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Rechtsprechung



EuGH, Urteil vom 16.02.2012 - C-360/10

SABAM - Verpflichtung eines Hosting-Providers zur Einrichtung eines allgemein, präventiv und dauerhaft wirksamen Filter-Systems zur Verhinderung von Urheberrechtsverletzungen nicht mit Unionsrecht vereinbar.

Richtline 2000/31/EG Art. 14, Art. 15; Richtlinie 2001/29/EG Art 3 Abs. 1, Art. 8; Richtlinie 2004/48/EG Art. 2 Abs. 3, Art. 3, Art. 11 Satz 3; Richtlinie 95/46/EG; Richtlinie 2002/58/EG

Leitsätze:*

1. Die Richtlinien

  • 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt (Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr),
  • 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft und
  • 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums
sind, bei einer Gesamtbetrachtung und einer Auslegung im Hinblick auf die sich aus dem Schutz der anwendbaren Grundrechte ergebenden Anforderungen, dahin auszulegen, dass sie der Anordnung eines nationalen Gerichts an einen Hosting-Anbieter entgegenstehen, ein System der Filterung
  • der von den Nutzern seiner Dienste auf seinen Servern gespeicherten Informationen,
  • das unterschiedslos auf alle diese Nutzer anwendbar ist,
  • präventiv,
  • allein auf eigene Kosten und
  • zeitlich unbegrenzt
einzurichten, mit dem sich Dateien ermitteln lassen, die musikalische, filmische oder audiovisuelle Werke enthalten, an denen der Antragsteller Rechte des geistigen Eigentums zu haben behauptet, um zu verhindern, dass die genannten Werke unter Verstoß gegen das Urheberrecht der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden.

2. Nach Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31/EG ist es nationalen Stellen untersagt, Maßnahmen zu erlassen, die einem Hosting-Anbieter (hier: Soziales Netzwerk) verpflichten würden, von ihm gespeicherte Informationen aktiv und generell zu überwachen (vgl. EuGH, Urteil vom 24.11.2011 - C-70/10 - Scarlet Extended, Randnr. 36). Ein solches Verbot erstreckt sich u.a. auch auf innerstaatliche Maßnahmen, die einem vermittelnden Dienstleister wie einem Hosting-Anbieter verpflichten würden, sämtliche Daten jedes seiner Kunden aktiv zu überwachen, um jeder künftigen Verletzung von Rechten des geistigen Eigentums vorzubeugen (vgl. auch EuGH, Urteil vom 24.11.2011 - C-70/10 - Scarlet Extended, Randnr. 40). Eine solche allgemeine Überwachungspflicht wäre auch nicht mit Art. 3 der Richtlinie 2004/48/EG zu vereinbaren, wonach derartige Maßnahmen gerecht und verhältnismäßig sein müssen und nicht übermäßig kompliziert oder kostspielig sein dürfen (vgl. EuGH, Urteil vom 24.11.2011 - C-70/10 - Scarlet Extended, Randnr. 36, 48). Zudem ist ein angemessenes Gleichgewicht zwischen dem Recht am geistigen Eigentum einerseits und der unternehmerischen Freiheit, dem Recht auf den Schutz personenbezogener Daten und dem Recht auf freien Empfang oder freie Sendung von Informationen andererseits zu gewährleisten (hier: verneint; vgl. dazu auch: EuGH, Urteil vom 24.11.2011 - C-70/10 - Scarlet Extended, Randnr. 53).

MIR 2012, Dok. 011


Anm. der Redaktion: Leitsatz 1 gibt den Tenor des Urteils wieder.
Download: Entscheidungsvolltext PDF

Bearbeiter: RA Thomas Gramespacher
Online seit: 20.02.2012
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/2389

*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.

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