volle Laufzeit Garantiegeber ist, sondern zunächst ein Dritter.
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 14.12.2021
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/3139
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
// Artikel gesammelt "frei Haus"? Hier den MIR-Newsletter abonnieren
Bundesgerichtshof, MIR 2019, Dok. 029
Vorwerk - Täuschung über die Identität des Anbieters eines Produkts ohne Herkunftstäuschung und Anbieterkreis eines Online-Marktplatzes als wesentliches Dienstleistungsmerkmal
BGH, Urteil vom 15.10.2020 - I ZR 210/18, MIR 2020, Dok. 083
Namen sind nur "Schall und Rauch" - Neben dem Namen gehört auch die Rechtsform zur Identität des Unternehmers im Sinne von § 5a Abs. 3 Nr. 2 UWG
OLG Hamm, Urteil vom 18.02.2020 - 4 U 66/19, MIR 2020, Dok. 022
Markenschutz für den Goldton des "Lindt-Goldhasen"
Bundesgerichtshof, MIR 2021, Dok. 059
Pflichtangaben in Immobilienanzeigen - Für die Unterlassungsklage eines Verbraucherverbandes gegen ein Maklerunternehmen wegen eines Verstoßes gegen § 87 Abs. 1 GEG kann ein Gebührenstreitwert von EUR 30.000,00 angemessen sein
OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 14.12.2022 - 6 W 77/22, MIR 2023, Dok. 008