Rechtsprechung
BGH, Urteil vom 01.12.2010 - I ZR 55/08
Zweite Zahnarztmeinung - Zur berufs- und wettbewerbsrechtlichen Beurteilung der Nutzung und des Angebots einer Internetplattform zum Vergleich von Preisen und Leistungen von Zahnärzten.
UWG §§ 3, 4 Nr. 11; Berufsordnung für die Bayrischen Zahnärzte §§ 2, 8 Abs. 2 und 5, § 21 Abs. 1
Leitsätze:*1. Ein Zahnarzt, der auf einer Internetplattform ein Gegenangebot zu dem Heil- und Kostenplan oder Kostenvoranschlag eines Kollegen abgibt, das der Patient dort eingestellt hat, verstößt weder gegen das berufsrechtliche Kollegialitätsgebot noch gegen das Verbot berufswidriger Werbung. Verpflichtet er sich, dem Betreiber der Internetplattform im Falle des Zustandekommens eines Behandlungsvertrags mit dem Patienten einen Teil seines Honorars als Entgelt für die Nutzung des virtuellen Marktplatzes abzugeben, liegt darin auch kein unzulässiges Versprechen eines Entgelts für die Zuweisung von Patienten. Dementsprechend handelt auch der Betreiber der Internetplattform nicht wettbewerbswidrig.
2. Erstellt ein Zahnarzt, dem ein Patient einen Heil- und Kostenplan oder Kostenvoranschlag eines anderen Zahnarztes mit der Bitte um Prüfung und Erstellung eines Gegenangebots vorlegt, eine entsprechende Kostenschätzung, stellt dies eine zulässige Information über die eigene Berufsfähigkeit dar. Denn der Zahnarzt präsentiert mit dem zweiten Angebot lediglich seine eigene Leistung, die nach der ihm vom Patienten gemachten Vorgabe denselben Umfang haben soll, wie die von dem Kollegen angebotene Leistung, dabei aber weniger kosten soll. Insoweit Der andere Zahnarzt hat einen durch ein solches Gegenangebot herbeigeführten Wechsel des Behandlers im Hinblick darauf hinzunehmen, dass er das Recht des Patienten auf freie Arztwahl zu achten hat.
3. Eine verbotene Werbung um Praxis liegt nicht vor, wenn ein Zahnarzt der entsprechenden Bitte eines Patienten nachkommt und einen alternativen Heil- und Kostenplan zu dem Angebot eines Kollegen erstellt. Dies wäre nur dann der Fall, wenn sich ein Zahnarzt - nachdem er von dritter Seite erfahren hat, dass bei einem Patienten eines Kollegen ein Behandlungsbedarf besteht - von sich aus an den Patienten mit dem Angebot wenden würde, ein günstigeres Angebot abzugeben (vgl. zur Rechtsanwaltswerbung § 43b BRAO und hierzu BGH, Urteil vom 01.03.2001 - I ZR 300/98 - Anwaltswerbung II; BGH, Urteil vom 15.03.2001 - I ZR 337/98 - Anwaltsrundschreiben; BGH, Urteil vom 21.02.2002 - I ZR 281/99 - Vanity-Nummer).
Bearbeiter: RA Thomas Gramespacher
Online seit: 03.03.2011
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/2301
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
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