Rechtsprechung // Wettbewerbsrecht
BGH, Urteil vom 13.01.2022 - I ZR 35/21
Influencer III - Fördert eine Influencerin durch einen Bericht den Absatz eines fremden Unternehmens, ist dies grundsätzlich kennzeichnungspflichtig, wenn ihr die betreffenden Waren oder Dienstleistungen kostenlos zur Verfügung gestellt wurden
Richtlinie 2000/31/EG Art. 2 Buchst. f, Art. 6 Buchst. a; Richtlinie 2010/13/EU Art. 11; UWG § 2 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Abs. 1 und 4, § 5a Abs. 6, § 8 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Nr. 2; TMG § 1 Abs. 1 Satz 1, § 2 Satz 1 Nr. 1 und 5, § 6 Abs. 1 Nr. 1; RStV § 58 Abs. 1 Satz 1; MStV § 22 Abs. 1 Satz 1
Leitsätze:*1. Eine geschäftliche Handlung, die die Voraussetzungen des § 5a Abs. 6 UWG erfüllt, ist nicht als unlauter anzusehen, wenn sie den Erfordernissen des § 6 Abs. 1 Nr. 1 TMG sowie des § 58 Abs. 1 Satz 1 RStV und § 22 Abs. 1 Satz 1 MStV genügt, weil es sich dabei um vorrangige Spezialvorschriften handelt, deren Wertungen durch das Lauterkeitsrecht nicht unterlaufen werden dürfen (vgl. dazu BGH, Urteil vom 09.09.2021 - I ZR 125/20, MIR 2021, Dok. 073, Rn. 58 bis 61 und 71 - Influencer II).
2. Fördert eine Influencerin durch einen Bericht über Waren oder Dienstleistungen in sozialen Medien (hier: Instagram) den Absatz eines fremden Unternehmens, so handelt es sich um kommerzielle Kommunikation im Sinne des § 2 Satz 1 Nr. 5 Buchst. b TMG und Werbung im Sinne von § 2 Abs. 2 Nr. 7 RStV und § 2 Abs. 2 Nr. 7 MStV, wenn ihr die Waren oder Dienstleistungen von dem durch den Bericht begünstigten Unternehmen kostenlos zur Verfügung gestellt wurden (Fortführung von BGH, Urteil vom 9. September 2021 - I ZR 90/20, GRUR 2021, 1400 = WRP 2021, 1415 - Influencer I; Urteil vom 9. September 2021 - I ZR 125/20, GRUR 2021, 1414 = WRP 2021, 1429 - Influencer II).
3. Für die Annahme fehlender Unabhängigkeit im Sinne von § 2 Satz 1 Nr. 5 Buchst. b TMG bedarf es keines synallagmatischen Zusammenhangs zwischen Beitrag und Gegenleistung. Das Bewirken einer Gegenleistung stellt nur einen Unterfall fehlender Unabhängigkeit im Sinne des § 2 Satz 1 Nr. 5 Buchst. b TMG dar. Der Schutzzweck der Regelung verlangt die Erfassung auch solcher Gewährungen geldwerter Vorteile, mit denen Beiträge gerade erst veranlasst werden sollen, ohne dass zuvor eine Vereinbarung getroffen wurde.
4. Eine für geldwerte Vorteile geltende Geringfügigkeitsschwelle sehen weder § 2 Satz 1 Nr. 5 TMG noch § 2 Abs. 2 Nr. 7 RStV oder § 2 Abs. 2 Nr. 7 MStV vor.
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 23.02.2022
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/3160
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
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BGH, Urteil vom 09.09.2021 - I ZR 125/20 , MIR 2021, Dok. 073