Rechtsprechung
OLG München, Urteil vom 27.09.2012 - 29 U 1682/12
Unzulässige E-Mail-Werbung durch Bestätigungsanfrage im Double-opt-in-Verfahren - Eine E-Mail, mit der zur Bestätigung einer (Newsletter-) Bestellung im Double-opt-in-Verfahren aufgefordert wird, kann als Werbung unter das Verbot von § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG fallen.
BGB §§ 823 Abs. 1, 1004; UWG § 7 Abs. 1 Nr. 3
Leitsätze:*1. Für den Nachweis der Einwilligung des Empfängers in die Zusendung von E-Mail-Werbung trägt der Versender (Werbende) die Darlegungs- und Beweislast (mit Verweis auf BGH, Urteil vom 11.03.2004 - I ZR 81/01 - E-Mail-Werbung I; BGH, Urteil vom 10.02.2011 - I ZR 164/09 - Double-opt-in-Verfahren). Für einen solchen Nachweis des Einverständnisses ist es erforderlich, dass der Werbende die konkrete Einverständniserklärung jedes einzelnen Verbrauchers vollständig dokumentiert. Im Fall einer elektronisch übermittelten Einverständniserklärung setzt das deren Speicherung und die jederzeitige Möglichkeit voraus, sie auszudrucken. Verfahren, bei denen unklar ist, ob eine Einverständniserklärung tatsächlich von dem Empfänger (*) stammt, sind für den erforderlichen Nachweis ungeeignet.
2. Nach § 7 Abs. 1 Nr. 3 UWG stellt - abgesehen von dem Ausnahmetatbestand des § 7 Abs. 3 UWG - jede Werbung unter Verwendung elektronischer Post ohne vorherige ausdrückliche Einwilligung des Adressaten eine unzumutbare Belästigung dar.
3. Eine geschäftliche Handlung - insbesondere Werbung - durch die ein Marktteilnehmer in unzumutbarer Weise belästigt wird, ist nach § 7 Abs. 1 UWG unzulässig. Dies gilt stets für Werbung unter Verwendung elektronischer Post ohne ausdrückliche Einwilligung des Adressaten (§ 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG).
4. § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG hat seine unionsrechtliche Grundlage in Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2002/58/EG (Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation) vom 12.07.2002. Der in der Datenschutzrichtlinie gebrauchte Begriff der Direktwerbung wird dort nicht definiert. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs stellen alle auf Absatzförderung gerichteten Handlungen bzw. Äußerungen eines Unternehmens Werbung im Sinne des § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG dar. Der Bundesgerichtshof geht dabei für diese Begriffsverständnis vom allgemeinen Sprachgebrauch und der Definition des Begriffs der Werbung in Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 2006/114/EG vom 12.12.2006 über irreführende und vergleichende Werbung aus. Werbung ist danach jede Äußerung bei der Ausübung eines Handels, Gewerbes, Handwerks oder freien Berufs mit dem Ziel, den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistung zu fördern (BGH, Beschluss vom 20.05.2009 - I ZR 218/07, MIR 2009, Dok. 170).
5. Auch eine E-Mail, mit der zur Bestätigung einer Bestellung (hier: eines Newsletters) im Double-opt-in-Verfahren aufgefordert wird, fällt als Werbung unter das Verbot von § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG (u.a. mit Verweis auf Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, 29. Auflage 2011, § 7 Rn. 189; a.A. nunmehr aber Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, 30. Auflage 2012, § 7 Rn. 189.). Die Einbeziehung von solchen Aufforderungen zur Bestätigung einer (Newsletter-) Bestellung steht im Einklang mit einem am Ziel der Absatzförderung orientierten Verständnis des Bergriffs der Werbung.
Insgesamt dürfte die Entscheidung mit Blick auf BGH, Urteil vom 10.02.2011 - I ZR 164/09 - Double-opt-in-Verfahren hinsichtlich ihrer Begründung und Argumentationsführung wohl durchaus kritisch zu hinterfragen sein. Weiterhin sind Belegstellen aus zwei verschiedenen Auflagen der Kommentierung von Köhler zu § 7 in Köhler/Bornkamm hervorzuheben (vgl. dazu LS 4).
Das Gericht hat die Revision (konsequent) hinsichtlich der Frage, ob der Bestätigungsanfrage im Rahmen eines Double-opt-in-Verfahrens Werbecharakter zukommt zugelassen (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO).
Zu der Entscheidung vgl. Gramespacher, WRP 2013, 113 ff. (Kommentar zur Entscheidung)
Bearbeiter: RA Thomas Gramespacher
Online seit: 21.11.2012
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/2427
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